Flucht aus Schlesien vor 80 Jahren: Wie ein heutiger Mittelsachse seine Familie verlor

Schicksal Die dramatischen Ereignisse konnte Arnold Skarupke aus Rossau nie vergessen

Rossau. Die kalten Januartage wecken bei Arnold Skarupke immer dramatische Erinnerungen ins Gedächtnis. In diesem Jahr sind es genau 80 Jahre her, dass er sich als Fünfjähriger auf der Flucht aus seiner schlesischen Heimat befand. Er lebte mit seiner Mutter und drei weiteren kleineren Geschwistern in Kraftborn (bei Breslau), der Vater war im Krieg. „Anfang Januar 1945 brachte mich meine Mutter für ein paar Tage zu ihren Eltern in einen Nachbarort, nicht ahnend dass wir uns nie wieder sehen würden“, berichtet der 85-jährige Rossauer mit zitternder Stimme, denn auch heute noch treten ihm die Tränen in die Augen, wenn er aus Kindheitstagen erzählt. Die Front rückte näher und mit ihr auch viele fliehende Menschen. „So beschloss meine Oma mit mir und meiner Tante und deren Sohn mit dem Zug zu fliehen. Mein Opa, ein Eisenbahner konnte nicht mit, er war für den Zugverkehr verantwortlich. Meine Mutter kam auch nicht zurück um mich zu holen, eine Brücke zu unserem Ort war gesprengt und somit gab es kein Durchkommen mehr“, erinnert sich Arnold Skarupke. Keiner wusste wohin und wie lange sie unterwegs sein würden. Mehrmals mussten die Flüchtlinge den Zug wechseln bis sie in Zittau landeten, von dort aus ging es weiter nach Dresden. „Wir beschlossen von unsere Notunterkunft weiter zu ziehen, was unser Glück war, denn einen Tag später wurde Dresden bombardiert“. An den 22. Februar erinnert er sich noch ganz genau. Sie lagerten in Wurzen in einer Aula und es war sein Geburtstag. Er freute sich riesig über sein Geschenk, ein trockenes Brötchen. Endlich trafen sie in Mittweida ein und fanden Unterkunft auf dem kleinen Saal im Volksheim. Bauern aus den umliegenden Ortschaften kamen um Helfer für die Landwirtschaft zu holen. „Wir fuhren mit einem Pferdegespann nach Rossau und meine Oma und Tante arbeiteten dort mit auf dem Hof“. Eines Tages kam ein Mann gelaufen. Die Oma war gerade auf dem Feld und traute ihren Augen kaum. Es war ihr Mann, der Tage später aus Kraftborn geflüchtet war, nicht wissend, wo seine Angehörigen hin gekommen waren. Endstation war Gotha gewesen. Von dort aus lief er los bis nach Mittweida und in die Umgebung. Der Zufall wollte es so, dass sich die Beiden wieder fanden. Sie feierten 1955 Goldene Hochzeit in Rossau. Arnold besuchte die Schule in Rossau, nahm eine Lehre als Vorrichtungsbauer im Werkzeugbau auf. Dann reiste er nach den Westen aus und besuchte 1960 mit einem Freund in Leipzig die Messe. Dabei besuchte er auch Rossau und ging zum Faschingstanz. Dort lernte er seine Christa kennen, die ebenso geflüchtet war und aus dem gleichen schlesischen Ort wie er stammte. Zur Herbstmesse kam er wieder und zog endgültig wieder zurück. 1961 wurde geheiratet und Sohn Ingo kam zur Welt. „Mein ganzes Leben war ich immer auf der Suche nach meinen Geschwistern und dem Schicksal meiner Mutter. In jeder Stadt wo wir Urlaub machten, wälzte ich als erstes immer die Telefonbücher und rief alle Skarupkes an, ohne Erfolg“, so der Senior, der auch im Kontakt steht mit dem Heimatverein Frohburg.

Vor zehn Jahren erhielt er zufällig drei Bücher „Meine Heimat Schlesien“ von Herbert Hupka. „Darin fand ich ein Bild, auf dem Flüchtlinge auf einem Lkw sitzen. Und ich erkannte zuerst meinen Kinderwagen, der zwei unterschiedliche Räder hatte. Daneben meine Mutter und meine die Geschwister. Ich war fassungslos. Allerdings ergaben meine Recherchen beim Verlag, das keiner wusste wo und wer das Foto gemacht hatte“, berichtet der 85-Jährige. Seine Mutter war also auch geflohen aber wahrscheinlich hatte es Keiner überlebt bei eisiger Kälte, -20 Grad herrschten und der LKW war ohne Plane unterwegs. Über den Suchdienst München hatte er noch herausgefunden, dass sein Vater am 12.2.1945 das letzte Mal bei seiner Einheit gemeldet war, danach verliert sich seine Spur.



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