Wie werden Wölfe im Erzgebirge überwacht? Biologe und Lehrer Sven Erlacher gibt Einblicke in das Wolfsmonitoring, das er gemeinsam mit dem LUPUS-Institut und dem Senckenberg Museum im Auftrag der Fachstelle Wolf in Sachsen dokumentiert. Spannende Spurensuche mit Wildkameras & DNA-Analysen! Hier ein Video von der Wildkamera bei Rübenau im oberen Erzgebirge.Interview mit Biologe und Lehrer aus dem Erzgebirge
BLICK.de - Wie genau funktioniert das Wolfsmonitoring, und welche Methoden werden dabei angewendet?
Sven Erlacher: "Das Wolfsmonitoring gleicht einer kriminalistischen Spurensuche. In Deutschland wird es von den zuständigen Behörden beauftragt, von Fachleuten koordiniert und nach einheitlichen wissenschaftlichen Standards durchgeführt. Verschiedene Methoden helfen dabei, Wolfsterritorien zu erkennen, die Anzahl der Nachkommen zu bestimmen und ihre Wanderungen nachzuvollziehen.
Ehrenamtliche Helfer suchen nach Trittsiegeln, sammeln Kot-, Urin- oder Haarproben für genetische Analysen und setzen Fotofallen ein, um Wölfe zu beobachten. Doch es geht nicht nur um Zahlen - das Monitoring dient auch dazu, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und Lösungen zu finden. Es bildet die Grundlage für ein Wolfsmanagement, das sowohl den Artenschutz als auch die Interessen der Menschen im Blick behält."
Die unsichtbaren Augen der Wildnis
Welche Rolle spielen Wildkameras im Monitoring, und wie werden sie strategisch platziert?
Sven Erlacher: "Wildtierkameras sind die unsichtbaren Augen des Wolfsmonitorings - geduldig, unauffällig und rund um die Uhr im Einsatz. Sie ermöglichen faszinierende Einblicke in das Verhalten, die Anzahl und die Bewegungsmuster der Wölfe.
Strategisch werden sie an Orten platziert, die Wölfe regelmäßig nutzen: an Wildwechseln, Wegen, Lichtungen oder Wasserstellen. Dabei kommt es darauf an, die Kameras richtig auszurichten. Moderne Fotofallen reagieren auf Bewegung und Wärme, schalten sich nur bei Bedarf ein und liefern Bilder oder Videos - selbst in völliger Dunkelheit. Dank ihrer wetterfesten Bauweise und langen Batterielaufzeit bleiben sie monatelang im Einsatz und sammeln kontinuierlich Daten, die das Monitoring ergänzen und präziser machen."
Wie oft werden die Kameras überprüft, und wie läuft die Auswertung des Bildmaterials ab?
Sven Erlacher: "Die Überprüfung der Wildkameras erfordert Fingerspitzengefühl - einerseits müssen regelmäßig Daten ausgelesen werden, andererseits sollen Störungen so gering wie möglich bleiben. Je nach Standort, Jahreszeit und Witterung werden die Kameras alle paar Wochen bis Monate kontrolliert. Dabei müssen die Batterien gewechselt, Speicherkarten ausgetauscht und die Position gegebenenfalls angepasst werden.
Die gesammelten Bilder und Videos landen anschließend auf dem Computer - und dort beginnt die eigentliche Detektivarbeit. Jedes Bild wird sorgfältig gesichtet, Fehlauslösungen werden aussortiert und Aufnahmen mit Wölfen gespeichert und analysiert."
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Wildtierkameras sind die unsichtbaren Augen des Wolfsmonitorings.Strategisch werden sie an Orten platziert, die Wölfe regelmäßig nutzen: an Wildwechseln, Wegen, Lichtungen oder Wasserstellen Foto: Sven Erlacher
Kuriose Entdeckungen: Wer sonst noch in die Fotofalle tappt
Tauchen auf den Wildkamera-Aufnahmen manchmal auch zweibeinige ‚Wildtiere‘ auf - etwa verirrte Wanderer oder Hobby-Naturfilmer?
Sven Erlacher: "Da die meisten Kameras (noch) nicht zwischen Menschen und Tieren unterscheiden können, werden auch ‚Zweibeiner‘ erfasst - was gelegentlich zu lustigen oder unerwarteten Momenten führt. Aber keine Sorge: Alle Aufnahmen mit Menschen werden selbstverständlich gelöscht, so dass niemand um deren weitere Verwendung bangen muss."
Welche unerwarteten oder besonders skurrilen Momente habt ihr schon auf den Wildkameras festgehalten - vielleicht tanzende Dachse oder ein Fuchs auf Diebestour?
Sven Erlacher: "Unsere Wildkameras haben uns schon viele überraschende Aufnahmen beschert. Einmal konnten wir der Polizei bei der Aufklärung eines Autodiebstahls helfen. Ein anderes Mal ‚erwischten‘ wir ein Pärchen, das sich vor der Kamera küsste. Doch die spannendsten Szenen stammen von den Tieren selbst: Wölfe, die Rothirsche verfolgen, oder ein Fuchs, der eine Amsel im Flug erbeutet. Die Natur lässt uns immer wieder staunen!"
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Manchmal hält die Natur Überraschungen bereit - und die Wildkameras fangen sie ein! Im vergangenen Jahr wurde ein Goldschakal im Erzgebirge gesichtet. Foto: Sven Erlacher/ Anna Kirsch
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Die Aufzeichnung eines Fuchses in der Region Erzgebirge. Foto: Sven Erlacher
Wolf oder Doppelgänger? So werden einzelne Tiere erkannt
Welche Kriterien nutzt ihr, um einzelne Wölfe zu identifizieren - gibt es besondere Merkmale?
Sven Erlacher: "Ja, oft gibt es besondere Merkmale wie Körperbau, Fellzeichnung oder Verletzungen, anhand derer einzelne Wölfe erkannt werden können. Bei Welpen ist die Identifizierung schwieriger, da sie noch nicht ‚vom Leben gezeichnet‘ sind - sie ähneln sich zu sehr in ihrer äußeren Erscheinung. Selbst das Geschlecht zu bestimmen, ist in diesem Alter aufgrund der Dichtheit des Welpenfells oft nicht möglich. Dennoch bleibt die genaue Identifizierung ein spannendes Puzzlespiel."
Welche weiteren Spuren außer Kamerabildern helfen euch, die Wolfspopulation zu überwachen?
Sven Erlacher: "Eine der wichtigsten Methoden ist die Suche nach Trittsiegeln - den markanten Pfotenabdrücken, die Wölfe im Schnee oder auf dem Boden hinterlassen. Sie verraten uns nicht nur, dass ein Wolf in der Nähe war, sondern führen uns - mit etwas Glück - zu frischem Kot oder Urin, mit dem die Tiere ihr Revier markieren.
Solche Proben sind für die Forschung besonders wertvoll, denn sie lassen sich genetisch analysieren und ermöglichen uns, einzelne Tiere eindeutig zu identifizieren. Auch Sichtungen und Funde von Förstern, Jägern und Bürgern werden geprüft und in die Datenauswertung einbezogen."
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Oft gibt es besondere Merkmale wie Körperbau, Fellzeichnung oder Verletzungen, anhand derer einzelne Wölfe erkannt werden können. Foto: Sven Erlacher
Von Wetterchaos und Datenfluten
Welche Herausforderungen gibt es bei der Auswertung der gesammelten Daten?
Sven Erlacher: "Einerseits müssen große Mengen an Fotos und Videos gesichtet, sortiert und beschriftet werden. Jedes einzelne ‚Ereignis‘, sei es ein Foto, der Fund einer Losung oder ein Riss, muss genau dokumentiert werden. Zudem kann es schwierig sein, alle relevanten Informationen als solche zu erkennen."
Wie beeinflussen Umweltfaktoren wie Wetter oder Vegetation die Qualität der Aufnahmen?
Sven Erlacher: "Umweltfaktoren wie Nebel oder starke Sonneneinstrahlung können die Bildqualität erheblich beeinflussen. Nebel reduziert die Sichtweite und sorgt oft für unscharfe Bilder, während Sonnenlicht zu Überbelichtungen führen kann. Besonders problematisch ist sonnenbeschienene Vegetation, die Fehlauslösungen verursacht, was die Speicherkarten unnötig füllt und die Auswertung erschwert."
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Eine Wolfsfähe - gesichtet 2024 bei Schneefall. Nebel oder starke Sonneneinstrahlung können die Bildqualität der Wildkameras erheblich beeinflussen Foto: Sven Erlacher
Teamwork für den Artenschutz
Wie wird das Wolfsmonitoring in Deutschland organisiert, und wer arbeitet daran mit?
Sven Erlacher: "Das Wolfsmonitoring in Deutschland wird von den zuständigen Landesbehörden koordiniert. Dabei arbeiten verschiedene Akteure zusammen, darunter Umweltministerien, Fachbehörden, Forschungsinstitute und engagierte ehrenamtliche Helfer.In Sachsen übernimmt das LUPUS-Institut für Wolfsmonitoring und -forschung zusammen mit dem Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz die Koordination des Monitorings, unterstützt durch die Fachstelle Wolf des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (SMUL). Die gesammelten Daten werden jährlich ausgewertet, um die Entwicklung der Wolfspopulation zu überwachen und zu dokumentieren."
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Sven Erlacher dokumentiert gemeinsam mit dem Lupus-Institut und dem Senckenberg Museum die Wolfsaktivitäten im Auftrag der Fachstelle Wolf in Sachsen Foto: Josepha Erlacher