Nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden im vergangenen September rücken in Chemnitz jetzt DDR-Brücken gleicher Bauart in den Fokus der Behörden. Eine davon ist die stark befahrene Südring-Brücke über die Annaberger Straße, die 1978 erbaut wurde. "Brücken sind komplexe Bauwerke, die große Spannweiten und schwere Lasten tragen müssen - über Jahrzehnte hinweg bei Wind und Wetter", betont Baubürgermeister Michael Stötzer. Zwar würden die Bauwerke in Deutschland regulär alle drei Jahre kontrolliert, doch der Einsturz der Carolabrücke habe dazu geführt, dass sich Experten mit ähnlichen Brückenbauwerke noch einmal gesondert auseinandersetzen. In Chemnitz betrifft das insgesamt drei Brücken: an der Hainstraße, in Harthau und die größte - die Südring-Brücke über die Annaberger Straße.
Ein Jahr lang intensive Überwachung
Laut Stötzer bestehe nach aktuellen Erkenntnissen zwar keine akute Einsturzgefahr. Dennoch sei der Zustand der Spannbetonbrücke schwer einzuschätzen, da insbesondere der Spannstahl im Inneren nicht sichtbar ist. Um jedoch das vorhandene Schadensbild präziser beurteilen zu können, seien nach einer ersten Sonderprüfung zusätzliche Materialuntersuchungen erforderlich. Deren Ergebnisse liegen voraussichtlich Anfang August vor. Zudem setzt die Stadt jetzt auf ein Schallmonitoringsystem, um ein Jahr lang Geräusche und kleinste Veränderungen im Inneren der Konstruktion messen zu können. "Wenn wir Auffälligkeiten feststellen, müssen wir reagieren - etwa durch eine Sperrung für Lkw", so Stötzer weiter. Für den Pkw-Verkehr könnte die Brücke in einem solchen Fall zunächst aber weiterhin offen bleiben.
Vorbereitungen für den Ernstfall: CVAG mit im Boot
Um im Ernstfall vorbereitet zu sein, wird durch die Chemnitzer Verkehrs-AG (CVAG) auf der Annaberger Straße eine Überfahrt über die Straßenbahngleise eingerichtet. Die Gleisbauarbeiten werden vom 10. Juni bis voraussichtlich 20. Juni im Bereich der Schule Altchemnitz durchgeführt. David Joram, Geschäftsbereichsleiter Technischer Service bei der CVAG, erklärt: "Wir ersetzen die bestehenden Schienen durch sogenannte Rillenschienen, damit im Notfall Lkw über den Gleisbereich vom Südring auf die Annaberger Straße und wieder zurück auf den Südring umgeleitet werden können." Die bauliche Maßnahme betrifft insbesondere die Linie 5 der Straßenbahn, die in dieser Zeit nur bis zur Schule Altchemnitz fährt. Bis zur nächsten regulären Haltestelle sei ein kurzer Fußweg vorgesehen. Ein Ersatzverkehr wird für die Linie 5 nicht eingerichtet. Für die Linie C11 des Chemnitzer Modells wird es in dieser Zeit einen Schienenersatzverkehr geben. Je nach Baufortschritt könne es zudem notwendig sein, in beiden Richtungen je eine Fahrspur der Annaberger Straße zu sperren.
Tägliche hohe Verkehrsauslastung
Eine Geschwindigkeitsreduzierung auf dem betroffenen Südring-Abschnitt sei aktuell nicht vorgesehen, doch die Stadt denkt bereits jetzt über einen möglichen Ersatzneubau nach. Sollte die Brücke neu gebaut werden müssen, rechnet die Stadt mit einer Bauzeit von rund zwei Jahren und Kosten im zweistelligen Millionenbereich. Täglich passieren rund 42.000 Fahrzeuge den Südring an dieser Stelle, auf der Bundesstraße unter der Brücke fahren täglich rund 20.000 Fahrzeuge. Der Anteil des Schwerlastverkehrs liegt jeweils bei etwa sieben Prozent.
Zwei weitere Brücken gleicher Bauart
Neben der Brücke Südring über die Annaberger Straße waren die Brücke Harthauer Straße über die Chemnitz sowie die Fußgängerbrücke Hainstraße über Bahnstrecke Dresden-Werdau einer Sonderprüfung unterzogen worden, da auch sie gleicher Bauart wie der Carolabrücke in Dresden sind. Für beide Brücken bestehe ebenfalls kein akuter Handlungsbedarf, der Abriss bzw. Ersatzneubau waren laut Michael Stötzer ohnehin geplant. Die bereits laufenden Planungen für den Ersatzneubau der Brücke Harthauer Straße werden fortgeführt. Der Abriss der Fußgängerbrücke Hainstraße wird planmäßig vorbereitet.