Plauen. Große Sprüche, Neuanfang. So beginnt das Ende eigentlich immer. In den semiprofessionellen Fußballligen der Republik schwimmen etliche Skandalnudeln im kochend heißen Wasser. Gerade jetzt. Man sagt: Die Coronapandemie vernichtet, was zuvor ohnehin schon krank war. Wieso kommen aber ausgerechnet jetzt vom VFC Plauen keine neuen Schreckensnachrichten? Der Verein hatte vor 15 Jahren noch per Blitzverpflichtung Weltfußballer Krassimir Balakov gegen den 1. FC Magdeburg in die Schlacht geschickt. Die Zeit der Erfolge ist lange her. Als Patient landete der Vogtländische Fußballclub nach seinem letzten großen Triumph im Jahr 2009 mehrfach auf der Intensivstation. Nach dem Herzinfarkt am 1. Dezember 2014 (Insolvenz) torkelte der Rekonvaleszent weiter. Immer wieder wurde die Neustarttaste gedrückt. Viele Experten dachten: "Der Coronacrash ist der Plauener Todesstoß." Doch ausgerechnet jetzt kommen aus dem Vogtlandstadion Signale, die man so in Haselbrunn noch nie vernommen hatte. Ein kurzer Rückblick.
Von einer Sensation zur anderen
Schalke, 1860 München, Dynamo und die Wismut. Der VFC Plauen hat sie alle geschlagen. Was man heute kaum noch glauben kann, es war bis vor 20 Jahren Realität. Der Vogtländische Fußballclub spielte in jener Zeit in der dritten Liga Deutschlands. Bereits 1991/92 schnupperten die Plauener Höhenluft in Liga drei. Man stieg jedoch sofort wieder ab. Dann gelang dem VFC 1996 erneut der Aufstieg in die Regionalliga Nordost (3. Liga). Nach anfänglichen Problemen steigerte sich das Team um den erfolgreichsten Vogtlandtrainer der Geschichte, Frank Papritz, und man wurde zweimal Zehnter in der 3. Fußballliga (1997, 1998). Unvergessen bleiben in jenen Jahren die Freundschaftsspiele gegen Mannschaften der 1. Bundesliga. Es wurden der FC Schalke 04 (1997, 3:1), Arminia Bielefeld (1998, 3:0) und der TSV 1860 München (1998, 3:0) besiegt. Nach einer glänzenden Saison erreichte der VFC dann 1999 einen sensationellen fünften Platz. Der Höhepunkt dieser Spielzeit war jedoch der Erfolg im Sachsenpokal. Im Endspiel verwandelte Kapitän Jens Starke vor 8.000 Zuschauern im Vogtlandstadion den entscheidenden Elfmeter zum 4:3-Sieg gegen den FC Erzgebirge Aue und im DFB-Pokal sorgten die Plauener in der 1. Runde gleich für die nächste Sensation. Nach dem 1:0 gegen Alemannia Aachen hieß es dann in der zweiten Runde 1:2 gegen die Stuttgarter Kickers.
Seinerzeit gelangen dem VFC aus heutiger Sicht vollkommen verrückte Dinge. So wurde nach Ex-Europapokal-Coach Hans-Ulrich Thomale der ehemalige Nationaltorhüter René Müller als Trainer verpflichtet. Später holte VFC-Trainernachfolger Tino Vogel (der Sohn von Jena-Legende Eberhard Matz Vogel) mit seinen Jungs gegen Dynamo Dresden (2004, 1:0) den Sachsenpokal. Und sogar der bulgarische Nationalspieler und Weltklassekicker Krassimir Balakov (berühmt geworden beim VfB Stuttgart) trug in einem Punktspiel gegen den 1. FC Magdeburg (2005, 2:4) das Plauener Trikot. Über 10.000 Zuschauer waren mitunter bei den Spielen im Vogtlandstadion dabei. Der Auswärtsrekord datiert vom 18. April 2004: Den 1:0-Sieg des VFC erlebten beim FC Carl Zeiss Jena 900 mitgereiste Plauener Fans. Verrückt oder?
Der Weg zurück dauert noch!
Der lange Weg zurück zur Gesundung, er ist mühsam. An die durchschnittlich 400 Zuschauer zu den Heimspielen hat man sich inzwischen gewöhnt. Wer sich nicht näher mit dem aktuellen Fünftliga-Mittelklasseteam befasst, der sieht den Verein weiter in der Abwärtsspirale. Präsident Thomas Fritzlar interessiert das Gerede aber nicht. "Wir haben keinen Grund, nach hinten oder unten zu gucken. Wir haben auch nichts davon, die glorreiche Vergangenheit pausenlos zu glorifizieren. Dieser Verein feiert bald den 120. Geburtstag. Darauf freue ich mich!" Damit ist auch klar: Nach Ansicht von Thomas Fritzlar wird der 1903 gegründete VFC Plauen auch im Jahr 2023 noch existieren. Die Frage lautet bis dahin: Weiter Pleite- oder bald ein Kultverein? Der Vorsitzende antwortet salomonisch und lacht: "Im Fußball ist immer alles möglich." Vor allem seine verlorene Glaubwürdigkeit hat dem VFC schwer geschadet. Selbst die guten Ansätze auf dem Rasen konnten (noch) nicht für die Zuschauerrückgewinnung sorgen. Die beiden Plauener Handballvereine (SV 04 Oberlosa, HC Einheit) verbuchen aktuell größere Besucherströme.
Balla, balla oder Kultverein?
Doch das große Potenzial des VFC findet man im Umfeld. Es hängen noch immer unglaublich viele Leute am Verein. "Zu manchen Auswärtsspielen begleiten über 100 VFC-Fans unsere Mannschaft", lässt Pressesprecher Volker Herold aufhorchen. Kern der Anhängerschaft sind neuerdings die VFC-Ultras, denen man während der Coronakrise einen Reifeprozess bescheinigen darf. Denn ausgerechnet die früheren Problemfans gehen jetzt für ältere Menschen einkaufen, sie sammeln Geld für die Clubkasse und packen in der riesigen Stadionanlage mit zu, weil es der personell unterbesetzte VFC alleine zurzeit gar nicht schaffen würde. Und wann sieht man die drei goldenen Buchstaben wieder auf der großen Fußballbühne? 15 Jahre nach Krassimir Ballakov lautet die Antwort: Der VFC hat alle Chancen, zurück zu kommen. Wenn alle Geduld haben! Vielleicht klappt es ja bis 2023. Und vielleicht gilt das Stehaufmännchen dann als Kultverein. Das wäre dann wirklich balla, balla.