Mehr als 24.000 Quadratmeter renovierte Geschossfläche, 100 Mieter vom IT-Unternehmen über die Tanzschule bis zum Friseur, dazu ein eigenes Restaurant und das Gefühl einer großen Familie: Das Schönherr-Areal, eines der ältesten Industriestandorte von Chemnitz, ist eine der Erfolgsgeschichten der Nachwendezeit. Das 83.000 Quadratmeter umfassende Gelände, auf dem Louis Ferdinand Schönherr im 19. Jahrhundert seine Webstuhlfabrik gründete, erlebt heute nach der schrittweisen Sanierung in den vergangenen 25 Jahren eine weitere Blütezeit - mit einer Mischung aus Gewerbe und Dienstleistungen, Kunst und Kultur sowie Gastronomie und Handel.
"Wir handelten Anfangs oft blauäugig und unprofessionell"
"Der einstige Raum für Visionen hat sich mit Leben gefüllt und dabei vor allem viel Platz für die Industrietradition des Standortes gelassen" freut sich Birgit Eckert, Geschäftsführerin der Schönherr Weba GmbH. So sei sie besonders stolz, dass Teile der Industrie, wie die Gießerei und die Teilefertigung, am Standort erhalten werden konnten. Sicherlich dank eines ausgeklügelten Plans, oder? "Nein, es gab kein Konzept. Wir handelten anfangs oft blauäugig und unprofessionell", lacht sie rückblickend. "Wir waren aber getrieben von der Angst vor dem Untergang, denn die damalige Zeit war geprägt von Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Es gab für uns schlichtweg keine Alternative." Birgit Eckert kam erstmals 1995 als kaufmännische Geschäftsführerin des Chemnitzer Webmaschinenbau GmbH in Berührung mit dem historischen Areal.
Bisher zehn Bauabschnitte realisiert
Man begann damit, die operativen Geschäfte an Interessenten zu veräußern. Was industriell nicht mehr nutzbar war, sollte schließlich umgenutzt werden. Die ersten Mittel in Höhe von 2,6 Millionen D-Mark flossen aus dem URBAN-Programm der Stadt. "Das waren übrigens bis heute die einzigen Fördermittel", sagt die 68-Jährige stolz. Mithilfe von Finanzierungen und regelmäßigen Mieteinnahmen realisierte das rein privatwirtschaftliche Unternehmen seitdem weitere Teilabschnitte. Der aktuell zehnte Bauabschnitt, die Sanierung des Künstlerhauses K40, soll vorerst das letzte Vorhaben sein. Mit Anekdoten aus den vergangenen Jahrzehnten könne Birgit Eckert ein ganzes Buch füllen: "Es gab eine Zeit, da mussten sich die Bauarbeiter mit einem Hypnotiseur absprechen, damit die Patienten nicht vom Presslufthammer geweckt werden. Und unser erster Mieter, das Café Ankh, musste einmal für drei Wochen dicht machen. Um den Umsatzausfall zu vermeiden, haben wir unter anderem mit alten Teppichen aus der Webstuhlfabrik kurzerhand eine Übergangs-Location errichtet."
Heute wäre das Projekt kaum mehr umsetzbar
Vieles würde heute aufgrund der zahlreichen Behördenauflagen gar nicht mehr funktionieren, meint Eckert. Das sei auch der Grund, warum so ein Projekt wie die Schönherrfabrik heute kaum mehr umsetzbar wäre. "Zu viele Vorschriften und dazu die gestiegenen Baukosten - die Rechnung würde heute für eine privatwirtschaftliche Initiative nicht mehr aufgehen. Das finanziert niemand mehr. Deshalb liegen so viele Objekte entlang der Chemnitzer Ausfallstraßen leider brach. Es fehlen nicht die Ideen, es fehlt die wirtschaftliche Tragfähigkeit."