Warum Unternehmen 12 Euro Mindestlohn fürchten

Umfrage Industrie- und Handelskammern warnen vor zu schneller und direkter Anhebung

Zum Jahresbeginn ist der gesetzliche Mindestlohn nach den Beschlüssen der Mindestlohnkommission planmäßig von 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen. Die Pläne der neuen Bundesregierung sehen nun gemäß Koalitionsvertrag vor, den Mindestlohn in einem Schritt auf 12 Euro anzuheben - ohne die Höhe der Lohnuntergrenze von einem staatlich unabhängigen Expertengremium überprüfen zu lassen. Erste Unternehmen üben Kritik an den Plänen.

Belastungsgrenze nicht mehr weit

Grund für die Zweifel sind die bereits bestehenden, massiven Mehrkosten bei Rohstoffen, Material, Teilen, Energie und Logistikleistungen. Bei einer zusätzlichen und kurzfristigen Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro befürchten die Unternehmen, dass die Belastungsgrenze erreicht und teils überschritten werde. Die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) haben daraufhin die in ihren Vollversammlungen und Fachausschüssen engagierten Unternehmen befragt. 267 Betriebe aus allen Wirtschaftsbereichen haben den Kammern geantwortet.

Handel, Verkehr und Gastgewerbe am meisten betroffen

Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil der direkt von einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro betroffenen Beschäftigten bei den Befragten stark nach Wirtschaftsbereichen variiert. Die Spanne reicht dabei von 17 Prozent der Stellen in den Unternehmen des Produzierenden- und des Baugewerbes bis zu 26 Prozent in Handel, Verkehr und Gastgewerbe. Bei den Dienstleistern verzeichnet das Finanz- und Versicherungswesen die geringste Betroffenheit, personenbezogene Dienstleistungen die höchste.

Unternehmen befürchten Preissteigerungen

Aus den Unternehmensantworten zu prognostizierten Folgen einer sofortigen Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro kristallisieren sich zudem betriebs- und personalwirtschaftliche Schwerpunkte heraus: So gehen mehr als die Hälfte der Unternehmen (58 Prozent) davon aus, die Preise für ihre Produkte und Leistungen erhöhen zu müssen, wobei 42 Prozent die Kostensteigerungen voraussichtlich nicht auf ihre Kunden werden umlegen können. Die daraus resultierende Ertragsminderung reduziere wiederum die Spielräume für Investitionen.

Mehr Lohn, dafür weniger Mitarbeiter

Um einen Lohnabstand zu den höheren Einkommensgruppen zu gewährleisten und so mögliche Konflikte in der Belegschaft auszuschließen, gaben 45 Prozent der Unternehmen an, weitere Lohnanpassungen vornehmen zu müssen. Ein weiteres Viertel (26 Prozent) schätzt hingegen ein, nicht über die dafür erforderlichen finanziellen Möglichkeiten zu verfügen und lediglich die Einkommen für die direkt betroffenen Arbeitsplätze erhöhen zu können. Über alle Branchen hinweg gehen die befragten Unternehmen von einer Erhöhung ihrer Personalkosten um 20 bis 25 Prozent aus, was mittelfristig zu einer Reduzierung des Personalbestandes führen könnte, mindestens aber zu einer Zurückhaltung bei Neueinstellungen. 17 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, Mitarbeiter entlassen zu müssen.

Reduzierung der Arbeitszeit und weniger Sonderleistungen

Als probates Mittel zur Dämpfung der Kostensteigerung wurde zudem auf Arbeitszeitreduzierung, die Umwandlung von festen in pauschale Arbeitsverhältnisse, die Reduzierung von Praktika und Umschulungen sowie den Wegfall von Sonderleistungen wie Umsatzprämien, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verwiesen. In der Gesamtbewertung der prognostizierten Folgen sehen sechs Prozent der Befragten den Fortbestand ihres Unternehmens in Gefahr. Die Industrie- und Handelskammern plädieren daher für eine bedachte und stufenweise Steigerung über die Legislaturperiode hinweg.

 

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