"The Call Of The Void" - Streben nach dem Tod?

Anikas Blick in die Wissenschaft Was steckt hinter dem psychologischen Phänomen?

Anikas Blick in die Wissenschaft

Kennst du das Gefühl, wenn du auf dem Balkon stehst und dich über das Geländer beugst mit dem Gedanken: "Was wäre, wenn ich jetzt runterfallen oder einfach springen würde. Ich könnte es einfach tun." Oder folgende Situation beim Autofahren. Man fährt mit hoher Geschwindigkeit und denkt: "Wenn ich jetzt das Lenkrad rumreißen würde, dann wäre alles vorbei." Ich kenne diese Situationen und bin neulich in einem Podcast auf den Fachterminus "The Call Of The Void", den sogenannten "Ruf der Leere" gestoßen. Sofort wollte ich mehr darüber erfahren. 

Gibt es einen Zusammenhang mit Suizidgedanken?

"Call Of The Void" oder "High Place Phänomen" beschreibt in der Psychologie den oft plötzlich unvorhergesehenen Gedanken, eine Handlung zu durchleben, die den wahrscheinlichen Tod hervorbringen könnte und mit der man sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in Gefahr bringt. Die Forschung untersucht seit vielen Jahren, ob es einen Zusammenhang mit Selbstmordgedanken gebe. Personen, die öfters Suizidgedanken hätten, würden auch eher den "Call Of The Void" -Moment erfahren. Dies wurde allerdings widerlegt. Im "Journal of Affective Disorders" wurde 2012 eine Studie* veröffentlicht, die bestätigte, dass mehr als die Hälfte der 435 Befragten noch nie Suizidgedanken hatten, aber den "Call Of The Void" schon mindestens einmal erlebt hätten.

Missinterpretiertes Sicherheitssignal des Gehirns

Die Wissenschaft versuchte herauszufinden, warum Menschen diese Gedanken haben. In der vorangegangenen Studie wurde die Hypothese aufgestellt, dass das Phänomen ein falsch gedeutetes Sicherheitssignal des Gehirns ist. Es liegt nahe, dass das Gehirn versucht, indem es uns vor Augen führt, was in einer gefährlichen Situation passieren könnte, uns dahin zu bewegen, besonders vorsichtig in dieser Situation zu sein. Die Hypothese wurde bestätigt. Personen, die von sich selbst behaupten, dass sie ein höheres Angstlevel haben, scheinen davon mehr betroffen, als ängstlichere Personen.  

Personen mit höherem Angstlevel mehr betroffen

In einer weiteren Studie von 2020 **, die im Wissenschatftsjournal  "BMC Psychiatry" veröffentlicht wurde, versuchte man erneut zu klären, ob ein Zusammenhang mit mentalen Missständen vorliege, die mit Suizidgedanken verbunden wären oder nicht. Professor Teismann erläutert: "Das Phänomen wird häufiger von Menschen berichtet, die eher ängstlich auf Körpersignale reagieren." Man solle es nicht unbedingt in Verbindung mit einem Todeswunsch bringen.

Kennt ihr den "Call Of The Void"?

 

 

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*Studie: An urge to jump affirms the urge to live: An empirical examination of the high place phenomenon | Von: J. L. Hames, J. D. Ribeiro, A. R. Smith, T. E. Joiner Jr.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032711006847?via%3Dihub

**Studie: High place phenomenon: prevalence and clinical correlates in two German samples | Von: T. Teismann, J. Brailovskaia, S. Schaumburg, A. Wannemüller
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7525079/

RAT UND NOTHILFE

  • Falls Gefahr eines Suizid besteht: Notruf 112
  • Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (Tel.: 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333; wochentags von 14 bis 20 Uhr)
  • Auf den Seiten der Deutschen Depressionshilfe sind Listen mit regionalen Krisendiensten und mit Kliniken zu finden. Zudem gibt es viele Tipps für Betroffene und Angehörige.

Wir berichtet in der Regel nicht über Selbsttötungen, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben - außer Suizide oder Suizidversuche erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.

Wenn Sie selbst depressiv sind und oder Selbstmord-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800 1110111 oder 0800 1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

 

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