Energiekosten: "Es geht um die blanke Existenz!"

Handwerk Betriebe bitten wegen Kostenexplosion um staatliche Hilfe

Die aktuelle Kostenexplosion für Gas, Strom, Öl und Treibstoffe macht nicht nur Privathaushalten zu schaffen. Auch die Wirtschaft leidet. So weist beispielsweise die Handwerkskammer Chemnitz eindrücklich darauf hin, dass die extrem gestiegenen Kosten für Energie eine ernsthafte Gefahr für die Betriebe des Handwerks und auch deren Kunden sowie Lieferketten darstellen. Täglich melden sich bei der Kammer, den Kreishandwerkerschaften und Innungen Betriebe aus dem Kammerbezirk, die die angespannte Lage schildern und um dringende staatliche Hilfen bitten.

Wenn der Bäcker um die Ecke dicht machen muss

So berichtet der stellvertretende Innungsobermeister der Bäckerinnung Freiberg, Dennis Kästner: "Lohnsteigerungen von 20 Prozent, Rohstoffpreise, die sich verdoppeln und Energie, die zum Luxusgut wird - wenn das so weiter geht, werden Grundnahrungsmittel für viele unbezahlbar und den Bäcker um die Ecke wird es nicht mehr geben!" Tom Thieme, Inhaber der Textilpflege Thieme aus Zwickau, die über 400 Firmenkunden betreut und 16 Annahmestellen betreibt, erklärt: "600 Prozent Gas-Preissteigerung bei uns innerhalb von acht Monaten. Wer soll sich das am Ende noch leisten können? Die Preise werden wir anheben müssen, um zumindest einen Teil der Energiekosten auszugleichen."

"Es geht um die blanke Existenz!"

Karsten Woithe ist Inhaber von Karosseriebau Woithe aus Chemnitz und berichtet von großen Existenzsorgen in seiner Branche: "Allein das Heizöl zum Beheizen unserer Lackierkabine ist um über 100 Prozent teurer geworden. Und die Explosion im Bereich Stromkosten steht bevor. Für einige Betriebe aus unserer Branche geht es um die blanke Existenz!" Das sieht auch Jörg Zimmermann, Geschäftsführer der GAZIMA Galvanische Veredelung Zimmermann GmbH aus Grünhain-Beierfeld so. Er betreibt in vierter Generation ein besonders energieintensives Unternehmen und hat in der Vergangenheit hunderttausende Euro in Energieeffizienzmaßnahmen und Umweltschutz investiert. Er sagt aber auch: "Die Preise für Gas und Energie haben sich verdoppelt, Chemiepreise sind um bis zu 150 Prozent gestiegen. Galvanik ist energieintensiv und dennoch nachhaltig. Ohne Oberflächenveredelung wird die Zukunft verrosten!"

Friseur-Salons: Mindestlohn kommt noch dazu

Fünf Friseur-Salons betreibt die le figaro Friseur GmbH in Plauen. Seit 1958 gibt es den Betrieb. Geschäftsführerin Helga Schwarzer beschreibt die Situation: "Mindestlohn, Materialkostenerhöhung und dann die Energiepreisexplosion - uns trifft die Preissteigerung von allen Seiten. Ob sich die Menschen das noch regelmäßig leisten können, ist die Frage. Schwarzarbeit wird damit gefördert."

Keine Tabus bei der Frage nach Energieträgern

Für die Handwerkskammer Chemnitz steht fest, dass jetzt gehandelt werden muss, um die Betriebe zu retten. Eine Umlagefinanzierung zur Rettung angeschlagener Unternehmen lehnt die Kammer ab. Die Beschaffung und Bereitstellung von Energie gehöre zur Daseinsvorsorge. "Um Energiesicherheit und die Versorgung mit Rohstoffen zu gewährleisten, müssen alle in Frage kommenden Energieträger geprüft werden. Es darf keine durch Parteiprogramme vorgebebenen Tabus geben." Zudem müsse es staatliche Hilfen für die energieintensiven Betriebe des Handwerks geben. Gleichzeitig pocht die Kammer auf eine faire und langfristige Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. "Denn Energie muss bezahlbar bleiben!"

Paradox: Gaskraftwerke produzieren mehr Strom als im Vorjahr

Die Kammer stellt auch die Preisbildung auf dem Strommarkt infrage. Diese müsse muss auf eine neue Grundlage gestellt werden. "Strom, der in mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken erzeugt wird, darf nicht alleinig zur Preisbildung herangezogen werden." Hintergrund: Hinter dem Strompreis steckt ein komplizierter Mechanismus. Einer der wichtigsten Gründe für die hohen Strompreise ist, dass Deutschland derzeit viel Strom ins EU-Ausland exportiert. So ist zum Beispiel Österreich auf Einfuhren angewiesen, weil Wasserkraftwerke aufgrund der trockenen Flüsse weniger Strom bringen als sonst. Und in Frankreich sind zahlreiche Atomkraftwerke ausgefallen - zum Teil ebenfalls wegen der Trockenheit, aber auch wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten. Um die Exportmenge sicherstellen zu können, wurde in den vergangenen Wochen - paradoxerweise - die Stromproduktion aus Gaskraftwerken erhöht. Im Juli waren das 13,5 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das Problem dabei: Der hohe Gaspreis zieht den Strompreis mit nach oben.

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