Ein Klon lehnt sich auf

Kino-Kritik "Mickey 17" Sechs Jahre nach seinem Oscar-gekrönten Meisterwerk "Parasite" meldet sich Bong Joon-ho mit der Romanverfilmung "Mickey 17" zurück. In der launigen Science-Fiction-Komödie spielt Robert Pattinson zwei Klone, die die Weltraummission eines Trump-artigen Ego-Politikers torpedieren.

Bekannt wurde Robert Pattinson als junger Glitzer-Vampir Edward aus den Leinwandadaptionen der "Twilight"-Saga nach Stephenie Meyer. Seit dem Ende der Fantasy-Reihe im Jahr 2012 gab sich der Brite jedoch alle Mühe, den Filmen und seinem Image als Teenie-Idol zu entfliehen. Ob als Möchtegernautor und -schauspieler in der bitterbösen Hollywood-Satire "Maps to the Stars" (2014), als auf Weltraumreise geschickter Schwerverbrecher in "High Life" (2018), als Protagonist im Schauermärchen "Der Leuchtturm" (2019) oder als grüblerischer Dunkler Ritter in "The Batman" (2022) - seine Rollenwahl überraschte und entfernte sich deutlich von dem Part, der ihm einst weltweiten Ruhm beschert hatte.

Eine spannende Herausforderung war auch das Engagement in der Science-Fiction-Komödie "Mickey 17", die auf Edward Ashtons Roman "Mickey7" basiert. Die neue Regiearbeit des Südkoreaners Bong Joon-ho, der mit "Parasite" (2019) die Oscar-Verleihung 2020 sensationell aufmischte, zeigt einen doppelten Pattinson in einer launig-überdrehten Geschichte um Größenwahn, Kolonialismus, Identität und das Menschsein an sich.

Hier spielt er einen leichtsinnig in Schwierigkeiten geratenen Typen namens Mickey Barnes, der einem skrupellosen Schuldner auf höchst ungewöhnliche Weise zu entkommen versucht. Da er sich nirgendwo auf der Erde sicher fühlen kann, meldet er sich kurzerhand für die Weltraummission des ehemaligen Abgeordneten Kenneth Marshall (Mark Ruffalo). Dessen Ziel: Den Planeten Niflheim besiedeln und in ein prosperierendes Wunderland verwandeln.

Tod und Wiedergeburt

Der Haken an der Sache: Mickey verfügt über keine besonderen Fähigkeiten und verschafft sich nur durch eine Art faustischen Pakt einen Platz an Bord des Raumschiffs. Ohne das Kleingedruckte genau zu lesen, verpflichtet er sich als sogenannter "Expendable", willigt damit ein, alle möglichen lebensgefährlichen Einsätze zu bestreiten und sich als Versuchskaninchen herzugeben. Stirbt er, spuckt ein Hightech-Drucker einfach den nächsten Mickey-Klon aus, dem die Erinnerungen und der Wissensstand des Vorgängers eingepflanzt werden.

Bong Joon-ho nutzt das im Vergleich zur Romanvorlage noch ausführlicher betriebene Copy-and-Paste-Spiel für allerhand schräge Einlagen. Nicht selten erwischt es einen der armen Mickey-Klone auf kuriose Weise. Und jedes Mal beginnt der Ausbeutungskreislauf wieder von vorne. Unverkennbar eine kritische Metapher für die Logik des Kapitalismus. Jedes Mickey-Double wird nur als Mittel zum Zweck gesehen, als hilfreiches Werkzeug, nicht aber als ein Wesen mit Rechten, Wünschen und Sehnsüchten.

Probleme gibt es erst, als der 17. Mickey fälschlicherweise für tot gehalten wird und unbemerkt ins Raumschiffs zurückkehrt. In der Zwischenzeit hat der Drucker schon Nummer 18 erstellt, was in mehrfacher Hinsicht für Ärger und Panik sorgt. Der Neue will sein altes Ebenbild kaltmachen. Letzterer sieht seine große Liebe Nasha (Naomi Ackie) plötzlich in den Armen eines anderen. Und grundsätzlich dürfen zwei Klone nicht zur selben Zeit existieren. Mickey 17 und Mickey 18 müssen sich schließlich zusammenraufen, um die irren Pläne des Weltraumkolonisators Marshall zu durchkreuzen.

Raumgreifender Ruffalo

In der Doppelrolle stellt Pattinson sein darstellerisches Können eindrucksvoll unter Beweis. Nie bestehen Zweifel darüber, welchen Mickey man gerade vor sich hat. Mimik und Körperhaltung sind grundverschieden. Auf der einen Seite der sanfte, etwas einfältig dreinblickende Mickey 17, auf der anderen der wild entschlossene, aufbrausende Mickey 18. Große Spielfreude legt auch Marvel-Star Mark Ruffalo an den Tag, der nach seinem Auftritt als schmierig-weinerlicher Frauenheld in "Poor Things" (2023) abermals in charakterlichen Untiefen wühlt. Unverhohlen verkörpert er den von sich selbst berauschten Marshall als Donald-Trump-Karikatur. Subtilität darf man dabei nicht erwarten. Amüsant ist es trotzdem, wie treffsicher Ruffalo die Manierismen des aktuellen US-Präsidenten einfängt.

Die im Stoff steckenden große Fragen, etwa nach Individualität und urmenschlichen Eigenschaften, verhandelt "Mickey 17" eher im Vorbeigehen - und verschenkt so eine etwas eindringlichere Zeichnung des Titelhelden. Bong Joon-ho geht es bei aller Kapitalismuskritik in erster Linie um den Unterhaltungswert. Die Grundkonstellation ist herrlich absurd. Und gelegentlich erlaubt sich der Film überraschende Exkurse, zum Beispiel im Falle eines Wissenschaftlers, der die Klontechnik mitentwickelt hat und sie dann böse zweckentfremdet.



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