Babygeschrei am Terminal: Wenn Corona den Urlaub unfreiwillig verlängert

Yannicks Philosophien Corona-Krise Eindrücke aus Thailand

Yannicks Philosophien

Die Corona-Krise hat, wie man mittlerweile leider so sagen muss, die ganze Welt im Griff. Nur wenige Länder können sich noch als ein virusfreies Land betiteln, wenngleich dieses Prädikat in der erfahrungsgemäßen Dynamik momentaner Ereignisse von kurzer Dauer sein kann. Mundpropaganda hat in diesen Tagen einen tragenden Anteil in der zwischenmenschlichen Kommunikation, der ständige Präsenz des Themas in der deutschen Medienlandschaft geschuldet.

Doch - was ist wahr, was ist falsch? Wie viel Sorgen und Vorkehrungen sind angebracht? Die einfache Antwort lautet: Ich weiß es nicht - und soweit es die Neuartigkeit dieser Bedrohung betrifft - auch viele andere nicht. Deshalb erscheint es oft richtig, Vorsicht statt Nachsicht zu üben. Sitzt man sicher im trauten Heim, im besten Fall umgeben von den Liebsten, erträgt sich solch eine Maßnahme sicherlich leicht. Was aber geht im Menschen vor, wenn er gezwungen ist, in einem fremden Land zu bleiben, obwohl der Urlaub längst vorbei sein sollte?

Mittendrin statt nur dabei

Genau in dieser Situation habe ich mich vor einer Woche noch selbst wiedergefunden. Jegliches Zwicken und Blinzeln half nichts, es war kein Traum. Ich war längst aufgewacht, starrte auf mein Handy und las die Nachricht, die viele unheilvoll prophezeiten, ich in meinem jugendlichen Leichtsinn bis dahin aber einfach ignorierte: "Your flight has been cancelled." (Ihr Flug wurde abgesagt. Bitte kontaktieren Sie unseren Kundenservice.) Dass dieser nicht zu erreichen war, muss an dieser Stelle wohl nicht betont werden. Viele werden nun sagen, ich sei es selbst schuld, man hätte es wissen können. Ich antworte dann: Nein, nicht zwangsläufig. Bei Abreise war die Krise in solcher Dramatik noch längst nicht da, außerdem hatte ich mich (vermeintlich) vorbereitet, ich buchte eine der renommiertesten und größten Airlines, mit der gefährlichen Annahme, sie seien die letzten, die solche Schritte gehen würden.

Falsch gedacht. Mein Flug wurde zwei Tage vor geplanter Abreise gestrichen. Die bis dahin harmonische und weitgehend unberührte Idylle der tropischen Insel wurde durch nun noch mehr panische Touristen, deren Flug kurzfristig ins Wasser fiel, zerstört. Ich blieb weiter hin ruhig, denn ich hätte zu dem Zeitpunkt auch akzeptiert, einfach in Thailand zu bleiben. Ich bin jung, gesund und fidel - was soll mir passieren?

Alleine sein, zum Beispiel. Meine Reisegefährten ließen sich durch den Druck aus der Heimat anstecken und wollten sofort zum nächstgelegenen Flughafen. Wir hatten uns zwar frühzeitig auf die Liste des Auswärtigen Amts für eine mögliche Rückholaktion eingetragen, sahen darin aber keine Hoffnung in naher Zukunft. Ich folgte also, wir reisten ab, mit Mundschutz und Sorge, denn auch in Thailand fingen die Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung an. Mein Korsett der Unbekümmertheit fing an zu bröckeln. Noch war ich jung, gesund und fidel.

Alleine unter Vielen

Am Flughafen in Phuket angekommen erwarteten uns viele deutsche und europäische Touristen: Familien, junge Leute, Pauschalreisende. Wir mittendrin. Online gab es zu diesem Zeitpunkt schon kaum mehr bezahlbare Flüge, einige große Airlines hatten sich, wie ich selbst leidvoll erfuhr, bereits vorher aus dem Staub gemacht. Rückerstattungen und ein Haufen Flüche lohnten sich aus ökonomischer Sicht wohl mehr, als leere Flugzeuge zurückzubringen.

Einige Airlines flogen jedoch noch. Die Schalter dieser waren, wie zu erwarten war, hoffnungslos überfüllt. Kam man am Schalter an, hieß es: " Es sind kaum noch Flüge da. Sie wollen nach Deutschland? Kopenhagen und London ginge noch." Flüge nach Deutschland gab es zwar durchaus, aber diese waren nun wirklich nicht mehr bezahlbar. Selbst wenn sie es waren, wollte es nicht in meinen Kopf - 2000€ für einen One-Way-Ticket? Grausamkeit oder notwendig? Na gut, ich wollte mich nicht beschweren. Einige von uns waren zwar Studenten, hatten aber Familie, die aushalf, sollte es notwendig werden. Was ich aber nicht begriff: Familien mit Kleinkindern standen um uns herum, verzweifelt, teils mit dem vierten gebuchten Flugticket in der Hand, dass nun auch kurz davor stand, storniert zu werden. Die deutsche Botschaft vor Ort (in Form eines einzigen Mannes) informierte Hilfesuchende: Findet einen kommerziellen Flug und verlasst das Land. Eine Rückholaktion ist nicht geplant, Thailand gilt nicht als Risikogebiet.

So ging es dann weiter - Flüge Online suchen, vor Ort nachhaken, auf eine Rückholaktion hoffen. Online-Flüge waren häufig längst nicht mehr aktuell oder mit fragwürdigen Transitaufenthalten bestückt. Was tun? Das fragten sich auch viele Familien vor Ort. Babygeschrei und gezückte Kreditkarten. Hoffnungslose Gesichter.

Viele fanden dann noch einen Flug, bevor auch die letzten Airlines ihren Betrieb einstellten. Viele bezahlten einen Haufen Geld, ohne Rücksicht auf Verluste hieß es: Hauptsache nach Europa. Darunter zählten auch wir. Eine nicht geringe Summe wurde auf den Tisch gelegt, um bis nach Kopenhagen zu gelangen und dann nach einem zwölf Stunden Flug des Flughafens verwiesen zu werden. Wir sollten uns sofort auf den Heimweg machen, das Land besser früher als später verlassen. Leider fuhr erst acht Stunden später ein Zug über die deutsche Grenze, Hotels oder Hostels hatten zu, ebenso wie Warteräume im Hauptbahnhof. Nach acht Stunden Kälte durften wir dann endlich Zug fahren und zehn Stunden später Chemnitz erreichten. Pleite, am Ende und mit erstaunlich wenig guten Gedanken an einen Urlaub im Paradies, der durch darauffolgende Ereignisse getrübt war. Ich war sauer. Auf mich und meine Naivität, aber auch auf die Airlines, die nicht nur Flüge mehr als kurzfristig strichen, sondern darüber hinaus die Notlage vieler Touristen ausnutzen und Preise verlangten, die ein normaler Mensch niemals bezahlen würde.

Und die Moral von der Geschichte?

Wir waren dort aber keine normalen Menschen, sondern Gestrandete, die Respekt vor einer bevorstehenden Katastrophe in einem fremden Land hatten. Es war eine Lektion und vielleicht auch eine Geschichte, über die ich irgendwann lachen werde. Aber noch nicht jetzt. Denn gerade erreicht mich die Email, dass für diese Woche spontan eine Rückholaktion aus Thailand geplant ist, obwohl dies zuvor nicht in Aussicht stand. Panik und Emotionen sind oft keine guten Ratgeber. Deshalb bleibe ich jetzt ruhig und genieße die Sicherheit der eigenen vier Wände.

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