Bullys Montagsmotz - heute: Wegweiser

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Bullys Montagsmotz

Meldungen vom Ableben bekannter Personen treffen euch Menschen immer irgendwie. Sie führen euch die eigene Vergänglichkeit vor Augen. Eine Meldung brachte Frauchen letzte Woche aber besonders ins Grübeln: der Tod von Michail Gorbatschow. Er war Anfang der 90er Jahre so ziemlich das Gegenteil des heutigen Präsidenten der Russischen Föderation. Mit internationaler Offenheit, Meinungsfreiheit und dem - später von vielen Teilen der eigenen Bevölkerung kritisierten - wirtschaftlichen Umbau setzte er neue politische Akzente. Er leitete mit Abrüstungsverhandlungen das Ende des Kalten Krieges ein und erhielt dafür 1990 den Friedensnobelpreis. Er änderte viele Leben, auch das von Frauchen…

Wende im Lebenslauf

Sie fragte sich, in welchem Staat sie heute leben würde, wenn es diesen einen Menschen nicht gegeben hätte? Frauchen hätte als DDR-Kind in den 90ern wahrscheinlich das Skateboard nicht bekommen, auf dem ihr Gesicht Bekanntschaft mit dem Asphalt machte. Sie hätte die ganze Barbie-Plastik-Welt nicht kennen gelernt, Kaugummiautomaten, Schnuller-Ketten, Ed von Schleck, Hubba Bubba - rückblickend alles verschmerzbar. Vielleicht wäre ihr Vater, der damals auf dieses "kapitalistische System des Westens" nicht klarkam, weniger cholerisch gewesen. Aber hätte sie heute die vielen Erinnerungen an wunderbare Begegnungen im deutschen Westen, geschweige denn im Ausland? In den USA, Australien, Südafrika, Frankreich, Schweden - wohl kaum. Wie wäre ihr Leben verlaufen? Anders, ganz klar. Besser? Schlechter? Wer weiß das schon! Frauchen überlegte, wie viele Millionen Menschen Anfang der 90er Jahre ein neues Leben kennenlernen durften oder mussten. Die Ukrainer stimmten für ihre Unabhängigkeit, zuvor hatten bereits andere Unionsrepubliken wie Litauen, Lettland, Estland, Armenien, Georgien oder Moldawien den Schnitt mit der im Verfall befindlichen Sowjetunion vollzogen. "Ohne die damalige Abspaltung gäbe es heute in der Ukraine keinen Krieg, oder?", fragte sich Frauchen. "Keine unschuldig getöteten Menschen. Und wir müssten nicht auf einen milden Winter hoffen oder jeden Cent einzeln umdrehen, weil Gas und Sprit bald unbezahlbar werden. Aber so einfach ist das wahrscheinlich alles nicht, Bully", drehte sich Frauchen seufzend zu mir um - als würde ich, zwischen meinen Kissen mit Leckerli-Resten lümmelnd, eine alles erklärende Antwort parat haben.

Wirr im Kopf

Frauchen fragte sich, ob die Welt komplizierter geworden ist, oder ob sie als Teenager alles Politische um sie herum einfach nur ausgeblendet hatte. Die Spannungen in der Welt konnten damals angesichts des nächsten Bravo-Starschnitts kaum egaler sein. Das Ende von "Take That" war damals ihre persönliche Apokalypse. Früher war sie wirr im Kopf von all den Pubertätshormonen, heute verwirren sie die vielen Informationen und Meinungen, die aus dem Internet auf sie einprasseln. Scheinbar ist sie nicht die einzige Verwirrte. Oder gibt es tatsächlich eine rationale Erklärung dafür, dass Demonstranten "gegen staatsgelenkte Medien" auf die Straßen gehen und dabei, eine deutsch-russische Freundschaftsfahne schwenkend, den Schulterschluss zum heutigen Russland suchen? Sachen gibt's…

Herzlichst, euer Besserwisser-Bully

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