Zschorlau. Viele Weltmeister hat der 1. Auer MSC in den vergangenen Jahren zu seinem alljährlichen Zschorlauer Dreieckrennen in die beschauliche Kleinstadt im Westerzebirge gelockt. Als man 2005 das Jahrestreffen des MV-Agusta-Clubs-Deutschland im Brauereigutshof Wernesgrün ausrichten durfte, war der Italiener Carlo Ubbiali einer von zahlreichen namhaften Ehrengästen. 2009 kam er fast 80-jährig noch einmal ins Westerzgebirge, um den alljährlichen Demonstrationsfahrten für historische Renntechnik beizuwohnen. Zwar schwang er sich damals nicht mehr in einen Rennsattel, doch als Stargast drückte er der Veranstaltung sehr wohl seinen Stempel auf. Am heutigen 2. Juni verstarb der neunfache Ex-Weltmeister aus Italien im Alter von stolzen 90 Jahren.
Verspäteter Karrierebeginn
Carlo Ubbiali erblickte am 22. September 1929 im italienischen Bergamo das Licht der Welt. Als er ins damals übliche Rennfahreralter kam, verhinderte der Zweite Weltkrieg den Beginn seiner Karriere. Nach Beendigung des Irrsinns machte er sich zunächst in Italien einen Namen und war danach bei der 1949 eingeführten Motorrad-Weltmeisterschaft von Beginn an dabei. Der allererste WM-Lauf der Geschichte war die Tourist Trophy auf der Isle of Man, wo es lediglich in drei der fünf Klassen (Lightweight TT = 250 ccm; Junior TT = 350 ccm und Senior TT = 500 ccm) um Punkte zur neuen Grand-Prix-Serie ging. Die 125er folgte erst am 3. Juli im schweizerischen Bern, wo Carlo Ubbiali mit einer MV Agusta an den Start ging. Mit Platz vier kann man seinen Einstand durchaus als gelungen bezeichnen, und schon beim nächsten Lauf im holländischen Assen stand Carlo Ubbilai als Dritter das erste Mal auf dem Podest. Beim dritten und letzten Lauf im heimischen Monza sah er keine Zielflagge, so dass er sich in der Gesamtwertung mit Rang vier begnügen musste.
Auch 1950 umfasste die 125er-WM lediglich drei Läufe, bei denen Carlo Ubbiali zweimal punktete. Zunächst beim Ulster-Grand-Prix im nordirischen Belfast, wo er eigentlich seinen ersten Grand-Prix-Sieg feiern konnte. Dieses kuriose Rennen wurde schließlich nicht zur WM gewertet, da lediglich zwei Fahrer ins Ziel kamen - er und sein Markenkollege bei FB Mondial, Bruno Ruffo. Der Grand-Prix-Sieg als solcher wurde ihm hingegen sehr wohl gutgeschrieben. In Monza wurde er danach Zweiter hinter Gianni Leoni, ebenfalls auf einer FB-Mondial. Ruffo reichte Platz vier, um Weltmeister vor Leoni und Ubbiali zu werden.
Erster WM-Titel 1951
Auch 1951 gehörte Carlo Ubbiali zum Mondial-Rennstall, gewann nach zwei zweiten Plätzen und zwei Ausfällen das Finale in Monza und sicherte sich damit seinen ersten WM-Titel. 1952 waren dann die MV Agusta fast nicht zu schlagen, so dass Ubbiali hinter dem britischen MV-Piloten Cecil Sandford Vizeweltmeister wurde.
1953 wurde auch er von MV Agusta verpflichtet, doch standen ihm damals die übermächtigen westdeutschen NSU von Werner Haas (BRD) und Rupert Hollaus (Österreich) im Weg.
1955 gewann er seine zweite Weltmeisterschaft gegen starke Konkurrenz im eigenen Haus, wie zum Beispiel Luigi Taveri aus der Schweiz. Ebenfalls 1955 wurde er in der WM Doppelstarter und trieb nun beim Saisonfinale in Monza auch die 250er-MV zum Sieg.
Ein Jahr später trat er regelmäßig in den beiden kleinen Klassen an und wurde am Ende in beiden World Champion.
1957 reichte es nur zu den Endplatzierungen drei und fünf, doch 1958 führte in der Achtelliterklasse wieder kein Weg an ihm vorbei. In der Viertelliterkategorie reichte es immerhin zu Endrang drei hinter seinem Stallgefährten Tarquinio Provini und dem Karl-Marx-Städter Horst Fügner auf einer MZ.
1959 und 1960 wurde der kleine Italiener wieder jeweils Doppelweltmeister. Ende der Saison 1960 zog sich der ruhige und bescheidene Carlo Ubbiali nach dem Tod seines Bruders, der ihn stets zu den Rennen begleitete, vom aktiven Rennsport zurück. Neun WM-Titel und 39 Grand-Prix-Siege hatte er erkämpft, was ihn zum größten Fahrer diese Ära machte, der erst von Mike Hailwood und Giacomo Agostini abgelöst wurde. Elf Jahre war der Chinese, so sein Spitzname auf Grund seiner kleinen und schlanken Gestalt, also aktiv. Das Geheimnis seines Erfolges war sicherlich, dass er ein großer Stratege und besonnener Taktiker war. Stets fuhr er mit kalkuliertem Risiko und fast nie über dem Limit. R.i.P. Carlo Ubbiali. (th)