Der Wolf polarisiert seit jeher: Sven Erlacher, Biologe und Lehrer, engagiert sich ehrenamtlich im Wolfsmonitoring des oberen Erzgebirges, wo die Rückkehr des Beutegreifers neue Dynamiken in der Region schafft. Gemeinsam mit dem Lupus-Institut und dem Senckenberg Museum für Naturkunde, die im Auftrag der Fachstelle Wolf des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie arbeiten, dokumentiert er die Aktivitäten der Wölfe in der Region.
Das Wolfsmonitoring dient dazu, systematisch Daten über Anzahl, Verhalten und Verbreitung der Wölfe zu sammeln. Die Erkenntnisse bilden die Grundlage für Entscheidungen im Wolfsmanagement und tragen zur Konfliktprävention bei. Dabei kommen verschiedene Methoden wie Spurensuche, Fotofallen und genetische Analysen zum Einsatz.
Wichtige Ziele des Wolfsmonitorings:
- Bestandsüberwachung: Nachweise über Rudel, Paare, Einzelwölfe und Reproduktionserfolge.
- Verhaltensanalyse: Untersuchung von Bewegungsmustern, Jagdstrategien und Sozialverhalten.
- Konfliktprävention: Maßnahmen zum Schutz von Nutztieren und zur Schadensminderung.
- Genetische Untersuchungen: Identifikation einzelner Tiere und ihrer Herkunft.
Sven Erlachers Beobachtungen liefern wertvolle Details über die Dynamiken im Wolfsrudel des Marienberg-Territoriums und die Herausforderungen im Zusammenleben von Mensch und Wolf.
Ein neues Kapitel im Marienberg-Territorium
Im Frühjahr 2021 tauchte ein einzelner Wolf im Gebiet südlich von Marienberg auf und gründete dort sein eigenes Territorium. Lange Zeit war er allein, bis es im Winter 2022 zur Paarbildung mit einer jungen Fähe aus dem Výsluní-Rudel kam. Diese Fähe, gerade einmal acht Monate alt und noch nicht geschlechtsreif, wurde seine erste Partnerin. Doch im April 2023 verschwand sie plötzlich - vermutlich trächtig. Gleichzeitig befand sich bereits eine neue junge Wölfin aus dem Ruda-Rudel im nördlichen Bayerischen Wald in der Region. Innerhalb von drei Wochen bildeten der ursprüngliche Rüde und die neue Fähe ein Paar.
Ein besonderer Neuzugang: Der "kleine Italiener": Ein Alpenwolf in Sachsen
Im Sommer 2023 tauchte ein dritter Wolf im Marienberg-Territorium auf. Der Neuankömmling war auffällig: klein, kräftig gebaut und markant gezeichnet. "Seine Herkunft war eine Überraschung", berichtet Sven Erlacher. Genetische Analysen bestätigten, dass der Rüde aus der Alpen- oder italienischen Apennin-Population stammt - ein außergewöhnlicher Nachweis für Sachsen und der erste genetisch bestätigte Alpenwolf im Freistaat.
Zu diesem Zeitpunkt war das ursprüngliche Paar noch zusammen, doch im Herbst 2023 verschwand der ursprüngliche Rüde spurlos. Innerhalb von drei Wochen hatte der "kleine Italiener" die Rolle des Partners übernommen und bildete ein neues Paar mit der verbliebenen Fähe.
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Rüde im Juni 2024 - Standbild eines Videos von Sven Erlacher. Foto: Sven Erlacher
Auffällige Dynamiken im Rudel
Sven Erlacher hebt hervor, dass die Partnerwechsel im Rudel auffällig schnell erfolgten. Innerhalb weniger Wochen nach dem Auftauchen eines neuen Wolfs kam es jeweils zu einer Paarbildung. Bemerkenswert sei auch, dass die neuen Partner bereits im Gebiet präsent waren, bevor die vorherigen Partner verschwanden. "Diese Dynamik zeigt, wie anpassungsfähig Wölfe sind", so Erlacher. Zugleich wirft dies Fragen über die langfristige Entwicklung der Rudelstruktur in der Region auf.
Polarisierende Rückkehr: Ein Thema, das bewegt
Die Rückkehr der Wölfe sorgt für unterschiedliche Reaktionen. Für die einen sind sie ein Zeichen für eine intakte Natur, für andere bedeuten sie Konflikte, etwa mit der Landwirtschaft. Der Nachweis eines Alpenwolfs im Marienberg-Territorium verdeutlicht, wie eng die Begegnungen zwischen Mensch und Tier inzwischen geworden sind.
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Sven Erlacher dokumentiert gemeinsam mit dem Lupus-Institut und dem Senckenberg Museum die Wolfsaktivitäten im Auftrag der Fachstelle Wolf in Sachsen. Foto: Josepha Erlacher