Grippe: Die vergessene Gefahr?

Gesundheit Experten sehen im Winter zwei Wellen auf Deutschland zukommen: Grippe und Corona

Alles dreht sich um Corona, dabei gerät eines ganz in Vergessenheit: die Grippe. Im vergangenen Jahr ist die Grippe-Welle nicht zuletzt aufgrund der vielen Schutz- und Hygienemaßnahmen ausgeblieben. In diesem Jahr könnte das anders sein, wie einige Experten befürchten. Vor allem Kleinkinder könnten vermehrt betroffen sein, weil sie aufgrund des Lockdowns weniger Viren ausgesetzt waren. Ihr Immunsystem startet sozusagen jungfräulich in den Winter 20121/22.

Grippeimpfung bei Grunderkrankungen empfohlen

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Grippe unter anderem für Personen, die bei einer Grippeerkrankung ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Folgen haben. Dazu gehören Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung durch ein Grundleiden, wie zum Beispiel chronische Atemwegserkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes oder andere Stoffwechselkrankheiten. Komplikationen wie beispielsweise Lungenentzündungen treffen besonders Kinder mit geschwächtem Immunsystem oder solche, die bereits an Lungen- oder Herzkrankheiten leiden. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, hat jüngst mehr öffentliche Unterstützung für Grippe-Impfungen gefordert. Schließlich entlaste auch diese Immunisierung das Gesundheitssystem. "Das Wichtigste für den zweiten Corona-Herbst wird sein, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, und das nicht nur gegen das Coronavirus, sondern auch gegen die Grippe", sagte Weigeldt am Dienstag im Gespräch mit der Rheinischen Post. Die Influenza-Impfung dürfe keineswegs vergessen werden, auch sie trage entscheidend zum Schutz der Bevölkerung wie auch zur Entlastung des Gesundheitswesens bei. "Es muss daher alles daran gesetzt werden, dass auch hier den Praxen logistisch wie organisatorisch keine Steine in den Weg gelegt werden."

Wie wirksam sind die Grippe-Impfstoffe?

Laut Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), lässt sich die Wirksamkeit der Grippe-Impfstoffe für die anstehende Saison jedoch kaum abschätzen. "Die Datenbasis, auf der der Impfstoff erarbeitet wurde, ist nicht so gut wie die Datenbasis der Vorjahre", sagte Lothar Wieler zum Start der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) am Sonntag in Berlin. Grund: In jeder Influenza-Saison kursieren andere Virusvarianten, Impfstoffe müssen deshalb jährlich angepasst werden. Grundlage bildet ein weltweites Überwachungsnetzwerk. Wegen der Corona-Pandemie sei aber zum einen ein Teil dieses Systems zusammengebrochen, erklärte Wieler. Zudem habe es im Zuge der Schutzmaßnahmen vielfach weit weniger Influenza-Fälle gegeben. Das mache Rückschlüsse auf die in dieser Saison am stärksten kursierenden Grippestämme schwierig. Für Deutschland hatte das Robert-Koch-Institut im vergangenen Winter nur einige Hundert im Labor bestätigte Fälle erfasst - die wohl schwächste Grippe-Saison seit Jahrzehnten. 2019 waren es noch mehr als 180.000 Fälle.

Wieder mehr Atemwegsinfektionen im Winter?

Hauptgrund für das Ausbleiben waren die geltenden Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht, Mindestabstände, Homeoffice und Schulschließungen. In diesem Jahr sind die Maßnahmen deutlich reduziert. Ob es deshalb zu einer starken Grippewelle kommt, lässt sich laut Wieler noch nicht abschätzen. "Wenn wir eine Influenza-Welle bekommen, kommt sie obendrauf auf die vierte Corona-Welle." Krankenhäuser bereiteten sich auf dieses Szenario bereits vor. Generell sei zu befürchten, dass es in den kalten Monaten wieder zu deutlich mehr Atemwegsinfektionen kommt und somit zu einer entsprechenden Belastung für die Krankenhäuser. Schutzmaßnahmen wie das Masketragen sollte man deshalb den gesamten Winter über beibehalten, rät das RKI.

Gleichzeitige Impfungen gegen Corona und Grippe

Da in vielen Bundesländern bereits die Auffrischungsimpfungen laufen, stellt sich vielen die Frage, ob man sich gegen beides - Grippe und Corona - gleichzeitig impfen lassen kann. Laut Einschätzung des STIKO-Chefs sei das unbedenklich. Thomas Mertens sagte am Dienstag "MDR Aktuell", es gebe keine Hinweise darauf, dass einer der beiden Impfstoffe dann nicht mehr wirke. Eine einmalige Grippeimpfung - am besten im Oktober oder November - bietet in der Regel ausreichend Schutz für die gesamte Grippesaison. Kinder können bereits ab einem Alter von 6 Monaten gegen Grippe geimpft werden.

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