Blick war im Geburtshaus "erlebnis geburt" e.V. zu Besuch und hat Friederike Schellhorn zu dem Beruf Hebamme interviewt:
Wie sind Sie zu ihrem Beruf gekommen und was beinhaltet dieser hauptsächlich?
Wir waren in der 11. Klasse im Berufsinformationszentrum. Dort gab es einen Berater, der zu einer schlanken, großen Freundin gesagt hat: "Also mit diesen Händen müssen Sie Hebamme werden". Das war mein erster Kontakt. Meine Leistungskursfächer konnte ich mir beruflich nicht vorstellen, auch wenn sie mir Spaß gemacht haben. Deswegen stellte ich mir die Frage, was ich mir denn 40 Jahre lang vorstellen könnte. Es blieb immer wieder der Beruf Hebamme in meinem Kopf hängen. Nach der Schule habe ich mich deutschlandweit beworben und habe dann einen Platz für die Ausbildung hier in Chemnitz bekommen.
Viele denken Hebamme sein hat ganz viel mit kleinen Babys zu tun, aber es hat vor allem mit Frauenarbeit zu tun. Hauptsächlich begleitet man die Frau auf ihren Weg zur Mutter, der geradlinig und schön, aber auch sehr holprig sein kann. Hebamme hat außerdem viel damit zu tun, ein Paar zum Eltern werden und zur Familie zu begleiten. Es geht darum, Frauen und auch Männer zu stärken und an manchen Stellen Sprecher für das Kind zu sein, wenn man das Gefühl hat, in den Familien ist das Verständnis, von dem was tatsächlich die Bedürfnisse des Kindes sind, noch nicht so ausgeprägt. Da bin ich manchmal diejenige, die übersetzt, was das Kind möchte. Gleichzeitig bin ich dafür da, wie man die Bedürfnisse von Eltern und Kind zusammenbringen kann und wie man die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Realität miteinander verbindet, dass man nicht daran scheitert.
Wie lange üben Sie diesen Beruf schon aus?
Ich habe nach der Ausbildung meinen Sohn bekommen und war mit ihm eine Weile in Elternzeit. 2014 habe ich mich selbstständig gemacht und meine Tochter bekommen. Hier im Geburtshaus bin ich seit Ende 2016 zunehmend mit dabei. Dass ich alleine als erste Hebamme Geburten begleite, hat 2018 begonnen. Vorher habe ich dies zusammen mit Kollegen gemacht. Die Arbeit zu zweit ist schöner, aber wir sind zu wenig Kolleginnen dafür. Wir wären gerne mehr, aber woher wollen wir die Hebammen nehmen? Außerklinisches Arbeiten liegt nicht jedem und dann muss es im Eam noch zusammenpassen. Ich arbeite auch sehr gerne mit Studentinnen und Schülern zusammen.
Was hat Sie am meisten an diesem Beruf begeistert, was vielleicht weniger?
Der Hebammenberuf hat einige Vorteile und einige Nachteile. Es gibt viele Facetten, die natürlich sehr emotional und tiefgehend sind. Außerdem begeistert es mich, dass es so viele verschiedene Möglichkeiten in dem Beruf gibt. Ich kann mir als Hebamme aussuchen, ob ich in einer Klinik angestellt sein möchte und im Schichtdienst arbeite. Genauso kann ich sagen, dass ich freiberuflich tätig bin, mit oder ohne Geburtshilfe. Wenn ich mehr Lust auf das technische Gebiet habe, kann ich in ein Abrechnungszentrum gehen und die Software für Hebammen mitgestalten. Ich kann genauso in einer Beratungsstelle Schwangerschaftskonfliktberatung geben oder an einer Uni unterrichten.
Doch in jedem Arbeitsbereich gibt es Schwierigkeiten. In der Klinik muss man im Schichtdienst arbeiten. In der Freiberuflichkeit gibt es den Nachteil, dass die Steuern, das Qualitätsmanagement und die ganze Buchhaltung gemacht werden müssen. Gleichzeitig muss ich meine Arbeit selbst organisieren und wenn mir das nicht liegt, kann es mir sehr schwer fallen. Auf der anderen Seite reiche ich meinen Urlaub bei mir selber ein. Aber ich muss auch so arbeiten, dass ich mir den Urlaub leisten kann. Rufbereitschaft und Familie klappt bei mir nur mit der Hilfe meines Au-Pairs.
Gab es ein tolles Erlebnis, was im Gedächtnis geblieben ist?
Tolle Erlebnisse gibt es natürlich viele. Jede Geburt ist ein sehr besonderer Moment. In Erinnerung bleiben auch Geburten, wo man am Telefon sich doch ein bisschen verschätzt hat und das im Auto geborene Kind entgegennimmt oder eben nur noch der Anruf kommt, dass sie es nicht mehr zum Geburtshaus schaffen und in eine nächstgelegene Klinik abgebogen sind. Auch sind manche Schwangerschaftsbetreuungen intensiv, wo man von Beginn bis Ende der Schwangerschaft dabei war und Prozesse von Frauen miterlebt hat, die am Anfang sich nicht richtig in ihrer Mutterrolle gesehen haben und dann sehr gut darin angelommen sind und an dem Prozess mit meiner Unterstützung wachsen konnten.
Was sagen Sie dazu, dass der Beruf Hebamme nur noch als Studium angeboten wird und nicht mehr als Ausbildung?
Ich selber habe eine Ausbildung gemacht und kann Argumente Pro und Kontra verstehen. Ich sehe Hebamme schon mehr als Handwerk, als nur als Kopfthema. Gleichzeitig finde ich es eine gute Entwicklung, dass Hebammen darauf Wert legen, dass ihre Arbeit wissenschaftlich fundiert hinterfragt und mit Belegen hinterlegt wird und nicht nur Erfahrungswissen weitergegeben wird. Wir erwarten von allen, dass jeder wissen sollte was er tut und sich weiterentwickelt. Beide Extreme sind nicht hilfreich. Denn wenn man sich nur auf die wissenschaftliche Basis fokussiert, kommt die Erfahrungswissenschaft zu kurz. In der Hebammenarbeit geht es auch sehr viel um Emotionalität und Verbundenheit, die auf Gefühlsebenen stattfinden und die nicht zu kurz kommen sollten.
Warum sollte ein Schüler ein Studium in diesem Beruf machen?
Hebamme werden eigentlich nur die, die wirklich Lust darauf haben. Diejenigen, die geregelte Arbeitszeiten und einen super hohen Verdienst haben möchte, werden dann eher keine Hebamme. Man kann zwar gut verdienen, aber dann arbeitet man auch entsprechend. Außerdem sollte man kein Problem mit Körperlichkeiten und Ausscheidungen haben, sonst wird es schwierig.
Wer sich aber dafür einsetzt und wem es wichtig ist, Frauen auf ihrem Weg zu begleiten und eine Stütze bieten zu können, für den ist es ein spannendes Berufsfeld.