Depeche Mode gegen Grönemeyer: Das sind die Musik-Highlights der Woche

Aktuelle Tipps Herbert Grönemeyer, Lana Del Rey und Depeche Mode, die ihr erstes Album nach dem Tod von Andy Fletcher "Memento Mori" nennen: Erfahren Sie hier, was neu, wichtig und hörenswert ist in der Welt der Musik.

Herbert Grönemeyer landete mit seinen letzten elf Studioalben immer auf Platz eins in den deutschen Charts, Depeche Mode gelangen immerhin sieben Nummer-eins-Platten hintereinander. Für irgendwen wird die Serie nun aber wohl reißen: Depeche Mode und Herbert Grönemeyer veröffentlichen zeitgleich ihre neuen Alben "Memento Mori" beziehungsweise "Das ist los" - zwei der größten Pop-Highlights 2023 am selben Tag. Neues und Hörenswertes gibt es außerdem von Sadpop-Queen Lana Del Rey.

Depeche Mode - Memento Mori

"Memento Mori" ("Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst") - ob Depeche Mode diesen Albumtitel wohl vor drei, vier Jahren auch schon so gewählt hätten? Heute, im Frühjahr 2023, passt "Memento Mori" natürlich. Nicht nur der Titel, sondern die ganze Platte lässt sich als Abschiedsgruß lesen. Andy Fletcher, der über vier Jahrzehnte zur Kernbesetzung von Depeche Mode gehörte, starb überraschend im Mai 2022. Erst einige Monate später entschieden sich Dave Gahan und Martin Gore, zu zweit weiterzumachen. Im Oktober kündigten sie schließlich neue Musik an.

Depeche Mode nach so vielen Jahren nicht mehr als Trio, sondern als Duo - ist jetzt alles anders? Eher nicht. Depeche Mode klingen auf "Memento Mori" immer noch zu hundert Prozent nach Depeche Mode. Was aber womöglich auch daran liegt, dass die Arbeiten am 15. Langspieler bereits in der Frühphase der Corona-Pandemie begannen, also einige Zeit vor Fletchers Tod. Sein Geist ist in diesen zwölf Songs jedenfalls sehr präsent, auch weil Gahan und Gore spürbar noch viel von ihrem Schmerz mit in die finalen Songs getragen haben.

Die erste Single "Ghosts Again" erzählte bereits bildreich von Vergänglichkeit, vom ewigen Kommen und Gehen. Ähnliche Themen dominieren auch den Rest der Platte. Wo die Musik von Depeche Mode sonst ohnehin schon düster war, kippt sie auf "Memento Mori" ins Morbide - ein schwerer und doch unwiderstehlicher Synthpop-Totentanz. Der erste Song "My Cosmos Is Mine" ist extrem zäh im Einstieg, aber dann gewaltig. Das wird live einige Gänsehaut-Momente geben in den nächsten Monaten. Unmittelbar vor Veröffentlichung von "Memento Mori" startete bereits die neue US-Tour von Depeche Mode, ab dem Frühsommer stehen dann auch einige Konzerte in Europa (unter anderem in Leipzig, Düsseldorf, München, Frankfurt, Berlin) an.

Herbert Grönemeyer - Das ist los

"Was ist los? Das ist los: Herbert Grönemeyer veröffentlicht mit seinem neuen, seinem 16. Album ein Plädoyer für den Aufbruch, für die Zuversicht." Die Gefahr, dass sich solche Plädoyers irgendwann abnutzen, sie besteht selbst bei einem wie ihm. Grönemeyer, der seit vielen Jahren als gutes Gewissen der Deutschen und eigentlich aller Erdenbewohner durch seine Musik spricht. Noch, immerhin, hören fast alle hin - die Fans, die Musikkritiker und die Feuilletonisten sowie auch die, denen Grönemeyer schon lange auf den Keks geht.

"Das ist los", mit dem Albumtitel schürte Herbert Grönemeyer von Beginn an große Erwartungen. Sein letztes Album hieß schon "Tumult", damals aber habe er immerhin noch "von relativ festem Boden aus geschrieben", wie der erfolgreichste Musiker Deutschlands in einer Begleitnotiz zu "Das ist los" erklärt. Fünf Jahre später ist von diesem festen Boden, der damals eigentlich schon gar nicht mehr so fest war, kaum etwas übrig. "Pandemie, Krieg in Europa, Inflation und Energiekrise", das sind die großen schweren Themen, die bei den meisten der 13 Songs im Hintergrund mitschwingen; zwischendurch verneigt sich Grönemeyer auch noch vor den Frauen im Iran, die so tapfer für ihre Rechte kämpfen ("Deine Hand").

Herbert Grönemeyer präsentiert mit "Das ist los" ein Album, das mit feinen Melodien, verspielten Electro-Beats und kleinen NDW-Momenten arbeitet, aber natürlich vor allem über die Inhalte kommt. Über hundert Texte habe er zu diesem Album geschrieben, "einige davon sind gar nicht mal so schlecht". Grönemeyer positioniert sich gerne klar, in den neuen Songs reichen ihm aber oft auch Chiffren. In "Der Schlüssel" singt er von Entwurzelung, Abschied und Sirenen - die "offenen Arme" kann man sich leicht dazudenken.

Mit Blick auf die Botschaften, die er senden möchte, spricht Grönemeyer von einer "differenzierten Zuversicht". Nicht blind losrennen, nicht in Angst erstarren, stattdessen anpacken und zusammen das Beste daraus machen. Das ist alles nicht mehr ganz neu, das hat man vielleicht alles schon so oder so ähnlich von Grönemeyer gehört. Eher unwahrscheinlich, dass er mit "Das ist los" noch irgendjemandem den moralischen Kompass neu einstellt. An Wucht, an Bestimmtheit und an Dringlichkeit aber fehlt es definitiv nicht, und manche Sachen kann man vielleicht auch nicht oft genug hören. Der Mensch bleibt ja Mensch, "weil er vergisst, weil er verdrängt", und Grönemeyer bleibt eben immer Grönemeyer.

Lana Del Rey - Did You Know That There's A Tunnel Under Ocean Blvd

Lana Del Rey wirkt manchmal wie eine dieser alten Hollywood-Schönheiten, die Verehrern zwischendurch gerne mal die kalte Schulter zeigten, um sich dadurch noch interessanter zu machen. Die künstliche Verknappung ist nun allerdings nicht ihr Ding. Gerade in den letzten Jahren war die US-Amerikanerin, die eigentlich Elizabeth Woolridge Grant heißt, ungemein produktiv. 2019 veröffentlichte sie das Album "Norman Fucking Roswell!" (14 Songs), 2021 dann "Chemtrails Over The Country Club" (11) und später im selben Jahr noch "Blue Banisters" (15). Inzwischen sind schon wieder 16 neue Tracks fertig, die Del Ray mit der Welt teilen möchte.

Lana Del Ray zeigt gerne, was sie hat, gleichzeitig gehört aber auch der Reiz des Mysteriösen und Unergründlichen zu ihrem Image. Dass es auf dem bereits neunten Langspieler in 13 Jahren immer noch Geheimnisse zu lüften gibt, signalisiert schon der ziemlich sperrige Titel: "Did You Know That There's A Tunnel Under Ocean Blvd".

Ein Tunnel also unter dem Ocean Boulevard (der in New Hampshire?), mit Mosaik-Decke und bunt bemalten Fliesen an der Wand. Wunderschön muss dieser Tunnel sein, so sehnsuchtsvoll, wie Lana Del Rey davon singt. Aber letztlich ist er natürlich nur ein Bild, ein Vehikel für die Musik. Sie spielt wieder stilvollen Sadpop, experimentiert jenseits von orchestralen Retro-Klängen aber auch mal mit Gospel ("The Grants") und HipHop ("A&W"). Im "Judah Smith Interlude" hört man über viereinhalb Minuten einen Prediger erzählen, während im Off gekichert wird - ein bisschen seltsam, aber auch das passt bei Del Rey hervorragend ins Bild.

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