Hunderte Lehrkräfte aller Schularten, Eltern und Schüler folgten am Mittwochnachmittag dem Aufruf des sächsischen Lehrerverbands sowie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), um vor dem Karl-Marx-Monument zu protestieren. Den Plänen des sächsischen Kulturministers zeigten sie die Rote Karte.
"Mehr Arbeitsbelastung auf Kosten der Bildungsqualität"
Der im März vorgestellte Katalog mit 21 Maßnahmen des sächsischen Kultusministers Conrad Clemens traf diejenigen, die ihn umsetzen müssen, völlig unerwartet: Die Ankündigung habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagt Ines Hetzel vom GEW-Bezirksverband Chemnitz. "Das ist wie Pflaster auf ein Krebsgeschwür kleben", machte sie ihrem Unmut Luft. Das Maßnahmenpaket werde massive Auswirkungen auf den Schulalltag haben und führe in Summe zu mehr Arbeitsbelastung - auf Kosten der Bildungsqualität.
Kritik an Verschiebung der Altersermäßigung
Besonders viel Kritik löste die geplante Verschiebung der Altersermäßigungen aus: Künftig sollen Lehrkräfte erst ab dem 63. Lebensjahr Anspruch auf eine sogenannte Abminderungsstunde - also eine Reduzierung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde - erhalten. Bisher galt diese Regelung bereits ab 58 Jahren. "Wie soll diese Maßnahme jemanden motivieren, länger zu arbeiten? 92 Prozent der Lehrkräfte gehen mit 63 Jahren in Rente. Weniger werden es mit der neuen Regelung auf keinen Fall", prognostiziert Ines Hetzel.
Deutsch als Fremdsprache maximal fünf Jahre
Auch die vorgesehene Abordnung von Grundschul- und Gymnasiallehrkräften an Oberschulen stößt bei den Lehrkräften auf Kritik. Hetzel: "Vor einem Jahr wurde das noch kategorisch abgelehnt." Darüber hinaus sollen laut Plänen des Kultusministeriums die Angebote zur Integration schulpflichtiger Migranten gestrafft werden. Individueller Förderunterricht (Deutsch als Fremdsprache) soll laut Maßnahmenkatalog nach maximal fünf Jahren enden. "Bisher hat man sich am Sprachniveau des Kindes orientiert. Mit der Maximalgrenze wird sich das nicht nur auf die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund auswirken, sondern auch auf Kinder mit Deutsch als Muttersprache", sagt eine Lehrerin.
Noch keine Ergebnisse der Arbeitszeitstudie
Auch Michael Jung, Landesvorsitzender des sächsischen Lehrerverbands, fand deutliche Worte: "Übervolle Klassen mit 30 Prozent Migrationshintergrund: Hätte Herr Clemens auf seiner Tour durch Sachsens Schulen diese Realität gesehen, hätte er einen anderen Maßnahmenkatalog vorgelegt." Besonders brisant: Die Pläne des Kultusministers liegen noch vor den Ergebnissen einer aktuellen Arbeitszeitstudie auf dem Tisch. Insgesamt 4.500 Personen, darunter 4.100 Lehrkräfte und 410 Schulleitungen, beteiligen sich in diesem Schuljahr an der repräsentativen Untersuchung des Kultusministeriums. Jung: "Wir fordern ein Aussetzen der Pläne bis diese Studie zu Ende gebracht und ausgewertet wurde."