Welt-Tiger-Tag: Zu Besuch bei Wolodja im Tierpark

Auf einen Plausch mit Anika: Interview Über Artenschutz und die Arbeit mit Raubkatzen

Auf einen Plausch mit Anika:

Am heutigen 29. Juli ist internationaler Tag des Tigers. An diesem Tag soll auf die starke Bedrohung der Tiere durch den Menschen und die Wichtigkeit des Schutzes der natürlichen Lebensräume der Tiger aufmerksam gemacht werden. Laut WWF leben aktuell etwa 3.900 Tiger in südost-asiatischer freier Wildbahn, etwa ebenso viele aber auch in den Zoos der Welt. Es ist ein erster Erfolg, der in den letzten zehn Jahren durch verschiedene Schutzprogramme verzeichnet werden konnte, dennoch ist dies zu wenig, wenn man bedenkt, dass vor 100 Jahren noch 100.000 Tiger in der Wildbahn lebten. Doch warum ist der Tiger so stark bedroht? 93 Prozent seiner ursprünglichen Lebensräume wurden vom Menschen zerstört. In seinen verbliebenen Lebensgebieten findet er zudem oft nicht genug Beute. Dazu kommt die Wilderei, obwohl das Washingtoner Artenschutzabkommen "CITES" den Handel mit bedrohten Tierarten verbietet, gibt es leider noch immer genug Jäger, die die Felle und Körperteile der Tiger auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Vor allem in der traditionellen chinesischen Medizin herrscht der Aberglaube, dass die Zähne, Klauen und sogar Schnurrhaare der Tiere heilende Kräfte hätten und vor Unglück schützen würden.

Tierparkschule öffnet unter Corona-Bedingungen

Zum heutigen Welt-Tiger-Tag hat sich der Tierpark etwas ganz Besonderes überlegt. Die Tierpark-Schule,   die seit der Corona-Pandemie für Bildungszwecke erst einmal nicht mehr zur Verfügung stand, öffnet am heutigen Vormittag (10 bis 12 Uhr) und Nachmittag (14 bis 15 Uhr) wieder. Die Besucher können anlässlich des Ehrentages des Tigers etwas über die vom Aussterben bedrohte Art lernen. Natürlich unter den vorgegebenen Hygienemaßnahmen. (Nur begrenzte Anzahl von Besuchern dürfen gleichzeitig in das Tierpark-Klassenzimmer)

Auch für mich ist und war der Amurtiger schon immer ein besonders anmutiges Tier, immerhin ist er die größte Raubkatze der Welt. Ich habe als Kind schon Filme wie "Zwei Brüder" geliebt, Tigerposter an meiner Wand gehängt und einen Kuscheltiger mit dem Namen Fips zum Einschlafen gebraucht. Der Tiger war damals sozusagen mein Lieblingstier, deshalb wollte ich unbedingt einmal mit den Menschen sprechen, die Tag für Tag mit den Tieren arbeiten und einen Beitrag zum Artenschutz leisten. Seit 2017 lebt Chemnitz‘ einziger Amurtiger Wolodja im Tierpark, den ich ebenfalls "treffen" darf.

Wie nah kommt man dem Tiger wirklich?

Zoopädagoge Jan Klösters und Raubtierpfleger Philip Marggraff erzählen mir, dass Wolodja etwa 230 Kilogramm schwer ist und zwischen fünf und fünfzehn Kilogramm Fleisch pro Tag an fünf Wochentagen bekommt. Da wird mir wieder klar, wie mächtig diese Raubkatze doch ist. Ein bisschen Ehrfurcht, wenn nicht sogar Angst, bekomme ich, während ich den Tiger beobachte. Geht das den Pflegern auch manchmal so? Das verneint Philip. Er füttert und arbeitet mit dem Amurtiger. "Ich weiß, was der Tiger kann und habe Respekt, aber keine Angst." Natürlich kontrolliert er immer dreimal, ob der Schieber geschlossen ist, wenn jemand die Anlage betritt, aber man dürfe nicht zu verkopft an die Sache heran gehen. Er erzählt mir, dass Wolodja sich sogar auf Signal vor das Gitter legt und Philip im Maul nachschauen kann, ob alles in Ordnung ist. Streicheln, wie man das aus dem Zirkus Krone oder verschiedenen Shows kennt, ist aber nicht drin. "Wolodja lässt sich nicht streicheln, er ist nicht so ein Charakter", sagt Jan. Es gäbe aber durchaus Tiere, die sich in der rückwärtigen Tierhaltung durchs Gitter auch mal kraulen lassen. "Wenn ich mit ihm trainiere, kann ich leicht auf seine Tatze tippen, sogar mit einer Pinzette piksen, damit er auf Spritzen vom Tierarzt beispielsweise ein wenig vorbereitet ist", fügt Philip hinzu.

Zum Thema mit "Raubkatzen-Kuscheln" sind sich die Tierparkmitarbeiter aber einig, dass ein Risiko bei Wildtieren immer bestehen bleibt, selbst wenn sie mit der Hand aufgezogen werden. Was sie aber gut finden, dass in Zoos schon lange nicht mehr mit Zwang gearbeitet wird. "Man soll die Tiere Tiere sein lassen, sie sollen zwar schon mit dem Tierpfleger trainieren, aber das Zwingen ist zum Glück nicht mehr aktuell", betont der Raubtierpfleger.

Wie funktioniert Auswilderung?

Mich interessiert das Thema Auswilderung und ich erkundige mich darüber. Dabei stelle ich fest, dass die einzigen Auswilderungen von Schutzorganisationen gemacht werden. Grundsätzlich werden so gut wie keine Zootiger ausgewildert, sondern Tiger, die zum Beispiel verletzt oder fast verhungert aufgefunden und wieder gesund gepflegt wurden. Oftmals fehlt es aber einfach an Lebensraum, um mehr Tiger auszuwildern. Sie bekommen einen Chip und werden eine ganze Zeit lang "überwacht", ob sie in der Natur wieder zurechtkommen. Viele Regierungen verkaufen ihre Gebiete jedoch lieber teuer an beispielsweise Palmöl-Unternehmen, anstatt ein Naturschutzgebiet einzurichten.

"Dieser Artenschutzgedanke kann von den meisten Zoos immer nur zum Teil erfüllt werden, weil wir die Art erhalten, aber eine 100-prozentige Arterhaltung wäre eben, die Tiere wieder in die Wildbahn zu entlassen. Aber da gibt es viele Gründe, warum das nicht funktioniert", erzählt der Zoopädagoge. Zootiger sind zum Beispiel zu sehr an Menschen gewöhnt, weshalb sie eher in Dörfer kommen würden. "Die größte Schuld tragen die Industriestaaten, weil wir Produkte konsumieren, in denen zum Beispiel Palmöl drin ist. Ich würde mir wünschen, dass die Leute ihr eigenes Verhaltung überdenken, dass es kleine Veränderungen gibt und die Menschen bewusster konsumieren." Philip fügt hinzu: "Ich wünsche mir einfach, dass die Bejagung aufhört."

Die Zukunft des Tierparks

Und was wünschen sich die beiden für die Zukunft des Tierparks? "Grundsätzlich kann immer etwas verbessert werden. Ich würde mir wünschen, dass wie finanzielle Möglichkeiten für Veränderung haben. Wenn unser Masterplan bis 2030 so umgesetzt werden kann, wie geplant, dann wäre das großartig", sagt Jan und erzählt von der Vision zwei große Tigergehege zu haben, sodass auch zwei Amurtiger gleichzeitig in Chemnitz leben und sogar für Nachwuchs sorgen können. Auch Philip hofft, dass der Masterplan klappt und der Tierpark "ein Stücken mehr in die Moderne geholt" werden kann.

Ausbildung zum Tierpfleger wieder möglich

Mich interessiert mit Hinblick auf unser Berufe-Special  natürlich auch das Thema Ausbildung. Wie wird man denn eigentlich Tierpfleger? Jan erzählt mir, dass der Tierpark Chemnitz sogar ab diesem Jahr wieder einen Tierpfleger ausbildet. Allerdings gibt es pro Jahr nur einen Platz, und dieser ist schon vergeben. Die Ausbildung selbst erfordere viel Kraft, Ausdauer, aber auch Spaß an der Arbeit mit Tieren. In jedem Lehrjahr durchläuft der Auszubildende neue Tierbereiche von der geringsten zur höchsten Tiergefährdungskategorie. Auch der Tiger ist mit dabei. "Bei Raubkatzen hat man allerdings eine viel größere kognitive Belastung, wenn man weiß, dass das Tier einen töten könnte. Das ist nicht jedermanns Sache", erklärt Jan und ich verstehe beim Blick zu Wolodja, was er meint. Philip fügt hinzu: "Man muss vor allen Tieren Respekt haben. Nicht jeder Tierpfleger ist dafür gemacht Raubtierpfleger zu sein." Ihn begeistere der Beruf aber sehr, weil er jeden Tag anders wäre. "Arbeiten mit Tieren macht Spaß und ist sehr flexibel". Man müsse sich nur einfach für die Arbeit mit Tieren interessieren.

Ich frage zum Abschluss noch nach einem persönlichen und schönen Erlebnis mit dem Tiger Wolodja. "Ich finde es sehr schön, dass der Tiger positiv auf mich reagiert, wenn ich mit den Besuchergruppen vorbeikomme. Ich kann mich schon fast drauf verlassen, dass er vorgelaufen kommt und neugierig ist", berichtet der Zoopädagoge Jan und fügt hinzu: "Der Moment, als wir Wolodjas neue Beschäftigungs-Säule eingeweiht haben und der Tiger diese das erste Mal inspiziert und geschaut hat, was er machen muss, war auch sehr schön."

Ich gehe mit vielen Eindrücken und interessanten Gesprächen nach Hause und hoffe ebenfalls, dass der Masterplan des Tierparks umgesetzt wird und der Tiger-Bestand sich weiter vervielfachen kann.

 

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