Geringswalde. Mit Rolf Blatter feiert heute ein Schweizer sein 70. Wiegenfest, der nicht nur in unseren Breiten im Motorsport bestens bekannt, sondern inzwischen auch (halb-)sesshaft geworden ist. Von seiner aktiven Zeit ist der Motorrad-Vizeweltmeister von 1979 den sächsischen Fans lediglich von diversen Interrennen im damals sozialistischen Ausland, vornehmlich der einstigen Tschechoslowakei, ein Begriff. Seit er 2004 erstmals mit einem Seitenwagengespann bei den Demonstrationsfahrten für historische Renntechnik auf dem Zschorlauer Dreieck auftauchte, ist er dort sowie bei diversen Klassik-Veranstaltungen auf dem Sachsenring nahezu ein Dauergast.
Exil-Sachse
Doch nicht nur Sachsens Rennstrecke habe es ihm angetan. Parallel zu seinem heimischen Domizil in Burgdorf im Kanton Bern hat sich Rolf Blatter in einem ehemaligen Baugeschäft mit Wohnung und Werkstatt in Geringswalde einen Zweitwohnsitz eingerichtet. "In der Schweiz ist das Leben sehr teuer. In Frankreich oder Spanien müsste ich erst die Sprache lernen, doch hier habe ich viele gute Freunde", erklärt er seine Beweggründe.
Kein Gardemaß für kleine 50er-Maschinchen
Rolf Blatter erblickte also am 18. Februar 1951 das Licht der Welt. In der elterlichen Motorradwerkstatt kam er logischerweise frühzeitig mit schnellen Zweirädern in Kontakt. Mit seinem selbst verdienten Geld stieg er als 20-Jähriger in den Rennsport ein. Nach einem Jahr bei den Junioren legte er sich für 1972 eine der damals äußerst konkurrenzfähigen 50-ccm-Van-Veen-Kreidler zu und wurde auf Anhieb Schweizer Meister.
Bereits ein Jahr später gab er beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim sein WM-Debüt und eroberte als Zehnter sogleich seinen ersten WM-Punkt.
Um mehr Startgeld zu erhalten, trat er ab 1974 parallel dazu mit einer Maico in der Achtelliterklasse an. Eigentlich war er mit seinen damals 1,85 m viel zu groß für die kleinen Hubraumklassen, doch aus monetären Gründen kamen für ihn die größeren Kategorien nicht in Frage. "Ich wog in meiner aktiven Zeit 72 kg, die anderen Spitzenfahrer zwischen 50 und 60 kg. Erst bin ich mangels Geldes bei den 50ern bzw. den 125ern gefahren, später habe ich diese Klassen geliebt."
1976 war sein erstes konstant gutes Jahr. Bei sieben der neun 50er-GP fuhr er in die Punkte und wurde WM-Siebenter. In Opatija im damaligen Jugoslawien holte er zudem als Siebenter seine ersten WM-Punkte in der Achtelliterklasse.
Der größte Erfolg
Nach einer längeren Verletzungspause war 1979 dann sein großes Jahr. Beim Saisonauftakt der "Schnapsglasklasse" in Hockenheim (damals rotierten die Klassen bei den WM-Läufen noch regelmäßig) verfehlte er als Vierter die Podestplätze noch knapp. Beim darauffolgenden Grand Prix in Imola klappte es dann mit Platz zwei hinter Eugenio Lazzarini endlich. Der kleine Italiener gewann vier weitere Male und wurde schließlich verdient Weltmeister. Rolf Blatter wurde bei den insgesamt sieben Saisonrennen zweimal Zweiter und dreimal Dritter, was ihm mit 13 Punkten Rückstand immerhin den Vize-Weltmeistertitel einbrachte. "In dem Jahr habe ich erstmals die Rennerei über Start- und Preisgelder finanzieren und sogar ein bisschen Geld beiseitelegen können. Ein Profi war ich aber nie, sondern habe immer von Montagfrüh an in meiner vom Vater übernommenen Motorradwerkstatt gearbeitet."
An seine 1979er-Erfolge konnte er anschließend nicht mehr ganz anknüpfen. Lediglich 1981 holte er sich, wiederum in der kleinsten Hubraumklasse, als jeweils Dritter in Opatija und in Assen seine Podestplätze sechs und sieben. Ein Grand-Prix-Sieg blieb ihm hingegen weiterhin verwehrt.
Ende 1982 beendete er seine Laufbahn nach einem weiteren schweren Unfall, bei dem er den halben Ringfinger seiner rechten Hand einbüßte. "Außerdem kam da mein Sohn auf die Welt, da habe ich im Wesentlichen aufgehört und bin nur noch ein paar kleinere Rennen, zum Beispiel in der Tschechei, gefahren."
Comeback in Klassik-Szene
Vor einigen Jahren kehrte er bei Klassik-Rennen oder -Demofahrten, die Rolf Blatter "Plausch-Veranstaltungen" nennt, auf die Rennstrecken zurück. Anfangs mit einem NSU-Bullus-Gespann aus eigenen Beständen, später wieder vorzugsweise mit seiner 50er-Kreidler. Einen sehr schönen Sieg feierte er mit dieser 2010 auf dem Sachsenring. Im Rahmen der Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft war auch die Klasse 50ccm Classic am Start. Nach Platz zwei im Sprintrennen am Samstag, konnte er tags darauf das Hauptrennen sogar gewinnen.
Heutzutage dürfen die Motorräder aber altersgerecht schon mal etwas größer sein. So fuhr und gewann zum Beispiel schon drei Mal bei der Classic-TT im tschechischen Horice mit einer 500er-Einzylinder-Ducati von 1968/1970. Zudem rückt der Pensionär und irgendwie auch noch Senior-Chef der Honda-Vertretung und einer Autogarage in Burgdorf wahlweise mit einer Yamaha TZ 250 Baujahr 1987 oder einer gutmütigen Moto3 aus.
Als im ersten Corona-Jahr 2020 nicht viel ging, nutzte Rolf Blatter zumindest eine der wenigen Möglichkeiten und schwang sich mal wieder bei der Moto Trophy in Oschersleben in den Sattel. Diese wird, sofern sie stattfinden kann, auch bei der Neuauflage der ADAC Sachsenring Classic vom 7. bis 9. Mai Bestandteil sein, sodass ein Wiedersehen mit Rolf Blatter nicht auszuschließen ist.