"Kostenexplosion kann kein Unternehmen dauerhaft tragen"

Interview mit dem Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz Hans-Joachim Wunderlich

BLICK-Redakteur Jürgen Sorge hat den Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz Hans-Joachim Wunderlich im Interview zur Situation der Wirtschaft und des Gewerbes in der Region Chemnitz nach zwei Jahren Pandemie befragt.

Zwei Jahre nach Beginn der weltweiten Corona-Pandemie, die mehrere Lockdowns erforderlich machte, ist nun eine gewisse Entspannung zu verzeichnen - auch im Bereich von Handel und Gewerbe. Wie stellt sich die derzeitige Situation aus Ihrer Sicht in den fünf Regionen der IHK Chemnitz dar?

Antwort: Die wirtschaftliche Lage ist je nach Branche sehr differenziert. Gründe dafür liegen jedoch nicht nur in den direkten Auswirkungen von Lockdowns und anderen einschränkenden Maßnahmen im Zuge der Coronapandemie. Als Stichworte seien u. a. genannt unterbrochene Lieferketten, Chipmangel, Energiepreise, Ukrainekonflikt.

 

Wie haben sich die staatlichen Hilfen während der Pandemie auf Ihre Mitgliedsbetriebe ausgewirkt? Was lief Ihrer Meinung nach gut? Womit waren Sie nicht zufrieden?

Antwort: Die Maßnahmen wirken insgesamt stabilisierend auf die Wirtschaft. Jedoch wurden einige von uns mehrfach angemahnte Aspekte nicht oder zu spät beachtet. Eine große Last für die inhabergeführten Unternehmen war beispielsweise der fehlende Unternehmerlohn, der nur zum Teil durch das aktuelle Landeszuschussprogramm kompensiert wird. Sehr gut lief und läuft die Bearbeitung des Kurzarbeitergeldes durch die Agenturen.

 

Besonders von den Lockdowns betroffen waren der Non-food-Einzelhandel und das Hotel- und Gaststättengewerbe. Wie schätzen Sie die Situation in diesen Bereichen ein? Liegen Ihnen konkrete Zahlen vor, wie viele Einzelhandelsgeschäfte beziehungswiese Hotel- und Gaststättenbetriebe Insolvenz anmelden mussten, beziehungsweise mit wie vielen Schließungen rechnen Sie?

Antwort: In den konsumtiven Branchen gab und gibt es sehr unterschiedliche Betroffenheitsgrade durch die Pandemie. So verzeichneten z. B. der Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Apotheken, der reine Onlinehandel, die Fahrradhändler oder im ersten Krisenjahr 2020 die Baumärkte in den meisten Fällen steigende Umsätze.

Aber dem standen natürlich auch erhöhte Aufwendungen für die Einhaltung der umfangreichen Hygienekonzepte gegenüber. Das Gastgewerbe, die Tourismuswirtschaft, die Freizeitwirtschaft, viele Dienstleister und der Non-Food-Einzelhandel hatten und haben dagegen teilweise dramatische Umsatzverluste zu verzeichnen.

Dies macht sich jedoch nicht sofort in erhöhten Insolvenzzahlen oder Unternehmensschließungen bemerkbar. Viele Betriebe haben alle verfügbaren - auch privaten - Mittel zum Erhalt der Unternehmen eingesetzt. Daher appellieren wir an unsere Bevölkerung und die Gäste unserer Region, jetzt wieder umfangreich die Angebote der Unternehmen vor Ort zu nutzen, um Schließungen und Leerstände zu vermeiden!

Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Situation infolge der Pandemie bei den Industriebetrieben in Ihrem Kammerbereich dar?

Antwort: Grundsätzlich waren die Industrieunternehmen weniger stark von den direkten Auswirkungen der Pandemie betroffen. Allerdings wurde die Erholung durch Material- und Lieferengpässe sowie explodierende Preise stark behindert. Spätestens mit der Russland-Ukraine-Krise kam der Aufschwung zum Erliegen. Der Industrie machen vor allem unterbrochene Lieferketten, Chipmangel, hohe Transportkosten und Personalmangel zu schaffen. Größtes Problem sind allerdings die Energie- und Rohstoffpreise, die bereits vor dem Russland-Ukraine-Krieg explodiert sind.

 

Wie unterstützen Sie die Gewerbetreiben und Betriebe?

Antwort: Neben der täglichen Interessenvertretung gegenüber den politischen Entscheidungsträgern in Dresden, Berlin und Brüssel stellen wir den Unternehmern und Gründern ein umfangreiches Informations- und Beratungsangebot auf allen Kanälen zur Verfügung. Vom aktuellen Newsletter, Informationen unter www.chemnitz.ihk24.de, unserem IHK-Magazin "Wirtschaft Südwestsachsen" über individuelle Beratungen zu konkreten Fragen der Betriebe ist alles dabei. Zudem haben wir zu Beginn der Pandemie im Rahmen unser Internetpräsentation ein stark nachgefragtes Chat-Modul eingerichtet.

 

Welche Hilfen erhoffen Sie sich in der jetzigen Situation von der sächsischen bzw. der Bundespolitik für Ihre Mitgliedsbetriebe?

Antwort: Speziell bei den Themen Versorgungssicherheit und Energiepreise erwarten wir ein rasches Gegensteuern aus der Politik. Hier müssen dringend breite Entlastungen durch Steuersenkungen greifen, um insbesondere energieintensive Unternehmen und das Transportgewerbe wettbewerbsfähig zu halten. Diese Kostenexplosion kann kein Unternehmen dauerhaft tragen. Zumal der Staat nicht noch an den hohen Preisen mitverdienen darf.

Aber auch die Stärkung der kleinen Unternehmen vor allem in unseren Ortszentren liegt uns am Herzen. Konkrete und höhere finanzielle Unterstützung, u. a. beim Förderprogramm "Regionales Wachstum" könnten dafür Ansätze sein. Wir selbst sind auf einen steigenden Beratungsbedarf eingestellt und haben unsere Aktivtäten in Richtung Landes- und Bundespolitik deutlich intensiviert.

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