Was Menschen aus der Region über den Krieg in der Ukraine denken

Krieg in der Ukraine Bestürzte Reaktionen aus vielen Feldern der Gesellschaft

BLICK hat sich in der Bevölkerung einmal umgehört und Menschen verschiedener Felder nach ihren Gefühlen und Gedanken zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine befragt. 

"Eine weitere humanitäre Krise hat begonnen"

Oliver Nießlein (Vereinsmitglied Human Aid Collective, Friedenspreisträger der Stadt Chemnitz 2019): "Nach Information des ukrainischen Ministeriums gab es bereits knapp eineinhalb Millionen intern Vertriebene. Der Krieg wird in diesen Tagen viele Millionen Geflüchtete in die Nachbarländer der Ukraine treiben. Eine weitere humanitäre Krise hat begonnen. Während Europa einerseits tausende Frauen, Männer und Kinder aus Kriegsgebieten in sogenannte Pushbacks unter Missachtung von EU-Recht/der Genfer Flüchtlingskonvention in seeuntüchtigen Schlauchboten navigationsunfähig aufs Mittelmeer und damit in den Tod schleppt, bleibt die Frage, wie Europa mit ukrainischen Geflüchteten umgehen wird. Die Grundversorgung wird seit sechs Jahren in Griechenland vielen Menschen grundlegend verwehrt. Mit dem Eleonas-Camp wird zum Beispiel in wenigen Wochen eine der letzten Notunterkünfte für etwa 1.600 Menschen in Athen geschlossen. Das Human Aid Collective war kürzlich vor Ort. Über den Verbund grenzenloseHilfe.de sind wir zudem in Hilfsprojekte für ukrainische Geflüchtete eingebunden. Das Human Aid Collective e.V. fordert auch in Hinblick auf den Ukrainekrieg: Der deutsche und europäische Umgang mit Geflüchteten muss unverzüglich eine Kehrtwende erfahren. Humanitäre Versorgung hat Vorrang vor politischem Kalkül." 

 

"Krieg und Waffengewalt können niemals eine Lösung sein"

Bernd Hahn (Chemie-Student der TU Chemnitz/ Selbstständiger): "Der Angriff Russlands auf die demokratische Ukraine erschüttert mich, macht mir große Sorgen und auch Angst vor dem, was womöglich in den kommenden Wochen und Monaten auf uns alle zukommt. Wladimir Putin ist ein skrupelloser Despot mit Zugriff auf umfangreiche militärische Ressourcen und ein enormes Atomwaffenarsenal. Mit Blick auf das russische Gebahren in den vergangen Jahren in Georgien, auf der Krim, gegenüber politischen Kontrahenten im In- und Ausland sowie die Drohungen Putins in den vergangenen Tagen, erscheint mir nicht sicher, dass sich Putins Aggression ausschließlich gegen die Ukraine richten wird. Eine weitere Eskalation der Situation könnte für die ganze Welt katastrophale, wenn nicht sogar vernichtende, Folgen haben. Ich hoffe sehr, dass es gelingt den Konflikt einzudämmen und unverzüglich beizulegen, bevor noch Schlimmeres geschieht. Krieg und Waffengewalt können niemals eine Lösung sein, egal, wie das Problem aussieht. Eines muss allerdings auch klar sein: Die demokratische und freie Welt darf nicht klein beigeben vor der Aggression eines verbrecherischen Diktators, auch dann nicht, wenn wir unsere Werte und Überzeugungen mit höheren Preisen bezahlen müssen."

 

"Ich bin auf der Seite der Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft"

Alexandra Shaburova (russische Medienkommunikations-Studentin der TU Chemnitz und Bloggerin): "Ich bin auf der Seite der Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. Mir fällt es schwer zu verstehen, dass man auch im Jahr 2022 die Lösung der weltübergreifenden Probleme immer noch in Gewalt sieht. Über die letzten Tage trage ich viel Schmerz und Angst im Herzen - sowohl für die Verwandten und Freunde in der Ukraine, die sich in Gefahr befinden - als auch für die russischen Mitmenschen, auf die Scham und Hass wegen den Entscheidungen der russischen Staatsregierung projiziert werden. Ich fühle mit allen mit, die von dieser militärischen Auseinandersetzung betroffen sind. In dunklen Zeiten sollte es zwischen uns Menschen weniger "gegen" geben und viel mehr "mit"."

 

"Unsere Gedanken sind besonders bei den Mitgliedern des Jugendsymphonieorchesters der Ukraine (YsOU)"

Franz Wagner-Streuber (1. Vorsitzender der Sächsische Mozart-Gesellschaft e.V.): "Mit Bestürzung und großer Sorge haben wir die ungerechtfertigte kriegerische Aggression Russlands gegenüber der Ukraine zur Kenntnis nehmen müssen. Unsere Gedanken sind besonders bei den Mitgliedern des Jugendsymphonieorchesters der Ukraine (YsOU) und deren Familien. Es macht uns fassungslos, dass diese jungen und begabten Menschen, die sich durch ihr Musizieren für Versöhnung und Verständigung einsetzen, nun um ihr Leben und das Leben ihrer Liebsten bangen müssen. Das YsOU und seine Dirigentin Oksana Lyniv sind Träger des Sächsischen Mozartpreises 2021. Neben vorbildlicher künstlerischer Arbeit haben wir durch diese Preisverleihung das besondere Engagement des Orchesters für einen ‚europäischen Dialog mittels der Kraft der Musik‘ gewürdigt. Die Sächsische Mozart-Gesellschaft e.V. setzt sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dafür ein, dass Krieg nicht wieder zu einem Instrument politischen Handelns wird, nicht in Europa und auch an keinem anderen Ort unserer einen, kleiner werdenden Welt. Ein Satz des großen Dirigenten Leonard Bernstein ist uns dabei Ermutigung und Wegweisung: ‚Das ist unsere Antwort auf Gewalt: mit größerer Intensität, schöner und hingebungsvoller musizieren als je zuvor‘." 

 

"Für reine Angst lässt sich keinem ein Vorwurf machen"

Peter Lorentz (Politikwissenschafts-Student der TU Chemnitz): "Bei globalen Krisen gibt es stets sehr viele, die sehr wenig wissen, dieses aber unbedingt mit allen teilen möchten. Diese selbsternannten "Experten" machen sich oft schnell dadurch erkennbar, dass sie Satzkonstruktionen, wie: warum machen die nicht einfach; die sollen mal und wenn ich dran wäre, würde ich; benutzen. Deshalb mein Plädoyer: Wer keine Ahnung von etwas hat, muss sein Recht auf Meinungsfreiheit nicht zwangsläufig in eine narzisstisch anmutende Dauerbeschallung umwandeln. Was können wir also tun? Für reine Angst lässt sich keinem ein Vorwurf machen. Auch mir ist es unwohl bei dem Gedanken, dass Russland scheinbar nicht davor zurückschreckt souveräne Staaten und ihre Grenzen zu diskreditieren. Meiner Auffassung nach sollten wir aber nicht in allzu große Panik verfallen und dafür sorgen, dass unsere Bundesregierung sich auf uns verlassen kann. Bevor also wieder das Klopapier knapp wird, sollten wir lieber versuchen die Stabilität und Ordnung in unserem Staat beizubehalten und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen." 

 

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