Filmkritik: Neuer Erzgebirgskrimi verbindet DDR-Erbe und Zwist der Kulturen auf gelungene Weise

Anikas Filmkritik Kommissar Winkler kümmert sich in "Die letzte Note" endlich um seine Försterin. Außerdem werden sexueller Missbrauch und seine Folgen thematisiert.

Chemnitz. 

Eine Musiklehrerein muss sterben. Etwa weil sie eine teure Geige an ihre Musikschule spenden wollte? Scheinbar verbirgt sich noch etwas anderes dahinter. Der Erzgebirgskrimi Folge 12 mit dem Titel "Die letzte Note" spielt diesmal in Chemnitz (BLICK.de berichtete) und Kommissarin Szabo ist nicht mit dabei. Sie ist auf Heimatbesuch in Ungarn. Die passende Gelegenheit für Försterin Saskia (Teresa Weißbach) ihrem Kommissar Robert (Kai Scheve) ermittlungstechnisch unter die Arme zu greifen.

Mord an einer Musiklehrerin

Zufällig geschieht der Mord in dem Orchester, in dem auch Saskia und die Gerichtsmedizinerin Elena Kulikova (Masha Tokareva) an einer Chemnitzer Musikschule spielen. Musiklehrerein Marianne Bach (Corinna Kirchhoff) wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden und das kurz vor dem großen Europafest, auf dem das Orchester einen Auftritt hat.

Die Verdächtigen

Schnell gerät die Gerichtsmedizinerin selbst ins Auge der Ermittlungen, denn sie wurde von Marianne kurz zuvor aus dem Orchester geworfen. Eine ukrainische Orchesterkollegin, die eifersüchtig auf Elenas gute Position im Orchester war, verpetzte die russische Gerichtsmedizinerin, weil sie eine Affäre mit dem Dirigenten Florian Messerschmidt (Alexander Beyer) begonnen hatte. Hier kam das politische und persönliche Interesse zu Tage. Was Kommissar Winkler noch nicht weiß: Marianne Bach war daraufhin eifersüchtig auf Elena, da sie selbst zu DDR-Zeiten eine Liebesbeziehung mit Florian, ihrem damaligen Musikschüler, hatte. 

Auch Messerschmidt selbst gerät ins Visier der Ermittlungen, da er zum Todeszeitpunkt an der Wohnung seiner früheren Musiklehrerin und Freundin war.

Auch der syrische Musikschüler Faris Masso (Mido Kotaini), der hin und wieder kleinkriminelle Sachen macht und an diesem Tag Unterricht bei Frau Bach gehabt hatte, wird verhört. Außerdem wird er mit der teuren Geige der Toten geschnappt. 

Realistische, kulturelle Differenzen eingebaut

Der Fall scheint verwoben. Wer hat die Musiklehrerin getötet? Faris war es nicht, seine einzigen Probleme sind, dass seine Familie ihn verheiraten möchte, er aber das jüdische Mädchen aus der Musikschule liebt. Beide überlegen wegzulaufen und alles hinzuschmeißen, doch Saskia Bergelt kann helfen.

Allgemein wurden die kulturellen Differenzen in diesem Film ziemlich gut eingebaut. Erst der Zwist zwischen der ukrainischen Musikerin und der russischen Gerichtsmedizinerin, der auf einer persönlichen Ebene ausgetragen wird, dann die Liebesbeziehung zwischen dem Syrer und der Jüdin. Es wirkt nicht plakativ sondern realistisch und das erstaunt mich selbst, dass die Produktionsfirma das ziemlich gut hinbekommen hat.

Sexueller Missbrauch an Minderjährigen im Kontext der DDR

Dann führt der Weg der Ermittlungen zurück in die DDR. Damals, als Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt hieß, waren die Zeiten andere. Eine Lehrerin (das Todesopfer Marianne Bach), die Sex mit ihrem 17-jährigen Musikschüler hat, wird dafür angeschwärzt  und ihr Leben nimmt eine andere Richtung. Tiefe Verletzungen gehen auf allen Seiten einher.

Außerdem zeigt der Film gut, wie Opfer solcher Taten, teilweise nicht einmal verstehen, dass sie Opfer sind. Marianne verharmlost ihre Tat, behauptet es war Liebe. Florian Messerschmidt verteidigt seine Lehrerin ebenso und wundert sich nicht darüber, dass er als Erwachsener bindungsunfähig ist. Für mich hat der Film viele psychologische Ebenen, die sehr gut herausgearbeitet wurden.

Gerichtsmedizinerin sammelt Sympathien

Frau Kulikova zeigt sich für mich in dieser Folge als heimischer Star des Films. Sie sammelt Sympathiepunkte auf mehreren Ebenen. Elena ist gekränkt vom Rauswurf aus dem Orchester und dass Robert sie des Mordes verdächtigt, das ist menschlich und nachvollziehbar. Am Ende kann sie einem richtig leidtun, als sie mit ansehen muss, wie das Orchester ohne sie den großen Auftritt auf dem Europafest hat und sie weinen muss. Irgendwie habe ich mit ihr diesmal anders mitgefühlt. Auch steht Messerschmidt nicht wirklich zu ihn, wie auch, er hat selbst ein großes Päckchen.

Der Kommissar kümmert sich um die traumatisierte Försterin

Aber kommen wir mal zum richtig interessanten Part des Films. Wie entwickelt sich die Lage zwischen Robert und Saskia weiter? Diesmal wohnt Saskia in Roberts Wohnung, damit sie die Proben für das Europafest wahrnehmen kann. Sie ist schwer traumatisiert, da sie in Folge 12 des Erzgebirgskrimis "Wintermord" (Lest hier die Filmkritik) Roberts Leben durch Abgabe eines Schusses zwar gerettet, aber ihren Exfreund dabei so verletzt hat, dass er nun in der JVA im Rollstuhl sitzt. Robert kümmert sich liebevoll um sie, fast wäre ihm sogar eine Liebesbekundung nach dem gemeinsamen Joggen über den Chemnitzer Theaterplatz herausgerutscht.

"Ich bin bei dir", so der Kommissar. "Nur aus Mitleid", fragt Saskia. " Nein, weil ich…" Er bekommt es nicht über die Lippen. "Ist schon gut", erlöst sie ihn. Wird es doch noch ein Happy End zwischen dem Kommissar und der Försterin geben? Am Ende stellt sich Saskia ihrer Schuld und sucht das Gespräch mit dem Angeschossenen in der JVA.

Wer ist denn nun der Mörder?

Doch wer ist jetzt eigentlich der Mörder? Es ist eine Mörderin. Die Kulturstadtsrätin Angelika Hilbrich (Christina Große) hat ihre frühere Lehrerin erschlagen. Wegen ihr war sie in ein Jugendlager der DDR gekommen und konnte ihre Musikkarriere nicht fortsetzen. Sie war es auch, die die Lehrerin an der Musikschule wegen der Affäre verpfiff. Noch während des Europafests wird sie abgeführt.

Fazit: Überraschend gut

Der Film überzeugt endlich wieder richtig. Nachdem die letzten Folgen emotional etwas abgekühlter waren, hat mich diese Folge wieder richtig abgeholt. Die Akzente wurden an den richtigen Stellen gesetzt und die Geschichte hatte mehrere verschiedenen Ebenen, die gut harmonierten. Für mich ein sehr guter Krimi. Und vielleicht ist die Gerichtsmedizinerin meine neue Lieblingsfigur.

Alles zum ZDF-Erzgebirgskrimi

Lest hier die Filmkritiken der vergangenen Erzgebirgskrimi-Folgen:

Auch interessant für Dich


  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion