Fast genau vor fünf Jahren, am 11. März 2020, wurde das Covid-19 von der WHO zur weltweiten Pandemie erklärt. Wenige Tage später ging Deutschland in den ersten Lockdown. Für die nächsten zwei Jahre bestimmte das Virus schließlich den Alltag der Menschen. Doch die Quelle des neuartigen Coronavirus ist bis heute unklar. Recherchen von "ZEIT" und "Süddeutsche Zeitung" zeigen nun jedoch, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) es für sehr wahrscheinlich hält, dass das Virus durch einen Laborunfall im chinesischen Wuhan freigesetzt wurde. Diese Einschätzung traf der deutsche Geheimdienst bereits im Jahr 2020. Die chinesische Regierung wies diese Vermutung jedoch stets zurück.
Kombination aus Virus-Experimenten und Sicherheitsverstößen
Seine Bewertung stützte der BND nicht nur auf öffentlich zugängliche Daten, sondern vor allem auf Informationen aus einer geheimen nachrichtendienstlichen Operation mit dem Codenamen "Saaremaa". Dabei wurden wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen gesammelt, darunter vom "Wuhan Institut für Virologie", einer führenden Einrichtung für Virenforschung in China. Das Material soll Hinweise auf sogenannte "Gain-of-Function-Experimente" enthalten - dabei werden Viren im Labor gezielt verändert, um ihre Eigenschaften zu erforschen. Außerdem fanden sich laut den Recherchen zahlreiche Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften in Laboren.
Unnatürlicher Ursprung sehr wahrscheinlich
Der Auftrag an den BND, die Herkunft des neuartigen Sars-CoV-2-Virus zu untersuchen, kam 2020 aus dem Kanzleramt. Noch während Angela Merkels Amtszeit als Bundeskanzlerin informierte BND-Chef Bruno Kahl das Kanzleramt über die Erkenntnisse der Geheimdienstoperation. Die Wahrscheinlichkeit für die Laborhypothese wurde damals mit 80 bis 95 Prozent angegeben. Dennoch entschied das Kanzleramt, diese Einschätzung nicht öffentlich zu machen. Ob Angela Merkel selbst von den Informationen wusste, wollte sie auf Anfrage der Medienhäuser nicht kommentieren. Auch der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun und Staatssekretär Johannes Geismann äußerten sich nicht.
BND-Erkenntnisse seit Dezember auf dem Prüfstand
Ende 2024 entschied das Kanzleramt, externe Experten mit der Überprüfung der BND-Erkenntnisse zu beauftragen. Seit Dezember prüfen nun renommierte Wissenschaftler, ob die Erkenntnisse des BND tatsächlich stichhaltig sind. Ein abschließendes Ergebnis liegt bislang aber nicht vor. Ein Regierungssprecher erklärte auf Nachfrage von "ZEIT", dass man sich grundsätzlich nicht zu Geheimdienstthemen äußere - ebenso wenig wie der BND selbst.