Russische Propaganda: Wenn Krieg ist und keiner davon weiß…

Zensur Der Ukraine-Konflikt ist auch ein Kampf um unabhängige Informationen

Krieg wird seit jeher nicht nur mit militärischem Gerät geführt, sondern auch mit gesteuerten Informationen. Das streuen von Fake News beherrscht Russland dabei aus dem Effeff - in westlichen Ländern wie auch im eigenen Land. Eine vom Kreml gelenkte Medienmanipulation läuft in einem der größten Länder der Erde jedoch nicht erst seit dem Einmarsch in die Ukraine im großen Stil. Eine unabhängige Berichterstattung ist schon seit Jahren nur noch in Nischen möglich. Auf der Rangliste der Pressefreiheit führt die internationale Organisation Reporter ohne Grenzen das Land auf Platz 150 von 180. Mit einem neuen russischen Gesetz werden die Spielräume für unabhängige Berichtserstattung jetzt noch enger. Und auch hierzulande hat der Kreml längst seine Finger im Spiel.

Noch mehr Informationskontrolle per Gesetz

Zu schreiben oder zu senden, was in der Welt tatsächlich passiert, ist in Russland gefährlicher denn je. Vergangenen Freitag unterzeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin mehrere Gesetze, die eine freie Arbeit für Medienschaffende praktisch unmöglich machen. Wer weiter unabhängig berichtet, muss mit drakonischen Strafen rechnen: Bis zu 15 Jahre Haft drohen für die Verbreitung von angeblichen "Falschinformationen" über die russischen Streitkräfte. Die Wörter "Krieg" oder "Invasion" werden in der "patriotischen Berichterstattung" über den Ukraine-Konflikt nicht verwendet, stattdessen ist von einer "militärischen Sonderoperation zur Friedenssicherung" die Rede.

Internationale Medien stellen Dienste ein

Vor dem Hintergrund der willkürlichen Verhängung von Haftstrafen haben neben vielen inländischen Sendern auch zahlreiche internationale Medien ihre Berichterstattung in Russland umgehend eingestellt - darunter die deutschen Sender ARD und ZDF, der US-Sender CNN, die britische BBC und der vom US-Kongress finanzierte US-Radiosender Radio Free Europe, der seit 1991 Russland mit einem eigenen Büro vertreten ist. Das Auswärtige Amt warnt sogar vor privaten Äußerungen in sozialen Medien, die "mit unberechenbaren persönlichen Risiken verbunden sind". Es wird zu äußerster Zurückhaltung oder alternativ zur Ausreise geraten, heißt es in den aktualisierten Reise- und Sicherheitswarnungen. Auch Streamingdienste wie Netflix und Videoportale wie TikTok haben ihre Dienste bereits eingeschränkt.

Abkopplung vom weltweiten Internet

Mit der Schaffung einer Art "Staatsinternet" erreicht die Informationskontrolle in Russland bald eine neue Ebene: Bereits 2019 ist ein umstrittenes Gesetz über das eigenständige Internet "Runet" in Kraft getreten. Grund damals: das Land müsse bei einem möglichen Cyberangriff aus dem Ausland oder bei sonstigen Gefahren ein autonomes Internet haben. Es sei eine Frage der "nationalen Sicherheit". Damals hieß es aus dem Kreml, das "Runet" bleibe ein Teil des weltweiten Netzes. Das könnte sich schnell ändern, denn Hacker und Unternehmen auf der ganzen Welt kämpfen längst auf digitaler Front gegen den russischen Mangel an unabhängigen Informationen. Das große Ziel der allumspannenden Informationskontrolle in Zeiten des Krieges liegt auf der Hand: die Gefahr eines Widerstandes aus dem Volk heraus so niedrig wie möglich halten. Für die Kontrolle über das, was die russische Bevölkerung über den Krieg in der Ukraine erfährt, ist die informelle Isolation das Werkzeug Nummer eins.

Deutschland auf dem digitalen Schlachtfeld

Doch die russische Propagandamaschinerie läuft auch in Deutschland bereits auf Hochtouren, insbesondere auf Social-Media-Plattformen. Russlands "Troll-Armee", beeinflusst seit Jahren die öffentliche Meinung im Westen mit massenhaften Beiträgen in sozialen Netzwerken. Zeitungsforen werden mit Kommentaren, die sich inhaltlich am Meinungsapparat der russischen Regierung orientieren, regelrecht geflutet. Auch der Messenger-Dienst Telegram wird zum digitalen Schlachtfeld, hunderttausende scrollende Nutzer sind mittendrin im Ukraine-Krieg. Hier werden ungestört Informationen - auch von russischen Staatsmedien - verteilt, ohne dass Faktenchecks oder Löschungen befürchtet werden müssen. Anders übrigens beim Facebook-Mutterkonzern Meta: Der weigerte sich jüngst, die Faktenchecks durch unabhängige Medienorganisationen bei vier russischen Staatsmedien zu stoppen. Allerdings begrenzte die russische Regierung daraufhin die Nutzung der Meta-Dienste Facebook, Instagram, WhatsApp und Messenger. Immerhin: Die EU sanktionierte die russischen Aggressionen in der Ukraine unter anderem mit einem Verbot russischer Propaganda-Sender. Man wolle die Staatsmedien Russia Today (RT) und Sputnik daran hindern, "Lügen zu verbreiten", wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mitteilte.

Wie erkennt man Fake News?

Um die Vertrauenswürdigkeit einer Nachrichtenquelle zu überprüfen, gibt es eine Reihe an Möglichkeiten. Grundsätzlich sollte sich jeder stets die Frage stellen, woher virale Artikel, Fotos oder Videos überhaupt stammen. Gibt es eine verlässliche Quelle? Oftmals hilft schon eine Web-Suche dabei, mehr über den Hintergrund und die Qualifikationen der veröffentlichenden Person zu erfahren. Nicht selten findet die Verbreitung von Fake News über anonyme Accounts statt. Auch wenn ein Thema bloß von einer Website aufgegriffen werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um Fake News handelt. Verfügt die Website über ein Impressum und Informationen wie eine Firmenadresse, die echten Namen der für Inhalte verantwortlichen Personen und eine Kontaktmöglichkeit?

Fotos in falschem Kontext entlarven

Ebenfalls auffällig bei Textbeiträgen ist die emotionale Aufladung von Botschaften, warnt zum Beispiel das Recherchezentrum "Correctiv". Die Titel sind meist reißerisch, damit die Botschaften auf sozialen Medien so oft wie möglich geteilt werden. Nicht zuletzt gibt es inzwischen auf Fact-Checking spezialisierte Institutionen. Eine eigene Faktencheckplattform bieten unter anderem die ARD, "Correctiv", "Mimikama" und snopes.com. Will man herausfinden, wann und wo ein Foto erstmals im Internet aufgetaucht ist, bieten sich Dienste wie die Google Reverse Image Search oder Tineye an. Die Bilddateien werden per Upload abgeglichen.

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