CFC-Mitgliederversammlung: Neuer Aufsichtsrat, alte Sorgen, anderes NLZ

FUSSBALL Die himmelblauen Mitglieder erlebten einen durchaus denkwürdigen und folgenreichen Abend.

Chemnitz. 

Die anwesenden 364 CFC-Mitglieder - darunter 351 stimmberechtigte - haben in den VIP-Räumlichkeiten im "Stadion - An der Gellertstraße" eine denkwürdige Mitgliederversammlung erlebt. Der Fokus des Abends, der letztlich fast fünf Stunden andauerte, lag auf der Wahl des neuen Aufsichtsrates. Mit Dr. Matthias Hänel trat ein bekanntes Gesicht aus der Vor-Insolvenzzeit an. Doch der "Doc", welcher von 2006 bis 2017 das Präsidentenamt innehatte, verpasste, wenngleich denkbar knapp, seine Rückkehr. Außerdem flogen zwischen dem aktuellem Vorstand und den Vertretern von "Polster-Catering" kurzzeitig die Wortfetzen. Auch bei dem Thema Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) wurde es erwartbarerweise emotional.

 

Der Doc kommt doch nicht an Bord!

Die Losung war einfach: Für den neuen Aufsichtsrat hatten sich - bei sieben zu vergebenen Plätzen - neun Kandidaten zur Wahl gestellt. Im Vorfeld zog Stephan Ballack aus persönlichen Gründen seine Kandidatur zurück. Der Vater des ehemaligen Nationalspielers Michael Ballack bleibt aber beratend für die Himmelblauen am Ball. Der Fokus bei der Aufsichtsratswahl lag vor allem auf Dr. Matthias Hänel, welcher sich im Vorfeld medial in Stellung brachte und seinen Antritt zum einen mit der ungebrochen großen Verbundenheit mit dem Verein seiner Heimatstadt begründetet. In Background, so kokettierte der Chefarzt für Innere Medizin am Klinikum Chemnitz zum anderem, habe er ein gewachsenes Netzwerk, mit dem wirtschaftliche Stabilität gewährleistet sowie die Rückkehr in den Profifußball mittelfristig wieder in Angriff genommen werden kann. Mit 165 Stimmen blieb das Comeback für den "Doc" aus. Stattdessen bilden nun Jürgen Thomas (305 Stimmen), Norman Löster (256 Stimmen), Tino Kermer (239 Stimmen), Matthias Amlung (208 Stimmen), Thomas Georgi (191 Stimmen), Dr. Steffen Börner (179 Stimmen) und Thomas Brückner (178 Stimmen) den neuen Aufsichtsrat. Der alte und neue Vorsitzender ist Löster.

 

CFC-Prokurist Haeder: "Immer im Vereinswohl handeln."

Mit Spannung wurden die Jahresabschlüsse sowohl der Chemnitzer FC Fussball GmbH als auch vom Chemnitzer FC e.V. erwartet. In der Saison 2022/23 kam bei der CFC-GmbH - trotz Highlightspielen gegen den 1. FC Union Berlin und FC Erzgebirge Aue - ein Betrag von -812.972,19 Euro zusammen, in der darauffolgenden konnte dieser - durch die Einsparung von Personalkosten in Höhe von 555.019,15 Euro - auf 237.999,32 Euro gesenkt werden. Die aktuelle Saison soll, so die aktuellen Schätzungen, mit maximal -100.000,- Euro beendet werden. Verantwortlich dafür sind unter anderem die anfallenden Kosten für die beiden Rechtsstreite mit der "Polster Sport Catering GmbH" und dem ehemaligen CFC-Sportgeschäftsführer Marc Arnold.

Tommy Haeder, Geschäftsstellenleiter, Ticketchef und Prokurist, stellte klar: "Wir werden immer zum Wohle des Vereins handeln." Und ein eindrucksvoller Beleg dafür ist, dass der Überschuldungsberg von 111.625,- Euro abgetragen werden konnte. Beim Antritt im Juni 2023 war der CFC überschuldet und kaum handlungsfähig, ein Jahr später stand ein Plus von 90.375,- Euro zur Buche, welches durch eine strikte Ausgaben-Reduzierung sowie weiterer Anteilsverkäufe an die Gesellschafter realisiert wurde. Auch die Zuschauerentwicklung sowie der Fanartikelverkauf wirkten sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. "Es war und ist eine Herkules-Aufgabe, die CFC-GmbH in ruhiges Fahrwasser zu manövrieren", so Haeder.

Für das Geschäftsjahr 2022/23 wurde der damalige Vorstand um Romy Polster entsprechend nicht entlastet, die einzige Entlastungsstimme gab übrigens ihr Ehemann, Matthias Polster. Für das Geschäftsjahr 2023/24 hingegen wurden sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat mit deutlicher Mehrheit entlastet.

 

Wenn Streit zur Schlammschlacht wird

Darüber hinaus geht der Streit mit der "Polster Sport Catering GmbH" in die nächste Instanz - und diese findet höchstwahrscheinlich im August vor dem Kartellsenat des OLG Dresden statt. Haeder formulierte diesbezüglich unmissverständlich: "Wir kämpfen weiter für die Gerechtigkeit, und Polster Catering wird nicht mehr in unser Stadion zurückkehren." Durch den Streit gehen dem CFC pro Heimspiel bis zu 10.000,- Euro verlustig. Die Gegenseite wiederum hat, das kam überraschenderweise auch zur Sprache, Uwe Hildebrand, Geschäftsführer der Chemnitzer FC Fußball GmbH, und Haeder wegen Erpressung und Nötigung angezeigt. Als Matthias Polster als CFC-Mitglied das Wort ergriff, wurde es hitzig, Anschuldigungen und Beleidigungen wurden ausgetauscht, eine kurze - in der ansonsten konstruktiven und respektvollen Mitgliederversammlung - Schlammschlacht startete, in welche sich die himmelblauen Mitglieder lautstark mit "Polster-Raus"-Rufen einmischten. Ein CFC-Mitglied hatte zuvor die Prüfung über den Ausschluss von Ex-CFC-Präsidentin Romy Polster aus dem Verein beantragt. Die dafür notwendige 3/4-Mehrheit wurde jedoch nicht erreicht. Der Rechtsstreit mit Arnold wird am 16. Mai vor dem Amtsgericht in Chemnitz fortgesetzt.

 

Brunhuber-Appell: "Der Pflicht als Vereinsmitglied nachkommen."

Schloss der Chemnitzer FC e.V. die Saison 2022/23 mit einem Plus von 77.089,- Euro ab, waren es ein Jahr später dann -8.139,- Euro. In der aktuellen Saison ist dieser Wert auf -100.000,- Euro angewachsen. Die Gesellschafter Pönisch und Thomas haben mit Spenden die Liquiditätslücke geschlossen. Dieser Fehlbetrag soll in Folge der Neustrukturierung ab Sommer - beispielsweise durch die Einsparung von Personalkosten sowie Einnahmen mit Ausbildungsentschädigungen und Spielerablösen - korrigiert werden. Dazu steht der CFC e.V. mit mehr als einer halben Million gegenüber der CFC-GmbH noch in der Kreide. Der Jahresetat für des NLZ beträgt 900.000,- Euro. "Eins - Energie in Sachsen" sowie die "Sparkasse Chemnitz" sind seit 2023 wichtige und unerlässliche Sponsoren für das NLZ sowie die Frauen-Teams der Himmelblauen. Bei der CFC-GmbH wiederum engagieren sich die städtischen Sponsoren nach wie vor nicht.

Helmut Brunhuber, Vorstandsvorsitzende des Chemnitzer FC, schickte einen Appell an die Mitglieder nach: "Bitte kommt eurer Pflicht als Vereinsmitglied nach und zahlt eure Mitgliedsbeträge." Weil 322 Mitglieder, die - nach einigen Zahlungsaufforderungen und zwei Mahnschreiben - mittlerweile ausgeschlossen worden sind, dieser Pflicht nicht nachgekommen sind, fehlen dem CFC e.V. deswegen Einnahmen in Höhe von 109.000,- Euro. Dementsprechend sank die Anzahl der CFC-Mitglieder im Juni 2024 auf nur noch 2.230. Seitdem sind aber wieder 251 Mitglieder neu hinzugekommen.

 

CFC-Nachwuchs: Die Wahrheit liegt auf dem Platz.

Vorstandsmitglied Franz Gebhart referierte über die aktuelle NLZ-Entwicklung und legte die Standpunkte für die Neustrukturierung dar. Aufgrund fehlender Strukturen im Scouting und der Talentidentifikation sowie fehlende Ausbildungsphilosophie und Trainingsqualität plus organisatorische und finanzielle Defizite veranlassen diesen unumgänglichen Schritt. "Wir werden in den nächsten Wochen die Maßnahmen verkünden, dazu gehört auch die Benennung der neuen Trainer, welche jeweils die für die DFB-Zertifizierung notwendigen Lizenzen besitzen", erklärte Gebhart. Brunhuber griff ihm unter die Arme und betonte: "Die Wirkung wird sich entfalten. Heute entscheiden wir für das Morgen." Sämtliche Entscheidungen wurden vom Vorstand und dem Aufsichtsrat gemeinsam beschlossen.

Sachliche Kritik sowie Unverständnis äußerte neben Jens Seidel, Vorsitzender "Förderverein für Jugend, Sport und Soziales" (FöV), und einem Elternteil auch Christoph Franke. Die himmelblaue Trainerlegende lobte - in Anbetracht des geringen Budgets - die Leistung der U19, welche sich in der Hauptrunde mit den vier besten Teams in diesem Altersjahrgang - FC Bayern München, 1. FC Köln, FC Schalke 04, SV Werder Bremen -, welche allesamt im Halbfinale um die Meisterschaft stehen, messen durfte. Gebhart relativierte die Leistung und bewertete den beachtlichen Erfolg anders: "Die Gegner treten dort oft mit U-17- oder U-16-Spielern an."

Die U19 des Chemnitzer FC hat in der Saison 2024/2025 gezeigt, was in ihr steckt, welche Qualitäten sie besitzt. Rückblick: In der vergangenen Spielzeit trat das Team von Torsten Wappler noch in der Junioren-Regionalliga an und landete auf einem enttäuschenden vierten Platz - und das mit einem Rückstand von 21 Punkten auf den Staffelsieger Berliner Athletik-Klub 1907. Im Sommer folgte eine Reform des "Deutsche Fußball-Bundes". Der CFC erhielt infolgedessen die Chance, sich ab sofort mit den renommiertesten Nachwuchsleistungszentren (NLZ) in Deutschland in einer Vor- und Hauptrunde zu messen. Kurzum: Die Wappler-Schützlinge haben diese Chance auf eine beeindruckende und beachtliche Art und Weise genutzt. Die Saison hat ergo bewiesen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Und nicht zwingend in organisatorischen und finanziellen Defiziten.

Ulf Mehlhorn erhielt als verdientes, langjähriges Mitglied an diesen Tag nicht nur eine Ehrung, sondern dem scheidenden Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) wurde auch eine neue Position angeboten. Die Vereinslegende, welche der Mitgliederversammlung nicht beiwohnte, wird künftig als Trainer der U15-Junioren fungieren.

 

Löwe: "Der Verein steht weiterhin über allem!"

"Es ist entscheidend, dass wir uns beim Chemnitzer FC mit der Realität der Gegenwart auseinandersetzen, um den Status quo langfristig zu verbessern. Dabei dürfen wir - im Gegensatz zu früher - keine Luftschlösser bauen, die, wenn sie nicht aufgehen, zum Schaden aller in sich zusammenbrechen. Eine gewisse Demut steht unserem Verein gut nach all dem, was wir in den vergangenen Jahren durchgemacht haben." CFC-Sportdirektor Chris Löwe fand ehrliche, selbstkritische und -reflektierende Worte, als er über den bisherigen Verlauf der Saison 2024/25 sprach. Dafür gab es berechtigterweise Standing Ovations von den CFC-Mitgliedern.

 

Aktualisierte Beitragsordnung & gemeinsame Stimme gegen Verbandsstrafen

Außerdem etablierten die CFC-Mitglieder eine neue Beitragsordnung, welche die Zukunft des Vereins prägen soll. Der Verein möchte damit effektiver die Mitgliedsbeiträge generieren. Parallel dazu wurde die lebenslange Mitgliedschaft für 1.966 Euro bestätigt. Sowie über den Antrag für die proaktive Auseinandersetzung und veränderungsorientierte Kritik des CFC e. V. an der Strafenpolitik der Fußballverbände abgestimmt. Fanszene-Vertreter Philipp Uhlig skizzierte in einem Vortrag die aktuelle Situation: "Es braucht ein Umdenken in Bezug auf die Strafenpolitik der Verbände. Wichtig ist mit hierbei zu betonen, dass es ausschließlich um den verantwortungsbewussten Umgang mit Pyro geht. Das Werfen von Böllern ist eine klare rote Linie für uns als aktive Fanszene des Chemnitzer FC." Diese erfolgreiche Abstimmung zeigte, dass Fans und Verein diesbezüglich an einem Strang ziehen - Haeder betonte in diesem Zusammenhang, dass Strafen für die Vereine "existenzgefährdend" sein können. In der letzten Spielzeit mussten die Himmelblauen 20.000,- Euro an den "Nordostdeutsche Fußballverband" (NOFV) überweisen.

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