Kopfschmerzen sind eine Volkskrankheit. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) schätzt, dass 15 bis 20 Prozent der Frauen und 6 bis 8 Prozent der Männer in Deutschland regelmäßig davon betroffen sind.
Sind auch Sie betroffen? Dann kommen hier alle wichtigen Fakten:
1. Welche Unterschiede gibt es bei Kopfschmerzen?
Grundsätzlich gibt es zwei Erscheinungsformen:
- primäre oder eigenständige Kopfschmerzen wie zum Beispiel Migräne oder Spannungskopfschmerz
- sekundäre Kopfschmerzen, die als Symptom einer anderen Erkrankung auftreten, etwa nach einer Infektion
Mehr als 90 Prozent der Betroffenen leiden an einer primären Form.
Die Kopfschmerzen können akut, episodisch oder chronisch auftreten.
2. Was sind Spannungskopfschmerzen?
Der am häufigsten auftretende Kopfschmerz ist der sogenannte Spannungskopfschmerz. Laut Robert Koch-Institut (RKI) variiert die Anzahl der Betroffenen in Deutschland:
- bei Frauen zwischen 14,5 und 31,7 Prozent
- bei Männern zwischen 12 und 26,9 Prozent
Das sind laut DMKG die Merkmale von Spannungskopfschmerzen:
- Sie betreffen den gesamten Kopf.
- Sie sind ringförmig um den Kopf herum spürbar.
- Sie kommen auch im Hinterkopf und Nackenbereich vor.
- Man hat das Gefühl, dass der Kopf in einem Schraubstock steckt.
- Die Schmerzintensität ist leicht bis mittelstark.
- Es gibt kaum Begleitsymptome.
- Die Beschwerden nehmen bei Aktivität nicht zu.
3. Was kann ich bei Spannungskopfschmerzen tun?
Charly Gaul, Schmerztherapeut am Kopfschmerzzentrum in Frankfurt am Main, gibt Tipps, mit denen sich Spannungskopfschmerzen bessern:
- frische Luft
- Bewegung
- Pfefferminzöl auf Schläfen, Stirn und Nacken
- bei starken Schmerzen entsprechende Schmerzmittel und die Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein
"Schmerzmittel sollten an weniger als zehn Tagen im Monat und nicht mehr als drei Tage in Folge eingenommen werden", sagt Gaul. Der Grund: Durch eine zu häufige Einnahme der Schmerzmedikation können die Kopfschmerzen sogar noch zunehmen.
Wichtig: Vorher immer mit einem Arzt sprechen. Das gilt auch für die Einnahme von Triptanen, einem Schmerzmittel für Menschen mit Migräne.
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Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
Gut zu wissen: Hat jemand mindestens 15 Tage im Monat Kopfschmerzen, sprechen Experten von chronischen Spannungskopfschmerzen. In diesem Fall sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt konsultieren.
4. Wie entsteht Migräne und wer ist betroffen?
Über eine Milliarde Menschen weltweit haben immer wieder Migräne. Das zeigt eine internationale Studie zur Migränebelastung in 204 Ländern aus dem Jahr 2019. Damit ist Migräne eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, erklärt Lars Neeb, Chefarzt Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel.
In Deutschland ist laut der Studie jeder Fünfte betroffen - und Frauen zwei- bis dreimal so häufig wie Männer.
"Die Migräne ist die häufigste neurologische Erkrankung überhaupt, von allen Kopfschmerzerkrankungen führt sie auch am häufigsten zum Arztbesuch", sagt Charly Gaul.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie beschreibt Migräne als eine Erkrankung des Gehirns.
- Dabei werden schmerzverarbeitende Zentren im Hirn aktiviert und schmerzvermittelnde Botenstoffe ausgeschüttet.
- Diese sogenannten Neurotransmitter lösen an den Blutgefäßen der Hirnhäute eine Art Entzündungsreaktion aus.
- Wenn das passiert, wird die sogenannte Migräneschwelle überschritten.
Die Folge: Das Gehirn leidet unter Überbelastung und kann sich nur schwer von äußeren Reizen abschirmen. Das Schmerzempfinden ist so sensibel, dass sogar das Pulsieren des Blutes als Schmerz empfunden werden kann.
5. Was sind typische Symptome bei Migräne?
Migräne erkennen Sie an folgenden Merkmalen:
- pochender, stechender, pulsierender Schmerz
- oft einseitig am Kopf ausgeprägt
- Licht- und Geräuschempfindlichkeit
- häufig auch Geruchsempfindlichkeit
- Übelkeit und manchmal auch Erbrechen
- teilweise Vorsymptome wie Heißhunger, Gähnen und Stimmungsabfall
- zunehmende Schmerzintensität bei Aktivität
Außerdem berichten 15 Prozent der Migräne-Betroffenen von einer sogenannten Aura. Dabei kann es zu neurologischen Reiz- oder Ausfallsymptomen kommen. Beispiele:
- Flimmersehen
- Gesichtsfeldausfall
- Wortfindungsstörungen
- Kribbeln in einer Hand oder im Arm
Dauer: Migräneattacken dauern durchschnittlich zwischen einem halben und drei Tagen. Während eines Anfalls haben Migränepatienten ein besonders hohes Ruhe- und Rückzugsbedürfnis.
6. Was kann eine Migräne auslösen?
Das sind typische Auslöser, auch Trigger genannt:
- Alltagshektik
- extremer Wechsel von An- und Entspannung (Stressabfallmigräne)
- Aufregung
- Angst
- Ärger
- zu wenig Schlaf
- Alkoholkonsum
- unregelmäßige Mahlzeiten
- hormonelle Schwankungen (Serotoninspiegel im weiblichen Zyklus)
Gut zu wissen: Serotonin ist ein Neurotransmitter, der die Spannung der Blutgefäße reguliert und zur Blutgerinnung beiträgt. Ein zu hoher Serotoninspiegel steht im Verdacht, eine Ursache für Kopfschmerzen zu sein. Denn bei einem zu hohen Wert ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Das löst Schmerzen aus.
7. Was können Betroffene bei Migräne tun?
"Mittel der ersten Wahl sind auch bei mittelschweren Attacken herkömmliche Analgetika wie Paracetamol, Ibuprofen und Aspirin", erklärt Neurologe Neeb.
Wenn diese nicht helfen oder bei sehr starken Attacken werden Triptane verschrieben. Das sind spezielle Migräneschmerzmittel.
Einige Triptane erhalten Menschen mit Migräne mittlerweile auch rezeptfrei in Apotheken - laut Deutscher Arzneimittelverschreibungsverordnung allerdings nur, wenn zuvor die Erstdiagnose durch einen Arzt gestellt wurde.
Triptane helfen bei ungefähr 70 Prozent der Patientinnen und Patienten sehr gut und schnell.
Gut zu wissen: Selbst Kinder und Jugendliche leiden schon unter Migräne. Bei ihnen kann sich diese allerdings etwas anders äußern als bei Erwachsenen. Sie bekommen auch leichtere Medikamente.
8. Was ist der Clusterkopfschmerz?
Von 1000 Menschen in Deutschland haben ein bis zwei Clusterkopfschmerzen.
"Männer sind ungefähr dreimal so häufig betroffen wie Frauen", sagt Gaul. "Meist beginnt die Erkrankung vor dem 30. Lebensjahr." Kinder und Jugendliche seien zehnmal seltener von Clusterkopfschmerz betroffen als Erwachsene.
Cluster ist das englische Wort für Traube oder Bündel. Die Kopfschmerzen heißen so, weil sie geballt zum Beispiel zu einer bestimmten Jahreszeit auftreten. Dann kann es sein, dass die Attacken regelmäßig zur gleichen Tageszeit auftauchen.
9. Welche Symptome sind typisch bei Clusterkopfschmerzen?
Clusterkopfschmerzen erkennen Sie an folgenden Merkmalen:
- einseitige, sehr starke Attacken von Kopf- und Gesichtsschmerzen
- zwischen 15 und 180 Minuten Dauer, wenn unbehandelt
- Hauptschmerz hinter den Augen
- Schmerzen in der Stirn- und Schläfenregion
- Unruhe und Bewegungsdrang
Dazu gibt es mindestens ein Zusatzsymptom wie:
- Bindehautrötung
- Augentränen
- Zuschwellen der Nase
- eine laufende Nase
- Pupillenverengung
- Oberlidschwellung
- Schwitzen auf Stirn und Gesicht
10. Was können Betroffene bei Clusterkopfschmerzen tun?
Zur akuten Behandlung dienen laut Neeb:
- Triptane als Nasenspray (wirken schneller als Tabletten)
- triptanhaltige Mittel zur Injektion, die sich Patienten bei Attacken selbst unter die Haut spritzen können
- ambulante Inhalation von hochkonzentriertem Sauerstoff
Gut zu wissen: In manchen Fällen können auch andere Grunderkrankungen Kopfschmerzen auslösen, zum Beispiel die craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD. Dabei handelt es sich meist um eine muskuläre Funktionsstörung der Kaumuskulatur und des Kiefers.
Die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie weist daraufhin, dass Betroffene unklare Kopfschmerzen vorrangig neurologisch abklären lassen sollten. Bei dem Verdacht einer CMD sollten Sie einen Spezialisten für Kiefergelenke konsultieren.
Tipp: Ein Besuch beim Zahnarzt ist sinnvoll, wenn Sie unter chronischen Kopfschmerzen unbekannten Ursprungs leiden.
Übrigens:Auch speziell ausgebildete Physiotherapeuten bieten Behandlungen an. Dabei massieren sie etwa die Kiefermuskulatur im Mund. Sprechen Sie Ihren behandelnden Arzt darauf an.
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Foto: Christin Klose/dpa-tmn
11. Wie kann ich Kopfschmerzen und Migräne vorbeugen?
Betroffene können viel selbst tun, um Schmerzen vorzubeugen. Zur prophylaktischen Hilfe gehören laut DMKG:
- Stress reduzieren
- Entspannungsübungen
- Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
- regelmäßiger Schlaf
- regelmäßige Mahlzeiten
- leichter Ausdauersport (zwei bis drei Mal die Woche 30 Minuten)
Bei Migräne sollten Sie außerdem Situationen und Handlungsweisen vermeiden, die eine Attacke auslösen.
Gegebenenfalls kann auch eine schmerztherapeutisch orientierte, psychologische Verhaltenstherapie helfen. Parallel dazu kann es sinnvoll sein, den Arbeitsplatz auf Ergonomie checken zu lassen.
12. Wann sollte ich wegen Kopfschmerzen zum Arzt?
Kopfschmerzen können ein Warnsignal sein, das Sie ernst nehmen sollten. In den folgenden Situationen sollten Sie laut DMKG einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen:
- bei akuten Kopfschmerzen, die man so noch nicht kennt
- bei Kopfschmerzattacken, auf die üblicherweise wirksame Medikamente nicht mehr ansprechen
- bei Kopfschmerzen, die mit ungewöhnlichen Begleitsymptomen wie Fieber, massivem Erbrechen und Bewusstseinsstörungen einhergehen
- wenn Kopfschmerzen erstmals nach dem 50. Lebensjahr auftreten
Gut zu wissen: Die Diagnostik umfasst die ärztliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung mit neurologischem Befund und - falls nötig - auch eine MRT- oder CT-Untersuchung des Schädels.
Eine große Rolle für die richtige Diagnose können auch psychosoziale Faktoren spielen.
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Foto: Christin Klose/dpa-tmn
13. Wann handelt es sich um einen Notfall?
In den meisten Fällen sind Kopfschmerzen ein primäres Syndrom. Nur in wenigen Fällen stecken andere bedrohliche Krankheiten dahinter.
"Betroffene sollten sich nicht scheuen, die Notaufnahme aufzusuchen, wenn die Kopfschmerzen ungewohnt stark, an unbekannten Stellen auftreten oder unerträglich sind", sagt Gaul.
Weitere Szenarien, bei denen die Kopfschmerzen ein Notfall sind:
- Es tritt ein sogenannter Vernichtungskopfschmerz auf. Gemeint sind damit stärkste Schmerzen wie noch nie vorher erlebt.
- Die Kopfschmerzen gehen mit Fieber einher.
- Die Kopfschmerzen treten posttraumatisch auf, also zum Beispiel nach einem Unfall oder nach einem besonderen Zwischenfall.
14. Wo bekomme ich Unterstützung und Beratung?
Menschen, die unter Kopfschmerzen leiden, fürchten immer noch Ausgrenzung und Stigmatisierung - gerade, wenn sie chronische Kopfschmerzen oder chronische Migräne haben. Zu diesem Schluss kommt die bereits zitierte Studie zu Migräne in 204 Ländern.
Hier finden Betroffene Hilfe:
- Ein starkes Netzwerk sowohl für Betroffene von Migräneattacken als auch für behandelnde Ärzte finden Sie auf der Homepage der Migräneliga. Dort können Sie gezielt nach regionalen Selbsthilfegruppen suchen. Viele regionale Kliniken bieten auch Schmerz-Hotlines für akute Fälle an.
- Auf der DMKG-Homepage finden Betroffene wertvolle Informationen, Tipps und zum Beispiel einen Schmerzkalender als Vordruck zum Download sowie die kostenlose App der DMKG.
- Auch die Schmerzklinik Kiel hat eine spezielle App konzipiert, mit der Neurologinnen und Neurologen bereits in der Praxis arbeiten. Hier können Sie Faktoren wie Häufigkeit, Dauer, Umstände und Intensität der Schmerzen festhalten. Die Daten können behandelnde Ärzte heranziehen, um eine genaue Diagnose zu stellen.
Tipp: Da jeder Kopfschmerz anders ist, helfen eigene Beobachtungen im Alltag, um zu verstehen, in welchen Situationen der Schmerz auftritt. So finden Sie heraus, was ihnen am besten hilft, wenn die Migräne oder der Kopfschmerz da ist. In jedem Fall sollten Betroffene sich bei Ärzten Rat holen, damit Kopfschmerzen nicht chronisch werden.