Zschopau. 12.05 Uhr war es, als am Freitagmittag der Gewerbeverein "Unser Zschopau" zu seiner gleichnamigen Protestaktion rund 70 Teilnehmer begrüßen konnte. Vor dem örtlichen Rathaus erläuterte der Vereinsvorsitzende Robert Hähnel, warum er die Zeit für überreif hält. "Es ist, als ob jemand draußen auf dem Meer am Ertrinken ist und der Rettungsschwimmer wirft nur schnell den Rettungsring ins Wasser und sagt, er komme gleich wieder", sagte der Zschopauer zu den Maßnahmen der Politik. Auch die Überbrückungshilfe III decke nur 90 Prozent der Fixkosten - und davon kommen laut Hähnel nur 50 Prozent bei den Händlern an. "Der Rest irgendwann im Juni." Dann könnte es für viele womöglich schon zu spät sein. Deshalb gab es nun die Protestaktion "5 nach 12".
"So geht es nicht weiter"
"Ein paar harte Wochen" seien angekündigt worden. "Daraus sind drei Monate geworden. Und es sieht so aus, als ob es sich vorerst nicht ändern wird", so der Vorsitzende des Zschopauer Gewerbevereins. Weil viele Händler Ausgaben wie Miete und Versicherungen vorstrecken müssten und die Dauer des Lockdowns aufgrund der zuletzt wieder steigenden Inzidenzwerte immer noch nicht absehbar ist, könnte es ein böses Erwachen geben - bis hin zur Pfändung des privaten Eigentums. Nachdem die Erzgebirger ihre Sorgen und düsteren Aussichten bereits in einem Brief an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer geschildert - und lange vergeblich auf eine Antwort gewartet - hatten, sollte nun ein wichtiges Zeichen gesetzt werden. "Wir wollen nach Dresden signalisieren, so geht es nicht weiter", so Hähnel. Vorschläge für Maßnahmen, die tatsächlich helfen können, hatte "Unser Zschopau" auch parat. So brachte der Vereinsvorsitzende einen Fördertopf für Kommunen ins Spiel, die finanzielle Unterstützung nach ihrem Ermessen sinnvoll verteilen beziehungsweise für einen Neustart nutzen könnten.
Auch Oberbürgermeister äußert Kritik
Mit Arne Sigmund hatte Robert Hähnel einen Fürsprecher an seiner Seite. Auch der Zschopauer Oberbürgermeister trat ans Mikrofon und bezeichnete das Ergebnis der bisherigen politischen Hilfspakete als desaströs. Ähnlich kritisch sah er die zunächst so hoch angepriesene Impfkampagne. Weil selbst ältere Menschen häufig noch keinen Termin bekommen, müsste an anderen Strategien gefeilt werden. Dass kleine Läden öffnen und sich dort - je nach Fläche - zwei oder drei Kunden aufhalten, hält Sigmund für ein denkbares Szenario: "Bei Bäckern und Fleischern wird es ja vorgemacht."
Ein schmaler Grat für die Politik
Wie schmal allerdings der Grat zwischen Vorsicht und Öffnung ist, machte der dritte Redner, Jörg Markert, deutlich. Der Landtagsabgeordnete aus Olbernhau konnte das Anliegen der Protestierenden sehr gut nachvollziehen, wies aber zugleich auf die Gefahren durch voreilige Lockerungen hin. Die Politik müsse deshalb viele Aspekte beachten und einen Kompromiss finden. Beim Versuch, den bestmöglichen Mittelweg zu beschreiten, solle nun eine schnellere Bearbeitung der Anträge auf Überbrückungshilfen Früchte tragen. Bei der Sächsischen Aufbaubank sei deshalb das Personal aufgestockt und ein umfangreiches Schichtsystem eingeführt worden. Trotzdem erfordert die Bearbeitung viel Zeit, sodass es womöglich tatsächlich schon "5 nach 12" ist. "Die Bürokratie hat sich nun mal so entwickelt", gestand Markert.
Mehr zum Thema: In Stollberg demonstrierten die Händler heute ebenfalls.
Auch in Mittweida gehen die Menschen seit Wochen auf die Straße.