Rund zwei Dutzend Gebäude gingen in Flammen auf - auch der Hof der Familie Wiedemann. Werner und seine Familie versteckten sich im Keller. Nach dem Gefecht versuchten sie, Tiere und Habseligkeiten zu retten. Das Pferd einer Flüchtlingsfamilie, die sie bei sich aufgenommen hatten, starb, weil es auf ein stromführendes Kabel trat.
Eines Morgens war die Kirche verschwunden
In dieser Zeit ging Christa in Glösa, heute ein Stadtteil von Chemnitz, zur Schule - bis der Krieg auch dorthin kam. "Unser Schulweg dauerte 45 Minuten. Wenn Fliegeralarm war, mussten wir uns entweder im Schulhaus im Keller verstecken oder uns auf den Heimweg machen. Wenn dann Tiefflieger kamen, warfen wir uns einfach in den Graben", erinnert sich die heute 92-Jährige. Eines morgens war die Kirche neben der Schule plötzlich verschwunden - ein Trümmerhaufen. "Überall war Blut im weißen Schnee. Die Schreie der Kinder höre ich heute noch."
Mit dem Einmarsch der Roten Armee wurde die Angst noch größer. "Nachts schrien Frauen und Mädchen um Hilfe, aber niemand traute sich, rauszugehen. Wir hatten das Glück, dass uns jemand half, uns auf einem Heuboden zu verstecken." Auch Plünderungen waren an der Tagesordnung. "Mein Fahrrad haben wir im Garten vergraben - sie haben es zum Glück nicht gefunden." Gleichzeitig erinnert sie an die geschichtliche Wahrheit: "Der Krieg ging von deutschem Boden aus. Das darf man nie vergessen."
Neubeginn in Ottendorf: "Die Vertriebenen taten mir leid"
1947 kam Christa als 15-Jährige nach Ottendorf, um als Landwirtschaftsgehilfin zu arbeiten. Dort lernte sie dann auch Werner kennen. In Erinnerung geblieben sind ihr aus der damaligen Zeit auch die vielen Vertriebenen, die nach dem Krieg im Ort ankamen. "Natürlich fragte man sich, wo all diese Menschen unterkommen sollten. Aber mir taten sie leid. Sie kamen mit Handwagen, einem kleinen Säckchen und ihren Kindern auf der Autobahn angelaufen".
Ein Appell aus Erfahrung: Erinnern heißt Verantwortung
Christa Wiedemann ist überzeugt: Auch Soldaten aus Ottendorf, die gefallen sind, verdienen ein ehrliches Gedenken. "Sie wollten doch auch Frieden. Sie hofften auf Heimkehr zu Frau und Kindern, Eltern - leider vergebens." Umso mehr bedauert Christina Wiedemann, dass die kleine Gedenktafel, die in die Mauer vor der Grundschule eingelassen wurde, nicht sonderlich ehrend wirkt. "Unsere traurige Platte", nennt sie sie. "Früher hat eine Frau aus dem Dorf sich darum gekümmert. Aber jetzt verwildert das Denkmal jedes Jahr mehr. Es wäre schön, wenn diese wieder einmal auf Vordermann gebracht wird."
Blick mit Sorge auf die Ukraine
Heute blickt die 92-Jährige mit Sorge auf die Lage in der Ukraine. "Dass Russland wieder einen Krieg führt, ist unerträglich. Die Angst, dass auch Deutschland hineingezogen wird, ist riesengroß." Ihre Botschaft an die Nachwelt ist klar: "Gerade jetzt dürfen wir die Vergangenheit nicht aus den Augen verlieren. Es gibt nicht mehr viele, die den Krieg erlebt haben. Deshalb ist es wichtig, dass man darüber spricht - und dass man auch die Kriegsereignisse in kleinen Orten wie Ottendorf nicht vergisst."