Razzia gegen Reichsbürgerszene: Zwei Festnahmen in Sachsen

Ermittlungen Krude Gedanken und kriminelle Energie: "Reichsbürger" leben in ihrer eigenen Welt. Dennoch sollte man sie nicht als bloße Spinner abtun. Ermittlungen machen klar, dass sie sich auf den "Tag X" vorbereiten.

Olbernhau/Freiberg. 

Bei einer Razzia hat die Bundesanwaltschaft am Mittwochmorgen 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene unter Terrorismus-Verdacht festnehmen lassen. Rund 3000 Beamte waren nach Angaben der Behörde in elf Bundesländern im Einsatz. Dabei kam es auch zu zwei Festnahmen im Erzgebirgskreis. Nach einem Bericht der "Sächsischen Zeitung" ist ein früherer AfD-Stadtrat aus Olbernhau betroffen. Zu den Verdächtigen gehört auch die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann.

 

Heinrich XIII. Prinz Reuß als Rädelsführer

Als einer der beiden Rädelsführer soll Heinrich XIII. Prinz Reuß agiert haben, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der 71-Jährige soll in der Nähe von Bad Lobenstein in Ostthüringen ein Jagdschloss besitzen, laut Ermittlungen sollte er die Rolle des künftigen Staatsoberhauptes übernehmen. 22 der Festgenommenen wirft die Bundesanwaltschaft vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte eine Behördensprecherin in Karlsruhe.

Laut Bundesanwaltschaft haben die mutmaßlichen Mitglieder der Reichsbürgerszene die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen. Diese Staatsform sei schon in Grundzügen ausgearbeitet gewesen, teilte die Karlsruher Behörde mit. "Den Angehörigen der Vereinigung ist bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann", hieß es: "Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten."

 

Mehr Befugnisse für Polizei und Justiz

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) forderte nach Bekanntwerden der Umsturzpläne mehr Befugnisse für Polizei und Justiz. Die Bevölkerung stehe oft kopfschüttelnd daneben, dass unter dem Deckmantel des Datenschutzes vieles nicht möglich sei und Unsicherheiten in Kauf genommen würden, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Wir sind eine Demokratie, wir sind ein Rechtsstaat. Die Dinge werden alle mit Richtervorbehalt geklärt. Deswegen muss man mehr Instrumente freigeben."

Kretschmer zufolge dürfe sich die Bundesregierung dabei nicht ständig gegenseitig die Beine stellen. "Die Sicherheit Deutschlands geht vor." Das habe die Razzia am Mittwoch gezeigt. Solchen Leute müsse man hart und entschieden entgegentreten. Dazu brauchten Polizei und Justiz die Instrumente.

 

Vorbereitungen auf Tag X

"Dass Rechtsextreme, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker sich zusammenschließen, um einen Tag X vorzubereiten, ist seit Jahren sichtbar. Die nun offengelegten konkreten Pläne, den Bundestag zu stürmen und einen Putsch gegen die Verfassungsordnung herbeizuführen, verdeutlichen einmal mehr, wie fundamental die von diesen Gruppierungen ausgehende Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie ist", erklärte Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann. Der Rechtsstaat müsse entschieden gegen Rechtsextreme und die Feinde der freiheitlichen Republik verteidigt werden.

 

Grundlagen sollen entzogen werden

"Den Verfassungsfeinden gilt es einmal mehr die Grundlagen zu entziehen. Dafür müssen die Maßnahmen zur Entwaffnung der rechten Szene vorangetrieben, Geldflüsse und Netzwerke aufgedeckt und die Nutzung von Immobilien durch Rechtsextreme unterbunden werden", betonte Lippmann. Dass sich unter den Tatverdächtigen auch Bedienstete von Sicherheitsbehörden und eine Richterin befinden, offenbare erneut, dass "der Kampf gegen Verfassungsfeinde im Staatsdienst entschieden und mit größtmöglicher Aufmerksamkeit geführt werden muss".

"Der Fall hat beängstigende Ausmaße und zeigt deutlich das Gewaltpotenzial auf, das von sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen, völkischen Nationalisten und radikalisierten 'Querdenkern' ausgeht - besonders dort, wo sie sich zusammenschließen", sagte Linke-Politikerin Kerstin Köditz.

 

1011 extremistsche Straftaten im Jahr 2021

Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Oft stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21 000 Anhänger zu. Bei etwa fünf Prozent von ihnen, also rund 1150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene "Reichsbürger und Selbstverwalter" 1011 extremistische Straftaten zu.

Alle weiteren Infos zur Razzia in ganz Deutschland im Artikel Mutmaßliche "Reichsbürger" wollten Staat stürzen

 

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