Marko Gränitz hat nicht nur ein paar Kilometer auf dem Tacho - er ist ein Ultraläufer, der 244 Kilometer am Stück läuft. Früher ein Teenager, der rauchte und feierte, heute ein Athlet, der sich Wettkämpfe von 24 Stunden zumutet. Ein Mann, der auf einer 75-Meter-Runde sechs Stunden lang im Kreis lief, der im Ziel kollabierte, 30 Minuten bewusstlos war und am nächsten Tag schon wieder über den nächsten Wettkampf nachdachte. Aber warum tut man sich das an?
Von Auerswalde in die Welt - ein Läufer findet seinen Weg
Marko ist in Lichtenau, Ortsteil Auerswalde, aufgewachsen. Noch heute denkt der 41-Jährige oft an die Strecken, die er dort gelaufen ist. Eine seiner ersten Lauf-Erinnerungen ist ein Wettrennen mit seinem Großvater. "Er hat mich nicht gewinnen lassen. Das finde ich rückblickend gut." Doch ein Ausdauersportler war er damals noch nicht. "Als Teenager habe ich geraucht und auch immer ganz gut gefeiert (und getrunken). Erst bei der Bundeswehr und später beim Studium ging es mit dem Joggen los, es wurde dann mehr und mehr." Das Laufen half ihm schließlich, Anfang 20 mit dem Rauchen aufzuhören.
Heute besucht er seine Eltern mehrmals im Jahr und läuft immer noch auf seinen alten Strecken. Auch bei Wettkämpfen in der Region ist er dabei - zum Beispiel beim SachsenTrail oder dem 3-Talsperren-Marathon in Eibenstock. Beim diesjährigen Kulturhauptstadtmarathon am 18. Mai in Chemnitz möchte er ebenfalls teilnehmen.
Von den ersten Ultras zum ersten Sieg
Den ersten Kontakt mit Ultraläufen hatte Marko 2018, als er längere Distanzen testete. "Ich habe einfach mal längere Läufe ausprobiert und festgestellt, dass es ganz gut klappt, wenn man nicht zu schnell läuft." Dann kam sein großer Moment: Ende September 2018 gewann er seinen ersten Ultralauf - den PfalzTrail über 85 Kilometer. "Es war unbeschreiblich, als Erster ins Ziel zu kommen. Man hat sofort alle Strapazen vergessen!"
Spätestens da war klar: Marko Gränitz ist ein Ultraläufer.
244 Kilometer in 24 Stunden - die extremsten Rennen
Seine bisher längste Strecke: 244 Kilometer in 24 Stunden. Gekämpft, gelitten - und Platz 3 bei der Deutschen Meisterschaft 2022 in Bottrop geholt. "Körperlich habe ich es mit konsequentem, langsamem, kontrolliertem Tempo (5:45 min/km) durchgestanden. Es gab nur ganz kurze Trink- und Pinkelpausen, bin sonst komplett durchgerannt."
Mentale Härte ist in solchen Rennen alles: "Ein 24-Stunden-Lauf ist wegen der zunehmenden Schmerzen auch mental extrem hart. Man will in der zweiten Rennhälfte eigentlich nur noch anhalten und sich hinlegen. Subjektiv vergeht die Zeit deshalb sehr langsam."
Manchmal gewinnt aber der Körper gegen den Kopf. Beim Allgäu Panorama Ultra 2024 ging Marko ans absolute Limit - und darüber hinaus. Bei 30 Grad Hitze verausgabte er sich im Kampf um Platz 3 völlig. Das Ergebnis: Nach 69 Kilometern und 3100 Höhenmetern kollabierte er hinter der Ziellinie, war 30 Minuten bewusstlos und musste mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. "Zum Glück ist dann alles gut ausgegangen!"
Aber es gibt auch die absurden Rennen. Zum Beispiel den improvisierten 6-Stunden-Lauf in einer Turnhalle auf einer 75-Meter-Runde. Geplant war ein Outdoor-Lauf, doch wegen Schneefalls wurde die Genehmigung entzogen. Also liefen die Teilnehmer sechs Stunden lang im Kreis - Richtungswechsel jede Stunde.
Warum tut man sich das an?
Markos Familie fragt sich das manchmal. "Meine Eltern denken, ich übernehme mich (was manchmal auch stimmt). Meine Frau sieht eher den Zeitaufwand, der dann nicht für die Familie verfügbar ist. Aber sonst akzeptiert sie den Sport als normal, schließlich kennen wir uns aus dem Triathlon-Verein und sie läuft auch heute noch."
Seine zweijährige Tochter wächst mit dem Laufen auf. "Für sie ist es jetzt schon normal, dass Mama und Papa regelmäßig joggen gehen. Ich denke, sie wird langfristig ganz automatisch von uns lernen, dass Sport und Bewegung zu einem gesunden Leben dazugehören."
Was kommt als Nächstes?
Ein Traum ist noch offen: Der UTMB - 170 Kilometer um das Mont-Blanc-Massiv mit 10.000 Höhenmetern.
Aber Marko sieht das gelassen: "Ich muss das nicht ‚unbedingt‘ machen. Eine Verbesserung auf 250 km könnte auch noch drin sein, wird aber schwer." Und wie lange will er das noch machen? "So lange, wie mein Körper es mitmacht. Im Idealfall bis zum Ende."
"Immer weiter, zur Not langsamer, aber nicht aufhören"
Beim Ultralaufen geht es nicht nur um Fitness, sondern um mentale Stärke. Was ihn durch die härtesten Momente bringt? "Man muss mit dem Schmerz laufen, nicht gegen ihn. Durch die lange Belastungsdauer lässt er sich sowieso nicht vermeiden, nur managen." Und: "Der stärkste Antrieb ist der Gedanke daran, wie sehr ich es im Nachhinein bereuen würde, jetzt aufzuhören."
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Laufen ist nicht nur Sport. Es ist eine Lebenseinstellung. Und es geht weiter. Immer weiter.