"Unsere Familienfleischerei hatte mein Urgroßvater zunächst in Chemnitz betrieben, nach Bombenschäden ist er aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Eppendorf übergesiedelt", erzählt Lucas Baumann. Der 24-Jährige ist inzwischen selbst Fleischermeister und arbeitet im Familienbetrieb mit. Aktuell ist der noch in der Hand seiner Eltern, doch irgendwann - so der familieninterne Plan - sollen er und seine Schwester Maxi die Verantwortung im Unternehmen übernehmen. Auch Maxi ist nämlich im Familienbetrieb angekommen: Etwa ein Jahr jünger als Lucas, hat sie eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin absolviert.
"Uns Kindern war immer freigestellt, ob wir in den Betrieb einsteigen wollen", erzählt Lucas Baumann. "Ich selbst habe während der Schulzeit so viele Berufe wie möglich ausprobiert." Bei Ferienarbeiten und Praktika schnupperte er beispielsweise in die Arbeit von Tischler*innen, Metallbauer*innen, Köch*innen und Anlagenmechaniker*innen herein. "Mir war nur klar: Es soll ein Handwerksberuf sein", erinnert er sich. "Am Ende waren die Ausbildungen zum Anlagenmechaniker oder zum Fleischer meine Favoriten - die Verbundenheit mit dem elterlichen Betrieb hat dann den Ausschlag fürs Fleischerhandwerk gegeben."
Die Ausbildung startete er dennoch 2016 zunächst in einem anderen Unternehmen: "Wenn du der Sohn vom Chef bist, sind andere Angestellte vielleicht etwas vorsichtig mit Kritik dir gegenüber. Da fehlt dann manchmal womöglich auch der Hinweis, dass du etwas fachlich falsch machst. Das wollten wir verhindern", begründet er die Entscheidung. Zwar wechselte er später doch nach Eppendorf - sofort nach der Gesellenprüfung machte er sich aber noch einmal auf die Reise. "Ich war ein Jahr unterwegs und habe zum Beispiel bei Dän Klein hospitiert - der ist zweifacher Deutscher Meister im Grillen, da konnte ich viel lernen." Es sei eine weitere Gelegenheit gewesen, einen anderen Blick auch auf den heimischen Betrieb zu bekommen.
Diskussionen ja, Streit nein
Bei all der Nähe, gibt es manchmal auch Reibereien im Familienbetrieb? Lucas sagt, dass schon hin und wieder Diskussionen aufkommen. "Aber da geht es eigentlich nie um große Sachen, wegen denen wir uns in der Wolle hätten. So lässt sich das meiste doch klären." Einen Schritt sind aber sowohl er als auch seine Schwester früh gegangen: "Wir sind zuhause ausgezogen und haben uns eigene Wohnungen gesucht. Man braucht zwischendurch einfach auch den eigenen Rückzugsraum."
Dass ihm ebenso wie seiner Schwester das Fleischerhandwerk im Blut liegt, das beweisen beide regelmäßig. Lucas als Fleischer, Maxi als Fleischereifachverkäuferin waren jeweils die besten Azubis ihrer Jahrgänge in Sachsen. So hatten beide die Chance, sich für die Deutsche Nationalmannschaft des Fleischereihandwerks zu qualifizieren: "Es gab nochmal ein Auswahlverfahren mit Extra-Prüfungen", berichtet Lucas. "Wir haben das Verfahren beide bestanden."
Gemeinsam geht es ihnen nun darum, ihr Handwerk nach außen zu präsentieren: "Wir sind als Nationalmannschaftsmitglieder häufig auf Messen oder zu Berufsorientierungen unterwegs - oft regional, manchmal muss man aber auch ein Stück reisen." Auch Wettbewerbe stehen im Plan - etwa die Euro Skills und die World Skills als Europa- und Weltmeisterschaften der Handwerker: "Leider habe ich die Gelegenheit dazu verpasst, weil die Wettbewerbe in meinen Jahrgängen Corona zum Opfer gefallen sind. Inzwischen bin ich durch die Altersregelung von der Teilnahme ausgeschlossen", gibt es einen kleinen Wermutstropfen in Lucas‘ Lebenslauf.
Was den guten Fleischer ausmacht
Doch was macht überhaupt einen guten Fleischer aus? Für Lucas sind es zwei Dinge: "Man erkennt daran, wie das Fleisch beschnitten wird, ob es jemand draufhat", sagt er: "Unterschiedliche Fleischpartien brauchen eine ganz unterschiedliche Verarbeitung." Zugleich gehört auch exaktes Arbeiten bei der Anwendung von Rezepturen, zum Beispiel bei der Wurstherstellung, zum Könnertum. "Viele Kunden wollen, dass die Wurst, die einmal geschmeckt hat, beim zweiten Kauf wieder genauso gut schmeckt. Das muss man gewährleisten können."
Im Gegensatz dazu mag Lucas selbst die Abwechslung. Ein spezielles Lieblingsfleisch hat er nicht, manche Produkte mag er selbst geschmacklich auch gar nicht. Den Menschen in seiner Umgebung rät er, Fleisch lieber nicht so oft, dafür aber in guter Qualität zu kaufen und zuzubereiten. Bei der Fleischerei Seifert etwa wird regelmäßig selbst geschlachtet, die Tiere stammen fast ausschließlich von Landwirten aus der Region. Das Schlachten selbst zählt übrigens nicht zu den zwingenden Ausbildungsinhalten des Fleischerberufs. "Wir haben Wahlpflichtbereiche, ich hatte mich auf Kundenberatung und Verkauf sowie auf die Herstellung besonderer Fleisch- und Wurstwaren fokussiert."
Inzwischen hat Lucas auch eine Meisterausbildung abgeschlossen - wenn er will, darf er also eigene Lehrlinge ausbilden. Dennoch will er sich noch weiter fortbilden. "Ich habe einige Ideen: Mein Vater und meine Schwester sind zum Beispiel Fleischsommelier, ich möchte Wurst- und Schinkensommelier werden."
Das eigene geballte Fachwissen gibt die Familie im Übrigen regelmäßig auch in Seminaren weiter. Mehrmals pro Jahr gibt es Grillseminare, auch Kurse zum Zerlegen von Fleisch bietet die Fleischerei Seifert an. Es ist ein Mittel, um auch als altes Handwerk sichtbar zu bleiben. Und Lucas Baumann kommt immer mal wieder auch zu anderen Ehren: So vertrat er im Frühjahr 2024 das regionale Handwerk in der Jury des Wettbewerbs "So schmeckt Kulturregion" - hier wurden besonders leckere neue Lebensmittel und faszinierende kulinarische Events für Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas 2025 gesucht.