Kahlschlag am Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig

Stadtnatur NABU kritisiert Naturausgleich

Leipzig. 

Leipzig. Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz soll ein neues Stadtquartier entstehen. Nun werden dort bis zum Beginn der Brut- und Setzzeit im März noch schnell 28 Bäume, 23 Meter Heckenwuchs sowie ein höhlenreicher Einzelbaum gefällt. Die Rodungen laufen voraussichtlich ab Montag auf dem Areal der früheren Markthalle. Zur Verlegung einer Fernwärmetrasse in die Grünewaldstraße sollen hier die alten Lagerkeller abgerissen werden. Der Leipziger Naturschutzbund (NABU) schlägt Alarm.

 

Keine Rücksicht auf Biodervisität und Stadtklima

Man habe frühzeitig darauf hingewiesen, dass somit selten gewordene Lebensräume ersatzlos verloren gingen, meinen die Naturschützer. Der NABU habe an dem Standort mehrere Jahre hinweg bestehende Lebensstätten nachweisen können. "Dennoch wurden die Pläne ohne Rücksicht auf Biodiversität und Stadtklima vorangetrieben", so die Kritik. Und: Rechtliche Belange des Arten- und Biotopschutzes bei Baumfällungen würden unzureichend berücksichtigt. Seit 2021 unternimmt der NABU Sachsen in der Sache juristische Schritte. "Im Mai soll unsere Klage vor dem Verwaltungsgericht verhandelt werden", berichtete René Sievert vom NABU Leipzig auf Anfrage.

 

140 Jahre alter Baum als Denkmal abgewiesen

Appelle, die Stadtnatur auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz wirksam zu schützen, hätten Stadtverwaltung und Kommunalpolitik bisher weitestgehend nicht berücksichtigt, erklärte er. Um wenigstens die "wertvollsten Gehölze in der Stadt" zu retten, habe der NABU Leipzig der Stadtverwaltung im übrigen unlängst eine Liste mit Vorschlägen für Naturdenkmale übergeben. "Darunter war auch ein rund 140 Jahre alter Baum auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz", hob Sievert hervor. Das Amt für Umweltschutz habe es allerdings abgelehnt, den Baum als Denkmal auszuweisen.

 

B-Plan-Abstimmung im April

Laut Dezernat für Stadtentwicklung und Bau soll der Wilhelm-Leuschner-Platz "multifunktionaler Stadtplatz mit hohem Grünanteil" werden. Wissenschafts-, Forschungseinrichtungen, Wohnungen, Büros, Gastronomie, Einzelhandel, Freiflächen und das Naturkundemuseum sind auf dem Areal geplant. Erste Baumaßnahmen werden demnach schon dieses Jahr für das Institut für Länderkunde an der Windmühlenstraße und das sogenannte "Global Hub" an der Grünewaldstraße sichtbar. Der Grundsatzbeschluss zur Bebauung der Ostseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes sowie zur Offenhaltung und Begrünung der Westseite wurde vom Leipziger Stadtrat im Jahr 2017 gefällt. Über den Gesamtbebauungsplan Nr. 392 "Wilhelm-Leuschner-Platz" stimmt er voraussichtlich im April ab. Während der mehrjährigen Bauphase des Quartiers soll laut Plan ein Grünanteil auf der Fläche gewährleistet sein, um die Artenvielfalt zu schützen. Bestehende Bäume und Sträucher würden so lange erhalten, wie es der Bauablauf zulasse, informierte die Stadtverwaltung.

 

"Zwischengrün" für die Tierwelt

Zudem ist "Zwischengrün" auf den Flächen nördlich des Citytunnel-Aufgangs vorgesehen. Voraussichtlich ab Oktober würden dort auf rund 2000 Quadratmetern temporär Bäume und Sträucher gepflanzt. Dafür sollen Baustahlmatten mit Erde aufgeschüttet und die Wurzelballen der Pflanzen so präpariert werden, dass die Bäume später in ihre finalen Standorte auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz gesetzt werden können. Gepflanzt werden rund 40 Bäume sowie Sträucher als Nahrungsgrundlage heimischer Vogelarten. Bestehende ökologische Strukturen werden demnach im Artenschutzkonzept des Bebauungsplanes berücksichtigt und - auf dem Areal neu angelegt. Bis die neu begrünte Fläche fertig ist, dauert es indes rund fünf Jahre. Deshalb soll die Zwischenbegrünung alsbald realisiert werden, versprechen die Planer.

 

Mahnwache am Montag geplant

Das reicht dem NABU jedoch nicht aus. "Naturausgleiche müssen vor dem jeweiligem Baubeginn stehen", erklärte René Sievert. Auch ein Ausweichen betroffener Vogelarten in Lebensräume im Umfeld sei im Falle des Wilhelm-Leuschner-Platzes nicht möglich. "In den vergangenen Jahren wurde bereits ein Großteil der innenstadtnahen Grün- und Freiflächen bebaut, geeignete Ausweichlebensräume sind nicht vorhanden", erläuterte er. Es sei daher mit Beeinträchtigung der lokalen Population zu rechnen. Zudem bezweifelt der NABU, dass die versprochenen Pflanzungen wirklich als Lebensstätten funktionieren werden. "In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass bei allen Begrünungsmaßnahmen die zuvor nachgewiesen Arten letztlich doch verschwunden waren", zeigte Sievert auf. Um gegen den "unzeitgemäßen Naturfrevel" zu protestieren, ruft der Naturschutzbund für Montag zu einer Mahnwache ab 8 Uhr am Wilhelm-Leuschner-Platz auf.

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