In Deutschland werden immer mehr Menschen Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Um den Betroffenen zu helfen, bietet das Kreiskrankenhaus Freiberg eine kostenfreie "vertrauliche Spurensicherung" an. Dieses Angebot ist unabhängig von einer polizeilichen Anzeige und ermöglicht es, Beweise anonym und gerichtsverwertbar zu sichern.Gewalt betrifft alle Gesellschaftsschichten und kann Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Lebenspartner:innen, ältere und behinderte Menschen betreffen. Die Folgen sind weitreichend und beeinträchtigen die körperliche und seelische Gesundheit der Betroffenen.
Formen der Gewalt
Häusliche Gewalt umfasst seelische, körperliche und sexuelle Misshandlungen, die sowohl in bestehenden als auch in ehemaligen Beziehungen stattfinden können. Sexualisierte Gewalt schließt Nötigung, Vergewaltigung, Missbrauch und alltägliche sexuelle Belästigungen ein. Beide Gewaltformen haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Stabilität der Betroffenen.
Vertrauliche Spurensicherung
Die vertrauliche Spurensicherung ist ein wichtiges Verfahren für Betroffene sexualisierter Gewalt. Es ermöglicht die Sicherung gerichtsfester Beweise, ohne dass sofort eine polizeiliche Anzeige erstattet werden muss. Dies ist besonders wichtig, da viele Betroffene zunächst nicht in der Lage sind, eine Entscheidung über eine Anzeige zu treffen. Schock, Angst und Scham nach der erlebten Gewalt erschweren diese Entscheidung zusätzlich. Die Untersuchung selbst stellt oft eine psychische Belastung dar.
Unterschied zur polizeilichen Spurensicherung
Im Unterschied zur herkömmlichen Spurensicherung durch die Polizei können Betroffene die Spuren anonymisiert und ohne Anzeige aufnehmen lassen. Dies senkt die Hemmschwelle und ermöglicht es ihnen, später auf die gesicherten Daten zurückzugreifen, wenn sie bereit dafür sind. Eine eventuell notwendige medizinische Versorgung hat dabei Vorrang.
Aktueller Stand in Deutschland und Sachsen
Seit 2018 ist Deutschland durch die Istanbul-Konvention verpflichtet, Betroffene nach sexualisierter Gewalt umfassend zu unterstützen. Das Recht auf vertrauliche Spurensicherung wurde 2020 durch eine Reform des Sozialgesetzbuches V eingeführt. Seitdem übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten für die vertrauliche Spurensicherung. Allerdings variiert die Umsetzung des Gesetzes je nach Bundesland. Nicht alle Regionen bieten flächendeckende Anlaufstellen und viele Einrichtungen haben abends und an Wochenenden keine Versorgung. Zudem fehlt es an flächendeckender Aufklärung über das Angebot, sodass viele Betroffene nichts von ihrem Recht wissen.
Es gibt weitere Probleme: Für privat Versicherte, Asylbewerbende und Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern gibt es bisher keine Lösung. Diese Betroffenen müssen die Kosten möglicherweise selbst tragen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Versorgung nach Misshandlung und sexualisierter Gewalt adäquat geregelt ist. Berichte aus der Gesundheitsversorgung und Fachberatungsstellen sowie Betroffenenberichte belegen jedoch einen weiterhin bestehenden Bedarf. Viele Kliniken und Praxen bieten keine umfassende Ersthilfe und es gibt lange Wartezeiten in Notaufnahmen. Die Analyse von K.O.-Tropfen muss innerhalb von 6-8 Stunden erfolgen, eine HIV-Prophylaxe sollte innerhalb von 2 Stunden begonnen werden, spätestens aber nach 48 Stunden.
Medizinische Erstversorger sind oft nicht ausreichend sensibilisiert und verweisen Betroffene fälschlicherweise darauf, zunächst eine polizeiliche Anzeige zu machen.
Angebote in Sachsen
Im Freistaat Sachsen bieten das Elisabethkrankenhaus in Leipzig, das Kreiskrankenhaus Torgau und die "Gewaltopferambulanzen" der rechtsmedizinischen Institute in Dresden und Leipzig medizinische Soforthilfe und anonyme Spurensicherung an. Die Zahl gemeldeter Straftaten häuslicher Gewalt ist in Sachsen gestiegen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2023 eine Zunahme um 13,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Landkreis Mittelsachsen betrug die Zunahme 9,3 Prozent.
Krankenhäuser sind eine erste und wichtige Anlaufstelle für Betroffene. Daher haben die Kinderklinik, die Frauenklinik und die Zentrale Notaufnahme des Kreiskrankenhauses Freiberg ein einheitliches Vorgehen zur Unterstützung von Gewaltopfern erarbeitet. Sie arbeiten eng mit den rechtsmedizinischen Instituten Leipzig und Dresden zusammen. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des Kreiskrankenhauses Freiberg.
Weitere Unterstützung
Zur psychologischen Unterstützung und zur Klärung der Frage, ob Betroffene eine Anzeige bei der Polizei stellen sollen, stehen spezialisierte Beratungsstellen zur Verfügung, wie die Koordinierungs- und Interventionsstelle zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und Stalking (KOINS) in Freiberg oder Bellis e.V. in Leipzig.