Geschichte wiederholt sich, heißt es im Volksmund. Im Falle von Kevin Costners neuer Regiearbeit scheint das aber anders zu sein. Anfang der 1990er-Jahre landete er mit dem teilweise selbstfinanzierten Epos "Der mit dem Wolf tanzt" einen preisgekrönten Kassenschlager, der ihn endgültig zu einem Star in Hollywood machte. Rund 35 Jahre später legt er mit "Horizon", dem ersten Teil einer vier Filme umfassenden Saga über die Westexpansion, erneut einen aufwendigen Westernstoff vor, in den er nicht nur viel Schweiß, sondern auch viel eigenes Geld investiert hat. Dieses Mal stehen die Zeichen allerdings nicht auf Erfolg. Im nordamerikanischen Markt war der Zuspruch in den Kinos verhalten, weshalb der US-Verleih den zweiten Teil vorerst wieder aus der Startliste gestrichen hat. Kein gutes Zeichen für das Auftaktkapitel einer Saga, die laut dem Regisseur, Co-Drehbuchautor, Hauptdarsteller und Produzenten in Personalunion erzählen will, wie es im Wilden Westen wirklich zuging.
Erste Pläne für "Horizon" gab es schon Ende der 1980er-Jahre. Zunächst für einen einzigen Film. Diverse gescheiterte Realisierungsversuche und Studioabsagen später wurde aus dem Projekt dann ein Vierteiler, für den Costner tief in die eigene Tasche griff. 38 Millionen Dollar soll er bislang eingebracht haben. In Interviews versicherte er jedoch, dass es deutlich mehr gewesen sei. Beharrlichkeit und Mut zum Risiko kann man ihm wahrlich nicht absprechen. Der Einstiegsfilm nährt aber den Verdacht, dass er sich an seinen Ambitionen verhoben hat.
Unerwünschte Siedler
"Horizon" beginnt im Jahr 1859, als im San Pedro Valley im Süden der USA erste Versuche unternommen werden, die fiktive titelgebende Stadt auf dem Gebiet der West-Apachen zu gründen. Die Ureinwohner halten sich allerdings keineswegs zurück, setzen sich gegen die Eindringlinge zur Wehr. Auch einige Jahre später, als eine kleine, noch etwas provisorisch wirkende Ortschaft entstanden ist. Ein Angriff, angeführt von Pionsenay (Owen Crow Shoe), hinterlässt Tod und Verwüstung.
Zwei Überlebende, Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail), finden Unterschlupf in einem Fort in der näheren Umgebung, wo sich zwischen der Mutter und Oberleutnant Trent Gephart (Sam Worthington) eine zarte Romanze anbahnt. Jungsporn Russell Ganz (Etienne Kellici), der ebenfalls verschont geblieben ist, schließt sich wiederum einer Bande von Skalpjägern an. Ihr Ziel: die indigenen Angreifer aufspüren und deren Kopfhäute zu Geld machen.
Holpriger Erzählfluss
Einige hundert Meilen weiter nördlich lässt sich Lucy (Jena Malone) unter dem falschen Namen Ellen Harvey nach einem Mordversuch mit ihrem kleinen Kind in einer Siedlung in Wyoming nieder. Ihr dicht auf den Fersen: Junior (Jon Beavers) und Caleb Sykes (Jamie Campbell Bower), die Söhne ihres Opfers. Lucys/Ellens Mitbewohnerin, die Prostituierte Marigold (Abbey Lee), umgarnt den in der Ortschaft ankommenden Pferdehändler Hayes Ellison (erst nach einer Stunde Laufzeit in Aktion: Kevin Costner).
Auf dem Weg nach Horizon befindet sich unterdessen ein Planwagenzug, der unter dem Kommando von Matthew Van Weyden (Luke Wilson) steht. Die Reise verläuft beschwerlich, da die Gruppe ständig damit rechnen muss, von Ureinwohnern überfallen zu werden. Auch interne Spannungen lassen nichts Gutes erahnen.
Zahlreiche Figuren und unterschiedlichste Schauplätze müssen Kevin Costner und Co-Drehbuchautor Jon Baird im ersten Teil einführen, was natürlich einige Holprigkeiten mit sich bringt. "Horizon" wirkt dann aber doch erstaunlich bruchstückhaft und uneben. Westernklischees sind nicht gerade rar gesät. Immer mal wieder greifen die Macher auf Soldatenkitsch zurück. Und die Beziehungen mancher Charaktere bleiben seltsam unklar. In den nächsten Kapiteln kann sich daran vielleicht noch etwas ändern. Richtig plastisch und fesselnd sind die auftretenden Personen bisher aber nicht. Merkwürdig beispielsweise, dass Pionsenay, der gegen den zurückhaltenden Umgang eines Stammesoberen mit den Weißen rebelliert, nach dem ersten Drittel für lange Zeit aus der Geschichte verschwindet.
Wuchtige Bilder
Was dem Film außerdem schwerfällt: seine mit der Westexpansion verbundenen Themen zu ordnen und mit Substanz zu füllen. Rassismus, Freiheitsstreben und die kapitalistische Logik werden häufig eher stichwortartig abgearbeitet, obwohl Costner eigentlich den Anspruch hat, ein großes Sittengemälde zu entwerfen. Martin Scorseses True-Crime-Thriller "Killers of the Flower Moon" (2023) etwa schürft da um einiges tiefer.
Klingt alles nicht besonders positiv. Doch auf der Habenseite kann "Horizon" durchaus ein paar Dinge verbuchen. Die Kostüme und die Ausstattung der Schauplätze zeugen vom Willen, die Handlungszeit so akribisch wie möglich nachzustellen. Und selbstverständlich gibt es eine Reihe beeindruckender Panoramaaufnahmen. Das Spannende dabei: wie prägnant die so mannigfaltige Natur abgebildet wird. Im San Pedro Valley dominiert eine von Canyons durchschnittene, staubige Wüstenlandschaft, während im grünen Wyoming die gelben Blätter der Birkenwälder um die Wette leuchten. Hier und da wirkt die Optik aber auch etwas zu glatt, zu sehr auf Hochglanz poliert. Nicht unbedingt die beste Wahl, wenn man das raue Leben an der Grenze möglichst realistisch einfangen möchte.