Im Territorium Marienberg gibt es erstmals bestätigten Wolfsnachwuchs: Vier Welpen wurden von Wildtierkameras dokumentiert. Mittlerweile sind die Jungtiere neun Monate alt (Stand: Februar 2025) und befinden sich in einer entscheidenden Entwicklungsphase. Während sie im Frühsommer 2024 noch in unmittelbarer Nähe der Wurfhöhle blieben, folgen sie nun zunehmend ihren Eltern auf Streifzüge durch das Revier und lernen die Grundlagen des Jagens.
Wolfsmonitoring im Erzgebirge: Ein neues Rudel entsteht
Sven Erlacher, Biologe und Lehrer, der sich ehrenamtlich im Wolfsmonitoring des oberen Erzgebirges engagiert, erklärt: "Ihre Geburt muss vor dem 6. Mai 2024 erfolgt sein, da die Fähe an diesem Tag ein deutlich erkennbares Gesäuge aufwies. Seitdem hat sich das Leben des Paares stark verändert - jetzt gilt es, ein Rudel durchzubringen."
Die ersten Monate der Jungwölfe
Mit der Geburt der Welpen wurde die Wurfhöhle im Frühjahr und Sommer 2024 zum Zentrum des Rudellebens. Zunächst brachten die Elterntiere die Nahrung direkt dorthin, später wechselte das Rudel ins sogenannte Rendezvousgebiet - eine geschützte Stelle im Territorium, an der die Jungwölfe spielten, soziale Strukturen festigten und allmählich auf das eigenständige Leben vorbereitet wurden. Nun, im Winter 2024/25, sind sie fast ausgewachsen. Es wird sich entscheiden, ob sie vorerst im Rudel bleiben oder sich in den kommenden Monaten auf die Suche nach einem eigenen Territorium machen."
Ein Territorium im Wandel - Die wechselvolle Geschichte der Marienberger Wölfe
Die Entstehung dieses Rudels ist das Ergebnis zahlreicher Veränderungen. Im Frühjahr 2022 wurde genetisch bestätigt, dass sich ein Wolf seit März 2021 dauerhaft in der Region aufhielt. Eine erst sechs Monate alte Jungfähe aus dem benachbarten Výsluní-Rudel schloss sich ihm an - zu jung, um selbst Nachwuchs zu bekommen. Als sie ein Jahr später, im Frühjahr 2023, trächtig schien, verschwand sie plötzlich. Möglicherweise wurde sie von einem wehrhaften Beutetier tödlich verletzt.
Bereits drei Wochen nach ihrem Verschwinden hatte der Rüde eine neue Partnerin, eine Fähe aus dem Rudel Ruda im nördlichen Bayerischen Wald. Doch auch diese Verbindung war nicht von Dauer: Im August 2023 tauchte ein neuer Wolf auf - ein Rüde italienischer Herkunft. Er könnte den ursprünglichen Rüden verdrängt haben, der letztmals im September 2023 nachgewiesen wurde. Nur drei Wochen nach dieser letzten Sichtung war das neue Paar im Marienberg-Territorium etabliert - und dieses Paar hat im Frühjahr 2024 den ersten dokumentierten Wurf in der Region großgezogen.
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Sven Erlacher dokumentiert gemeinsam mit dem Lupus-Institut und dem Senckenberg Museum die Wolfsaktivitäten im Auftrag der Fachstelle Wolf in Sachsen Foto: Josepha Erlacher
Zwischen Faszination und Sorge - Die Rückkehr der Wölfe bleibt umstritten
Mit der erfolgreichen Aufzucht der Welpen hat sich das Rudel nun gefestigt - doch die Rückkehr der Wölfe wird nicht nur positiv aufgenommen. Vor allem Landwirte und Nutztierhalter in der Region sehen die Entwicklung mit Sorge. Anderorts kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Weidetiere, insbesondere auf Schafe und Ziegen. Auch wenn Präventionsmaßnahmen wie wolfsabweisende Zäune und Herdenschutzhunde gefördert werden, bleibt der Schutz der Tiere eine Herausforderung - sowohl finanziell als auch organisatorisch.
Wölfe durch EU-Recht geschützt
Gleichzeitig sind Wölfe durch EU-Recht streng geschützt, was die Entnahme problematischer Individuen erschwert. Für viele Landwirte stellt sich daher die Frage, wie das Zusammenleben mit den Raubtieren langfristig gestaltet werden kann, ohne wirtschaftliche Einbußen und zusätzliche Belastungen hinnehmen zu müssen.
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Foto: Sven Erlacher
Wolfsrückkehr im Erzgebirge: Ein Thema von biologischer und gesellschaftlicher Bedeutung
Die Entwicklung des Marienberger Rudels wird daher nicht nur aus biologischer Sicht mit Interesse verfolgt, sondern auch als Teil eines gesellschaftlichen Diskurses über den Umgang mit Wildtieren in einer Kulturlandschaft. Während Naturschützer die Rückkehr der Wölfe als wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt sehen, fordern betroffene Tierhalter praktikable Lösungen, um Schäden und Konflikte zu minimieren.
Eines ist sicher: Die Marienberger Jungwölfe sind nun fast erwachsen - und mit ihnen wächst auch die Debatte über den Platz des Wolfs in unserer Landschaft.
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Während Naturschützer die Rückkehr der Wölfe als wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt sehen, fordern betroffene Tierhalter praktikable Lösungen, um Schäden und Konflikte zu minimieren. Foto: Sven Erlacher