"Endo March": Aktionsmonat für eine der häufigsten und unbekanntesten Krankheiten

Kims Kommentar Ein Kommentar einer Betroffenen zum Thema Endometriose

Kims Kommentar

Bis zu 20 Prozent aller Frauen in Deutschland leiden daran - das ist jede fünfte Frau. Eine von fünf in deinem Freundeskreis, in deiner Familie oder unter den Kollegen, die möglicherweise an ständigen Schmerzen leidet, ohne den genauen Namen zu kennen. Endometriose stellt einer der häufigsten (gynäkologischen) Erkrankungen dar, und trotzdem kennt kaum jemand diese Krankheit. Das ist einer der Gründe, warum verschiedene Vereine und Aktivisten den sogenannten "Endo March" (dt. Endo März) ins Leben gerufen haben. Doch was ist Endometriose nun eigentlich? 

Das ist Endometriose: Typische Symptome

Bei Endometriose siedelt sich gebärmutterähnliche Schleimhaut außerhalb der Gebärmutter im Körper an, so zum Beispiel im Bauchraum, an und in Organen wie Blase oder Darm, aber auch in seltenen Fällen bis in Lunge und Hirn. Durch die zyklusbedingten Blutungen auch in diesen Bereichen außerhalb der Gebärmutterschleimhaut sind meist starke Schmerzen an der Tagesordnung. Die sich bildenden Verwachsungen sind zwar meistens gutartig und nicht bösartig wie beim Krebs. Aber Vorsicht, Falle: Der Satz "Zum Glück ist es kein Krebs!" zieht bei den meisten Betroffenen nicht, denn die Einschränkungen im alltäglichen Leben können ähnlich aussehen. Zur Verdeutlichung hier ein paar (!) typische Symptome der gutartigen Erkrankung Endometriose (Quelle: Endometriose Vereinigung Deutschland): 

 

-    Regelschmerzen 

-    starke Blutungen 

-    Schmerzen beim Geschlechtsverkehr 

-    Schmerzen beim Stuhlgang 

-    chronisch wiederkehrende regelmäßige und unregelmäßige Unterbauchschmerzen

-    Rückenschmerzen 

-    Ausstrahlung der Schmerzen in die Beine 

-    Übelkeit, Erbrechen 

-    chronische Erschöpfung 

 

Und das sind nur einige der typischsten Symptome. Manche Patientinnen haben allerdings auch gar keine Symptome, und wissen daher gar nichts von der Krankheit. Auch die Größe und Art von Endometrioseherden ist sehr unterschiedlich: Manche Patientinnen haben riesige und ausgeprägte Verwachsungen im ganzen Bauchraum, und manche nur einen Stecknadelkopf großen Endometrioseherd. Beides kann im übrigen gleiche Schmerzen verursachen. Eindeutig diagnostiziert werden kann Endometriose bisher nur durch eine Operation, die meist minimalinvasiv durchgeführte Laparoskopie (Bauchspiegelung), die gleichzeitig auch Therapie sein kann, indem Endometrioseherde und Verwachsungen entfernt werden. Da die Entstehung und genauen Ursachen der Endometriose bisher kaum bis gar nicht erforscht sind, ergeben sich nur Therapieansätze, die die Symptome abmildern. Diese Behandlungen sind höchst individuell: Auf der einen Seite kann neben der Operation die Einnahme bestimmter Präparate der Anti-Baby-Pille oder sogenannte Gestagene helfen, auf der anderen helfen nur Physiotherapie, Schmerztherapie oder Ansätze der Heilpraktik. Ein radikaler und trotzdem nicht selten gewählter Weg ist die (Teil-)entfernung betroffener Organe, so zum Beispiel der Gebärmutter. Alles in allem ist und bleibt Endometriose eine unheilbare chronische Krankheit, deren Entstehung noch nicht genau bekannt ist und bei der es keinen "einen" goldenen Therapieweg gibt. 

 

 

Starke Schmerzen sind nicht normal

Warum wir das heute hier bei BLICK zum Thema machen? Auch in unserer Redaktion leiden einige Redakteurinnen unter der Krankheit, so auch ich. Meine Schmerzen hatte ich bereits seit der ersten Regel mit 12 Jahren, abgetan wurde es von den Ärzten aber immer nur mit: Starke Regelschmerzen sind total normal. Und ich rede hier nicht von ein paar zwickenden Blähungen, sondern von Krämpfen, die mich teilweise stundenlang haben im Bett verkrümmen und ganze Tagespläne über den Haufen werfen lassen. Bei manchen Betroffenen führen die Schmerzen sogar zu Erbrechen und Bewusstlosigkeit. Liebe Mädels und Frauen, lasst euch hier bitte gesagt sein: Nein, starke Regelschmerzen sind absolut nicht normal! Das ist ein weit verbreitetes Bild, das vielleicht auch die Oma noch mit unterstützt, aber ihr müsst darunter nicht leiden.

 

Ich habe dann 2019 zu einer anderen Gynäkologin gewechselt, die sofort bei meinen Beschwerden die Diagnose Endometriose vermutet hat. Dazu fielen dann bei der Behandlung auch solche Worte wie OP, Unfruchtbarkeit, medikamentöse Behandlung und unheilbar. Diesen Schock galt es erstmal zu verdauen, es brauchte eine ganze Weile. Ich informierte mich über die Krankheit auf verschiedenste Art, so zum Beispiel über die Endometriose Vereinigung Deutschland, das Buch von Anna Wilken "In Der Regel bleibe ich stark", Erfahrungsberichte und Foren anderer Betroffener, sowie in Gesprächen mit Freundinnen und Kolleginnen, was überraschend zeigte, wie häufig die Krankheit oder solche Probleme tatsächlich sind, und wie wenig darüber geredet wird oder man als auch Frau überhaupt darüber weiß.

 

Nachdem in den darauffolgenden zwei Jahren weder die hormonelle Therapie, Schmerztherapie noch sonstige Behandlungen wirklich meine Beschwerden essenziell verbesserten, entschied ich mich im Frühsommer 2021 für die gefürchtete Operation, um einerseits endlich Klarheit zu bekommen, wie es in meinem Bauchraum aussieht, aber andererseits auch die Möglichkeit zur Entfernung von Verwachsungen und Endometriose-Herden. Das war im Nachhinein besonders für die Psyche sehr wichtig, um schwarz auf weiß zu haben: Die jahrelangen und hoch frequentierten Arztbesuche, die krampfhaften Schmerzanfälle, die vielen Krankschreibungen und Tränen waren nicht auf Einbildung gefußt: Nein, ich hatte wirklich eine chronische Krankheit, und habe mir das nicht alles nur ausgedacht, so wie man es von vielen Ärzten gehört hatte (true story!).

 

 

Ratschläge für alle von euch - ob gesund oder krank! 

Meine Beschwerden sind nach der OP leider nicht merklich besser geworden, aber auch das ist sehr individuell und kann bei jedem anders aussehen. Mir helfen nach wie vor Physiotherapie und Osteopathie für die Schmerzlinderung sehr gut. Ansonsten versuche ich, sehr auf meinen Körper zu hören, mir Pausen zu nehmen, aber mich auch davon nicht am Leben hindern zu lassen, und trotzdem all die actionreichen Sportarten mit zu machen, die ich gern möchte. 

 

Insgesamt nehme ich aus dieser Erfahrung mehrere Dinge mit, die nicht nur, aber auch betroffenen Frauen helfen können:  

-    Geht zum Arzt! Wenn ihr generell Schmerzen habt, sucht bitte ärztlichen Rat auf. Und wenn ihr mit euren Ärzten nicht zufrieden seid, ist es keine Schande, eine zweite Meinung einzuholen und sich woanders behandeln zu lassen. Dafür bin ich im übrigen auch immer einige Kilometer, unter anderem ins Endometriosezentrum nach Dresden, gefahren. Ihr müsst euch nicht sagen lassen, Schmerzen seien normal oder ihr bildet euch das ein, wenn es euer Leben einschränkt und ihr das ändern wollt. 

-    Keine Schmerzen? Geht trotzdem zur Vorsorge! Mit Endometriose ist es zum Beispiel typisch, dass sich sogenannte Schokoladenzysten entwickeln. Das sind Zysten an den Eierstöcken, die mit Blut gefüllt sind - nicht gerade gut, vor allem, wenn sie platzen. Obwohl (normale) Zysten nicht untypisch sind, können sie neben Endometriose aufgrund anderer Krankheiten zu groß werden und ernsthafte Probleme bereiten. Solche Zysten können in den meisten Fällen in einem gynäkologischen Untersuchung erkannt und dann darauf reagiert werden. Daher - geht zur Vorsorge! 

-    Es ist okay, nicht okay zu sein. In unserer Gesellschaft sollen - und wollen - wir oft rund um die Uhr vollkommen funktionieren. Das ist manchmal, aus verschiedensten Gründen, nicht möglich. Wenn ich zu starke Schmerzen habe, um auszugehen, dann ist das so, und ich schäme mich nicht dafür. Wenn ich Besuch empfange und ein Wärmekissen auf dem Bauch gerade dafür sorgt, dass ich überhaupt sitzen kann, dann schäme ich mich auch nicht dafür. Ich habe eine unheilbare chronische Erkrankung, und da ist es okay, nicht immer zu funktionieren. Aber das gilt genau so für jeden gesunden Menschen: Es ist in Ordnung, sich eine Pause zu gönnen, Zeit für sich zu nehmen oder einfach einen Gang runter zu schalten, wenn alles zu viel wird. 

  Kommunikation ist alles! Obwohl ich von Natur aus ein Mensch bin, der ehrlich sagt, was mich bedrückt, ist mir in dieser Zeit noch mehr bewusst geworden: Die Menschen um mich herum können nicht in meinen Bauch blicken. Ich muss ihnen sagen, wenn ich mich unwohl fühle. Natürlich teile ich nicht jedem Fremden alle Details meiner letzten Blutung mit oder zeige Bilder meiner Operation, aber es war wichtig, besonders im engeren Umfeld klar zu sagen: Ich habe das, ich leide darunter, und das kann sich so und so äußern. Damit kommt nämlich auch mehr Verständnis. Und wenn nicht - dann tschüss! 

-    Fragt Frauen nicht immer danach, wann sie denn endlich schwanger werden! Früher habe ich das auch nicht ganz verstanden, und ich nehme es auch heute nicht jedem übel, der fragt, wann mein Freund und ich denn endlich "loslegen" würden. Aber eine gewisse Sensibilität ist angebracht, denn viele Krankheiten wie Endometriose können zu Unfruchtbarkeit und unerfülltem Kinderwunsch führen. Dann ständig auf das Thema hingewiesen und daran erinnert zu werden, dass man vielleicht niemals Kinder haben wird, macht das alles auch nicht besser. 

 

 

Ich wünsche mir vor allem, dass Aktionen wie der "Endo March", aber auch viele andere, mehr Bewusstsein für Krankheiten wie Endometriose geben. Nur weil es eine Krankheit ist, die Frauen betrifft, sollte sie nicht weniger Aufmerksamkeit bekommen. Immerhin hat es jede fünfte Frau - und diese sollten nicht einfach allein gelassen werden, denn sie könnte deine Freundin, Frau, Mutter, beste Freundin oder Kollegin sein, die still darunter leidet. 

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