Eine Frau mit Benzin im Blut

Leokadia Hateville Die Frau mit dem klangvollen Künstlernamen Leokadia Hateville hat in ihrer Freizeit Benzin im Blut und den Bleifuß am Gaspedal. Die Rennfahrerin ist eine von wenigen Frauen am Steuer betagter Modelle.

Wenn Leokadia Hateville in ihren amerikanischen 69er Chevrolet Nova steigt, ist ihr die Aufmerksamkeit gewiss. Die dunkelhaarige Frau aus Schwedt (Uckermark) ist mit Highheels und Outfit im Stil eines Pin-Up-Fotomodels ein Hingucker. Und die Mittdreißigerin zeigt, dass sie einen furchtlosen Bleifuß hat. Mit diesem ist sie bei Oldtimer-Rennen in ihrer Freizeit ganz vorn mit dabei ist.

Und das in einer echten Männerdomäne. "Die haben tatsächlich teilweise Angst, gegen eine Frau zu verlieren", erzählt die zierliche Frau mit dem eigenwilligen Künstlernamen, die weder ihr genaues Alter noch ihren bürgerlichen Namen verrät. Es gebe inzwischen einige wenige Hobby-Rennfahrerinnen mit Können, sagt Jiri Werner Richter, der zum Veranstalterteam des Oltimer-Rennens Race 61 Finowfurt (Barnim) gehört. "Leokadia hat dafür schon ein besonderes Faible. Die feuert ordentlich los und kennt keine Furcht", sagt der Berliner.

Hobby war eher Zufall

Zu ihrem schnellen Hobby kam Hateville vor mehr als 15 Jahren eher zufällig. Sie arbeitet hauptberuflich als Airbrush- und Grafitti-Künstlerin, gestaltet sowohl Autokarossen als auch Hauswände im Auftrag von Kunden. "Damals suchte ich einen alten Wagen, um ihn für Werbezwecke zu besprühen und entdeckte den Chevy im Internet", erinnert sie sich. Gemeinsam mit Stefan Lange, mit dem sie seit Kindertagen befreundet ist, holte sie den amerikanischen Oldtimer, Baujahr 1969, in Düsseldorf ab. "Wir waren da ziemlich blauäugig, haben erst zuhause erkannt, dass die Karre quasi schrottreif war", ergänzt Lange, der das betagte Auto gemeinsam mit Freunden komplett auseinanderbaute und anderthalb Jahre daran schraubte.

Hateville übernahm das Lackieren in Nachtschwarz. "Der sah dann so toll aus, den wollte ich gar nicht mehr bemalen", erinnert sie sich. Stattdessen begannen die beiden Freunde, regelmäßig zu Oldtimer-Treffen zu fahren. So landeten sie 2009 zufällig beim Race-61-Rennen auf dem alten Flughafengelände in Finowfurt, keine 100 Kilometer von Schwedt entfernt. Als einzige Frau trat sie damals spontan zu dem Beschleunigungsrennen über eine Achtelmeile, also exakt 202 Meter, an. "Mit 170 Stundenkilometern war das ein bisschen wie Fliegen, ein Gefühl von Freiheit und dazu der Nervenkitzel auf der extrem kurzen Strecke - meine Leidenschaft war entfacht."

"Leokadia war damals die erste Rennfahrerin bei uns, ist inzwischen aber längst nicht mehr die einzige Frau hinterm Steuer", sagt Birk Polten, Chef des Luftfahrtmuseums Finowfurt, auf dessen Gelände die Race-61-Rennen seit 26 Jahren ausgetragen werden. "In den 1950er und 60er Jahren waren Autos mit besonders leistungsstarken Maschinen gebaut worden, die sich tatsächlich für Rennen eignen und an denen man noch selbst herumschrauben kann. Darin liegt der Reiz", versucht Polten zu erklären, warum diese Veranstaltungen jährlich Tausende Besucher anziehen.

Testrennen für Oldtimer bis zum Baujahr 1976

Das Race-61-Opening, in diesem Jahr am 6. Mai, sei gewissermaßen das Testrennen für Oldtimer bis zum Baujahr 1976 nach der langen Winterpause, sagt Richter vom Veranstalterteam. "Da treten etwa 50 Autos und 20 Motorräder an." Anschließend gehe es für die Oldtimer noch mal in den Feinschliff vor dem eigentlichen Race-61-Festival, in diesem Jahr am 30. Juni und 1. Juli. "Da ist die Rennbeteiligung doppelt so hoch, nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den Nachbarländern. Dazu kommen mehrere Live-Musikbands und Tausende Besucher."

Beide Veranstaltungen gehören neben fünf weiteren Oldtimer-Treffen inzwischen zum Pflichtprogramm von Hobby-Rennfahrerin und Schrauber aus Schwedt. "Klar gibt es noch weitere Veranstaltungen, doch an deutlich weiter entfernten Orten. Mit so alten Autos sind lange Strecken und Anfahrtswege aber immer riskant", erklärt Lange. Zudem verbrauche so ein 500-PS-Wagen wie der Chevy Nova immens viel Benzin. "Da muss man Aufwand und Nutzen abwägen."

Ami-Oldtimer eher nicht für den Alltag

Im Alltag, beispielsweise um Einkaufen zu fahren, sei der kraftstrotzende Ami-Schlitten eher nicht zu gebrauchen, sagt Hateville. "Das merkst du schon am röhrenden Klang, dass da viel unter der Haube steckt und der einfach nur schnell fahren will", sagt sie und streichelt liebevoll über das Lenkrad. Für das gemütliche Fahren hat sie einen Zweitwagen: Der lilafarbene Opel Rekord ist ebenfalls ein Oldtimer, Baujahr 1969. "Ich brauche beim Fahren weder Servolenkung noch Klimaanlage", sagt die Schwedterin, die auf gefrorene Wasserflaschen als Kühlmittel schwört. Denn gerade das Fahren im Ami-Oldtimer sei äußerst schweißtreibend.

"Der V-8-Motor wird sehr heiß. Um den Kühlkreislauf zu erweitern, musst Du im Sommer sogar noch die Heizung einschalten", sagt die Hobby-Rennfahrerin. Aber Hauptsache sei, sie komme mit allen wichtigen Teilen des Fahrzeugs ins Ziel. Das Schrauben an ihrem Rennwagen sei nicht wirklich "ihre Welt", bekennt die Schwedterin, die diesen Part Lange überlässt. "Aber ich bin mit dabei, muss ja schließlich wissen, was da unter der Motorhaube los ist." Und am Rande der Rennen gehöre das Fachsimpeln dazu. "Da muss ich mitreden können, sonst werde ich als Frau nur belächelt."

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