Revolution - oder doch nicht? Wie die Künstliche Intelligenz unser künftiges Leben beeinflusst

Künstliche IntelligenzVor ein paar Monaten eroberte die Künstliche Intelligenz Chat GPT unsere Lebenswelt - und schreibt seitdem Hausaufgaben und Referate. Was macht die Künstliche Intelligenz? Und was macht sie mit unserem Leben und künftigem Arbeiten? "mach was!"-Chefredakteur Volker Tzschucke hat darüber nachgedacht.

Wer dem Chemnitzer Informatikprofessor Dr. Florian Röhrbein bei einem Vortrag zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) lauscht, bekommt Spannendes zu hören. Röhrbein ist ein wenig verwundert über den aktuellen Hype rund um das Thema. "Was kann eine Künstliche Intelligenz?", fragt er: "Große Datenmengen durchsuchen, aus Suchergebnissen Schlussfolgerungen ziehen, aus den Schlussfolgerungen etwas lernen", zählt er anhand eines Lehrbuchs auf. Das seien ganz grundsätzlich Dinge, mit denen sich die Informatik schon seit ihren Anfängen beschäftige. "Und auch KI gibt's eigentlich schon seit etwa 67 Jahren", so Röhrbein im Juni dieses Jahres bei einem Treffen des südwestsächsischen Gründernetzwerks SAXEED.

Kein Grund zur Aufregung also? Naja, ein bisschen schon. Der Fortschritt, der gegen Ende des Jahres 2022 die Welt außerhalb der Informatik erreichte, heißt Generative KI. Sie kann auf einer breiten Basis an Wissen - dem Durchsuchen großer Datenmengen - Muster erkennen. In ihren Schlussfolgerungen erstellt sie aus den vorhandenen Daten und Mustern neue Daten. Das können neue Texte, neue Bilder, aber auch neue Software-Codes (eigentlich auch nichts anderes als Text) sein. Aus Stimm-Mustern baut sie neue Stimmen und aus dem Wissen über bestimmte Arten von Videofilmen erstellt sie neue Videos. Und natürlich gibt es das Ganze auch in Kombination - also zum Beispiel animierte Videofiguren mit eigener Stimme und neu erdachtem Text.

Und noch viel mehr: Jeder Mensch auf der Welt, der auch nur einen Hauch technischen Verständnisses hat, kann diese KIs verwenden. Das ist die eigentliche Revolution! Chat GPT als erstes Programm für den Massenmarkt ermöglichte plötzlich, in Windeseile neue Texte zu generieren. Eine einfache Frage oder eine Aufforderung brachte die KI zum Arbeiten. Je detaillierter die Frage, desto besser wurde das Ergebnis - zumindest manchmal. Schnell kamen weitere, ähnliche Programme auf den Markt. Es wurden Programme zur Generierung neuer Bilder vorgestellt, dann für Software, für Stimmen, für Videos. Inzwischen sind nachfolgende Versionen der ersten KI- Tools erschienen: Sie durchsuchen zum Beispiel in Echtzeit das Internet, sodass sie immer auf dem wirklich aktuellsten Wissen basieren. Sie haben Rückmeldungen von Usern über frühe Fehler erhalten und haben somit Erfahrungen gesammelt. Die Texte werden kreativer, die Bilder werden lebensechter, die Filme wirken immer realistischer.

Die Sache mit dem Kinoprogramm

Dabei kann es immer noch passieren, dass das Ergebnis kleiner oder großer Mist ist. Denn manchmal stößt die KI auch an Grenzen: Wenn ihr das nötige Wissen für eine Antwort in welcher Form auch immer fehlt, hat die KI drei Möglichkeiten - und da unterscheidet sie sich kaum von einem Menschen: A) Sie kann weitersuchen und zusätzliche Wissensquellen anzapfen. B) Sie kann zugeben, dass sie etwas nicht weiß. Oder C): Sie denkt sich einfach etwas aus.

Ein einfaches Beispiel: Neulich fragte der Autor dieser Zeilen die KI Chat GPT in ihrer neuesten Version nach dem aktuellen Kino-Programm von Chemnitz. Dafür muss die KI wissen, was ein Kino ist, das wusste sie gut. Sie musste wissen, dass es so etwas wie Programme gibt - also Filme, die zu bestimmten Zeiten in bestimmten Kinos laufen. Auch das wusste Chat GPT natürlich. Sie musste wissen, dass Chemnitz eine Stadt ist und welche Kinos es hier gibt - auch das funktionierte. Schließlich musste die KI auch noch wissen, wann welche Filme in welchem Kino laufen. Und da begann das Scheitern.

Zwar konnte es die aktuellen Seiten der Chemnitzer Kinos im Internet finden - aber sie konnte sie nicht korrekt verstehen. In einem kleinen Programmkino sollten am Abend die größten Hollywood-Blockbuster laufen, zeigte sie an. Das war unwahrscheinlich - solche Filme laufen dort fast nie. Doch auch auf mehrfache Nachfrage wollte sie sich nicht korrigieren. "Schau doch selbst auf der Internetseite. Die Adresse hast du hier", erklärte sie fast schon ein bisschen trotzig. Die Webseite des Programmkinos zeigte ein völlig anderes Programm an, das echte aus liebenswerten europäischen Komödien und sehenswerten Dokumentarfilmen. Keine Blockbuster, auf jeden Fall.

Was war passiert? Aus irgendeinem Grund konnte sie die Webseite des Programmkinos nicht richtig verstehen. Statt das wie in B von oben einfach zuzugeben, wollte sie sich keine Blöße geben. Also griff sie zur Variante C: Sie dachte sich etwas aus. Die KI mixte ihr bekannte Daten über Chemnitz und die Kinos in der Stadt und die normalen Anfangszeiten in diesen Kinos richtig zusammen. Doch weil sie das eigentliche Programm nicht verstand, erstellte sie einfach ein neues: Mit Filmen, die wahrscheinlich laufen müssten, weil sie an jenem Tage in vielen anderen Kinos der Welt laufen. Nur nicht im Programmkino.

Auf Basis von Wahrscheinlichkeiten

So arbeiten KIs: auf Basis von Wahrscheinlichkeiten. Wenn genau an dieser Stelle in vielen Vorbildtexten ein Punkt kommt, muss sie jetzt auch hier einen Punkt setzen. Wenn in deutschen Texten auf das Wort "er" ganz häufig ein Verb in der 3. Person Singular folgt, dann setzt sie im neu generierten Text nach "er" eben auch ein Wort in der 3. Person Singular. Weil ihre Datenbasis riesig ist, funktioniert das oft. Aber eben nicht immer.

Das kann ärgerlich sein, wenn man sich aufs von Chat GPT ausgegebene Kino-Programm verlässt: Steht man vorm ausgewählten Kino, läuft statt den "Avengers" vielleicht "Die grausamsten Bahnstrecken Westafrikas". Das kann peinlich sein, wie es einer sächsischen Partei im Landtagswahlkampf 2024 passierte: Sie nutzte für ihre Kampagne KI-generierte Bilder - und übersah leider, dass manche der neu entstandenen "Foto-Modelle" sechs statt fünf Fingern an einer Hand hatten.

Es kann aber auch regelrecht gefährlich werden. Aktuell werden KIs zum Beispiel darauf trainiert, bestimmte Tumore zu erkennen: Anhand vieler Bilder von Tumoren erkennen sie Muster von Tumoren und lernen, diese zu klassifizieren: Ist eine Anomalie gutartig oder bösartig? Muss sie sofort behandelt werden oder kann man sie erstmal weiter beobachten. Liegt die KI falsch, kann es dann schnell um Leben und Tod gehen.

Nicht alles für bare Münze nehmen

Natürlich, Fehler entstehen auch, wenn Menschen den Tumor betrachten: Der eine Arzt hat mehr Erfahrung als der andere. Oder irgendwer ist einfach mal einen Tag schlecht drauf und deshalb unkonzentriert. Das kann genauso lebensgefährlich sein. Auch Zeitungen drucken mal das falsche Kino-Programm ab. Und besser ein Wahlplakat mit Sechs-Finger-Menschen als die "falsche" Partei.

Doch während wir bei Ärzten schon genügend oft von Behandlungsfehlern gehört haben, während wir wissen, dass Medien gelegentlich unsauber berichten und man Politiker*innen im Wahlkampf ohnehin nicht alles glauben sollte, fehlt uns diese Erfahrung im Umgang mit KI noch. Weil die Technik so schnell, quasi über Nacht, in unser Leben eindrang, müssen wir erst lernen, an welchen Punkten wir ihr vertrauen können und wo wir lieber misstrauisch gegenüber ihren Ergebnissen sein sollten. Wir müssen Erfahrungen im Umgang mit KI sammeln - und besser erst einmal nicht alles für bare Münze nehmen, was sie uns an Ergebnissen aufwirft.

Und noch mehr: Wir müssen auch unseren Umgang mit Bildern, Texten, Stimmen oder Videos neu lernen. Wussten wir bisher, dass Manipulationen - etwa mit gefälschten Fotos - vergleichsweise gut zu erkennen und schnell aufzudecken sind, können wir uns dessen heute nicht mehr so sicher sein: Manche Manipulationen sind so gut gelungen, dass man sie für echt halten könnte - und manche reale Daten oder Dokumente wirken im Gegenzug ziemlich schlecht erfunden. Was also ist echt? Was ist Fake? Und wann glauben wir das eine oder das andere? Die Welt, die Medien, die Politik und die Gesellschaft werden mit generativer KI auf jeden Fall nicht leichter zu durchschauen sein.

Die Veränderung der Arbeitswelt

Dank vieler Fortschritte in den Programmcodes wird Künstliche Intelligenz die Arbeitsfeld verändern - und nicht nur die medizinische Diagnostik wie im oben angeführten Beispiel von Tumoren. Das kann man bereits in diesem Magazin bemerken, in dem KI-Texte und KI-Bilder - natürlich gekennzeichnet! - eingeflossen sind. Fragt man Chat GPT selbst, wo Veränderungen zu erwarten sind, sagt das Programm:

"Generative KI wird vor allem Berufe beeinflussen, die sich auf die Erstellung, Analyse und Verarbeitung von Informationen konzentrieren. Sie kann repetitive Aufgaben automatisieren und kreative Prozesse unterstützen, was zu einer erhöhten Effizienz und einer Veränderung der Arbeitsweisen in vielen Branchen führen wird."

Zwar beschränkt sich die Liste der von KI beeinflussten Berufe, die Chat GPT auf Anfrage ausspuckt (siehe nebenstehender Kasten), sich aktuell vor allem auf Büro-Berufe; doch wenn wir ehrlich sind: Daten analysieren, Daten verarbeiten und Daten erstellen - das müssen wir in beinahe jedem Beruf. Tun wir dies nicht auch beim Autofahren? Wir analysieren den Verkehrsfluss, wir verarbeiten die auf uns einströmenden Daten von Verkehrszeichen, Wegeführung, Fußgängern, Gegenverkehr - und erstellen neue Daten, indem wir blinken, lenken, bremsen, aufs Gas gehen. Warum sollte das nicht auch ein Computer können? Und wenn wir schon beim Autofahren sind - warum dann nicht auch den Boden putzen, baggern, schleifen oder operieren?

Momentan traut sich die KI vor allem die Lösung von Routine-Aufgaben zu - doch vorstellbar ist so vieles mehr. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Noch einmal Chat GPT:

"Die größte Herausforderung wird darin bestehen, die Rolle des Menschen in einem zunehmend KI-unterstützten Umfeld neu zu definieren und sicherzustellen, dass die menschlichen Fähigkeiten sinnvoll ergänzt werden."

Wir dürfen gespannt sein, wie gut uns das gelingt.

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