"Diktatursozialisiert"? Merkel und Co. kritisieren Aussagen von Marco Wanderwitz

Politik Wie steht es um die Demokratie im Osten?

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Region. Mit seinen Aussagen in einem Podcast der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sorgte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), jüngst für Aufsehen. Ein Teil der Menschen in Ostdeutschland sei in einer Form "diktatursozialisiert", so dass sie auch über 30 Jahre nach der Einheit nicht in der Demokratie angekommen seien, sagte der 46-Jährige vergangene Woche. Bei Menschen in Ostdeutschland sehe er außerdem eine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien, so Wanderwitz. Bei einem Treffen der ostdeutschen Regierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel stießen die Äußerungen am Mittwoch auf deutliche Kritik, fanden aber auch Zustimmung.

Wanderwitz: "Brandmauer möglichst hoch ziehen"

Marco Wanderwitz zeigte sich überrascht über die große Aufregung, denn "genau diese Diskussion führen wir mittlerweile zum dritten Mal seit ich Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer bin", sagte er in einem Interview mit der Rheinischen Post und legte nach: "Ein nicht unerheblicher Teil der AfD-Wähler ist leider dauerhaft für die Demokratie verloren." Es gebe da keinen Lösungsansatz mehr, außer die Brandmauer möglichst hoch zu ziehen. In Sachsen-Anhalt, wo am Sonntag gewählt wird, liegt die AfD zwischen 23 und 26 Prozent. Wer es mit Demokratie, Rechtsstaat und Grundgesetz ernst meine, könne aber keine rechtsradikale Partei wählen, so Wanderwitz. Auf die Frage, warum so wenige Politiker in der CDU so klare Worte zum Osten finden, antwortete der Ostbeauftragte: "Naja, Sie sehen ja, wie unbeliebt man sich damit auch macht."

Merkel: "Jede Bürgerin und jeder Bürger zählt"

Angela Merkel lobte am Mittwoch beim Treffen mit den Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder zwar die "sehr gute Arbeit" von Marco Wanderwitz, ging aber zugleich auf Distanz zu dessen Äußerungen, wonach AfD-Wählerinnen und -Wähler teils dauerhaft für die Demokratie verloren seien. "Meine Herangehensweise ist immer die, dass in einer Demokratie jede Bürgerin und jeder Bürger zählt". Wenn sich Menschen von der Demokratie abwenden, sei das ein Verlust für das Gemeinwesen und mache das Zusammenleben schwieriger. "Aber ich werde mich nie damit abfinden, dass man das als gegeben hinnimmt, sondern immer weiter dafür arbeiten, auch wenn es manchmal lange dauert und langen Atmen verlangt, jeden auch wieder für die Demokratie zu gewinnen", so die Kanzlerin. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz Ost, halte es für falsch, Menschen "unter Generalverdacht" zu stellen. Woidke lehne es zudem ab, dass beim Thema Rechtsextremismus nur mit dem Finger auf den Osten gezeigt werde. Es solle nicht so getan werden, "als wäre in Westdeutschland die Welt in Ordnung". Rechtsextremismus sei eine Herausforderung für Gesamtdeutschland.

Kretschmer: "Diskursfähig bleiben"

Auch Sachsens Ministerpräsident betonte in einem Interview des ZDF-heutejournal, dass die Abkehr von der Demokratie eines Teils der Bevölkerung in anderen Teilen Deutschlands und Europas auch nicht anders sei. Man könne nie alle erreichen, weiß auch Michael Kretschmer, der diese Bürgerinnen und Bürger aber nicht von vornherein aufgeben will: "Gerade für mich galt immer, wir sprechen mit Jedem", so Kretschmer. "Es ist wichtig zu zeigen, dass niemand verloren ist - nicht die ländlichen Regionen und vor allem nicht die ostdeutschen Bundesländer insgesamt." Man müsse diskursfähig bleiben. Aber es gebe auch Grenzen, die dort sind, wo der Staatsanwalt eingeschaltet werden muss.

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