Hoffnung Herdenimmunität: Ist dann wirklich alles vorbei?

Corona Wie viele Menschen müssen geimpft sein, um zur Normalität zurückzukehren?

Wenn die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist, dann endet die Pandemie und damit auch die Corona-Maßnahmen. So dürften die Hoffnungen der meisten Menschen aussehen. Aber ist dem wirklich so? Zunehmend machen Experten deutlich, dass es nicht ganz so einfach ist. Einige von ihnen bezweifeln gar, dass diese Herdenimmunität beim Coronavirus überhaupt zu erreichen ist. Auch dass das Virus je ausgerottet werden kann, gilt inzwischen als äußerst unwahrscheinlich.

Was bedeutet Herdenimmunität?

Im Zusammenhang mit Corona ist damit gemeint, dass ausreichend viele Menschen nach Impfung oder durchgemachter Infektion immun geworden sind, was die Ausbreitung des Erregers stark abbremst. Denn das Virus kann von Geimpften oder Genesenen nicht mehr oder nur sehr selten übertragen werden - so die Vorstellung. Von diesem Schutz durch die Gemeinschaft profitieren dann Menschen, die noch nicht geimpft sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Charité-Virologe Christian Drosten machte Anfang Juni gegenüber des Schweizer Online-Magazins "Republik" jedoch klar: "Das war von Anfang an ein Missverständnis, wenn man das so aufgefasst hat, dass Herdenimmunität bedeutet: 70 Prozent werden immun - egal jetzt, ob durch Impfung oder Infektion -, und die restlichen 30 Prozent werden ab dann keinen Kontakt mehr mit dem Virus haben."

Wann ist ist die Herdenimmunität erreicht?

Das kann niemand genau sagen, weil die Rate je nach Krankheit variiert. Bei den hochansteckenden Masern gelten zum Beispiel 95 Prozent als Schwellenwert. Das heißt, es müssten 95 von 100 Menschen geimpft oder von der Krankheit genesen sein, um die restlichen fünf dadurch zu schützen. Beim Corona-Virus schätzen Experten diesen Wert anfangs auf etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Bei dieser Annahme ging man allerdings davon aus, dass ein Infizierter im Schnitt drei Menschen ansteckt, wenn keine Maßnahmen in Kraft sind. Das änderte sich mit den Mutationen, die ansteckender sind als die ursprüngliche Variante. Die in Deutschland (noch) vorherrschende Variante Alpha wird im Schnitt auf mehr Menschen übertragen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht deshalb von mehr als 80 Prozent Geimpften und Genesenen aus, die notwendig sind, um weitgehend auf Maßnahmen und Regeln verzichten zu können.

Mit "Delta" ändert sich wieder alles

Seit einigen Wochen ist die Delta-Variante, die im Dezember 2020 zuerst in Indien nachgewiesen wurde, weltweit auf dem Vormarsch. Diese ist noch ansteckender als die Alpha-Variante, weshalb Experten mittlerweile einen Schwellenwert von mindestens 85 Prozent für realistisch halten. Das Problem: Um diese Zahl zu erreichen, müssten auch Kinder mit geimpft werden. Für Kinder unter 12 Jahren gibt es aber derzeit noch keinen zugelassenen Impfstoff und für Minderjährige keine allgemeine Impfempfehlung.

Und wenn der Schwellenwert irgendwann doch erreicht ist?

...dann wird es trotzdem noch Infektionen geben. Aber es sei davon auszugehen, dass bei einer Immunität von weit mehr als 80 Prozent schwere Verläufe und Todesfälle zum großen Teil verhindert werden, informiert das RKI. Institutschef Lothar Wieler mahnte sogar: "Wer sich gegen eine Impfung entscheide, der werde sich früher oder später anstecken." Hinzu kommt: Die Immunität bei SARS-CoV-2 hält nicht ein Leben lang. Der Schutz lässt mit der Zeit nach - sowohl bei Genesenen als auch bei Geimpften. Über die Dauer lässt sich allerdings noch nichts Sicheres sagen. Sicher ist nur, dass Auffrischimpfungen in Zukunft notwendig sind. Eine schwer zu kontrollierende Ausbreitung mit Lockdown-Maßnahmen dürfte es bei einer hohen Impfquote laut Experten künftig aber nicht mehr geben.

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