Stadtmarketingexperte fragt: Wie bringen wir Menschen zurück in die kleinen Städte?

Zukunftswerkstatt Christian Klotz und Studierende der BA Plauen nehmen Oelsnitz ins Visier

Oelsnitz/Vogtland. 

Oelsnitz/Vogtland. Spannung pur zum IHK-Regionalgespräch in Oelsnitz. Im Sprach- und Kommunikationszentrum des Julius-Mosen-Gymnasiums ging es um die Zukunft der Stadt. Viele Innenstädte in Deutschland gehen düsteren Zeiten entgegen. "Jetzt geht es um die Frage, wie sich das Stadtzentrum zukünftig als vitaler Handels-, Gastronomie- und Arbeitsort und attraktiver Raum für Freizeit und Begegnung aufstellen kann", eröffnete Sina Krieger die Ideenkonferenz. Die Geschäftsführerin der IHK Regionalkammer Plauen befasst sich zusammen mit ihrem Team schon lange mit diesem Thema. In Oelsnitz redete auch Oberbürgermeister Mario Horn mit. Es war ein guter Abend.

Großes Interesse in Oelsnitz!

Mit großem Interesse verfolgten die als 50 Oelsnitzer Gewerbetreibende, Kommunalverantwortliche, Stadträte und Gewerbeverbandsmitglieder das IHK-Regionalgespräch. Stadtmarketing-Experte Christian Klotz (80) war einmal mehr ins Vogtland gekommen. Noch vor 20 Jahren erntete der "Einzelhandelsversteher" viel Kritik für seine Aussagen. Heute ist das eingetreten, wovor Christian Klotz gewarnt hatte. Der Handel verschwindet aus der City. Die Menschen gehen einfach nicht mehr hin. "Und deshalb ist es auch ganz wichtig, dass wir den Gedanken der Studierenden der BA Plauen Raum geben", betonte Sina Krieger.

Oelsnitz soll sich besser verkaufen

Dass die Oelsnitzer Innenstadt städtebaulich sehr ansprechend ist, steht für Christian Klotz außer Frage. Die vogtländische Kreisstadt hat diesbezüglich ihre Hausaufgaben gemacht. Christian Klotz kam an der Seite des Oelsnitzer Wirtschaftsförderers Peter Wollmann sowie Sina Krieger und Daniela Seidel von der IHK Regionalkammer Plauen mit den Leuten im Stadtzentrum ins Gespräch. Lobende Worte fand der einstige Städtetester für die Wohnqualität sowie den Freizeit- und Erlebniswert von Stadt und Umgebung. Sein Fazit an die Kommune: "Ihr müsst die Stadt verkaufen und Geld aus euren Potenzialen herausziehen!" Um Frequenz in die Gassen am und um den Markplatz zu bringen, brauche es neben anziehenden Angeboten und Anlässen Ideen zur Vermarktung der Potenziale, ins Auge springende Werbung, inszenierende Beleuchtung.

Erste Vorschläge liegen auf dem Tisch

Christian Klotz ist 80 Jahre, aber frisch im Kopf. Er weiß wie wichtig es heutzutage ist, den Mensch zu beeindrucken. "Bringen Sie Unruhe in Ihre Innenstadt", lautete seine Botschaft. Mit viel Engagement versucht die Stadt Oelsnitz mit über 100 Märkten und Festen im Jahr die Bevölkerung ins Zentrum zu locken. Was jedoch fehlt, ist laut Klotz ein gewisses "Dauerrauschen", so dass man an jedem Tag das Gefühl hat, in einer lebendigen Stadt zu sein. Oelsnitz verfügt über ein attraktives Schloss mit sehenswerten Museen. Klotz' Vorschlag: "Schafft einen echten Erlebnispfad, der die Besucher von dort in die Innenstadt hineinzieht und präsentiert Kleinode wie das Drogeriemuseum, macht die Touristinformation sichtbarer, öffnet die Kirche für Besucher und sorgt in der Innenstadt für kommunikative Aufenthaltsräume!"

Christian Klotz: "Gastronomische Angebote müssen unterstützt werden"

"Im Wettbewerb mit den Einkaufscentern, muss eine Innenstadt wie ein Centermanagement geführt werden, um anziehende Wirkung zu entfalten und Kunden anzulocken", betonte Christian Klotz. Das heißt auch, eine städtebauliche Steuerung und der Einsatz von Fördermitteln sollte immer unter der Zielstellung erfolgen, für die Stadt einen geldwerten Vorteil zu erwirtschaften. Insbesondere die Ansiedlung zeitgemäßer gastronomischer Angebote wäre zu unterstützen. Gastronomie sei aber nur im Kontext einer guten Handelslandschaft wirtschaftlich zu betreiben. So ermunterte der Stadtmarketing-Experte, für die Stärkung der Handelsstruktur im Zentrum auf mittelfristigen Bedarf und wertige Angebote zu fokussieren. Die Voraussetzungen, um den Drogeriemarkt im Zentrum als wichtigen Magneten sowie die noch vorhandenen Bäcker- und Fleischergeschäfte zu erhalten, müssten stadtseitig befördert werden.

Stadtentwicklungsmaßnahmen sollten auf alle Generationen abzielen

Viele Fehler seien in den Kommunen bei Handelsansiedlungen gemacht worden. "Lassen Sie nie wieder zu, dass außerhalb der Innenstadt Einzelhandelsfläche gebaut wird", plädiert er an die Entscheider angesichts des Überangebots von Discountern in der Peripherie. Ebenso wichtig wäre eine Leerstandskartierung mit der Auslotung für Erweiterungsoptionen für die meist nicht mehr zeitgemäßen Ladenflächen. Stadtentwicklungsmaßnahmen sollten auf alle Generationen abzielen. Für Oelsnitz ganz bedeutsam sind jedoch Angebote, um junge Menschen in der Stadt zu halten. Denn der demographische Wandel hinterlässt wie in vielen sächsischen Orten auch in Oelsnitz deutliche Spuren. Das ist auch den vier Studierenden des 5. Semesters im Studiengang Handel und Internationales Management der Staatlichen Studienakademie, Berufsakademie Plauen, aufgefallen, die sich in einer Projektarbeit mit Oelsnitz auseinandergesetzt und diese zum Regionalgespräch präsentiert hatten.

40 Prozent der Befragten waren zum Einkaufen in der Innenstadt

Vorangegangen war in Oelsnitz eine gemeinsame Passantenbefragung der Berufsakademie und der IHK Regionalkammer Plauen im Mai. Sebastian Bösel, Theresa Grimm, Lea Schmalfuß und Lucas Schönweiß haben gemeinsam mit Prof. Dr. Brit Arnold die Daten von 164 Fragebögen ausgewertet und für Handlungsempfehlungen unter die Lupe genommen. Dabei stellte sich heraus, dass 40 Prozent am Befragungstag zum Einkaufen in der Innenstadt unterwegs waren, was als wichtiges Potenzial für Handel am Standort gewertet wurde. Ganze 72 Prozent gaben an, sich täglich oder mehrmals pro Woche im Zentrum aufzuhalten. Während die Erreichbarkeit des Zentrums als gut bewertet wird, stößt die Parksituation häufiger auf Kritik.

Nachteil gegenüber der grünen Wiese: Parkplatz in Innenstadt kostenpflichtig

Insbesondere das Thema Parkgebühren gaben die Studierenden den Stadtakteuren als Denkanstoß mit. Da vor allem das Freizeitangebot nach Einschätzung der Befragten nicht gut abschneidet, überlegten sich die Studierenden niedrigschwellige Freizeitangebote und kostenfreie Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, von Freiluftkino über Streetart-Projekte bis zu offenen Spieleabenden auf dem Marktplatz. Genau wie Experte Klotz identifizierten sie auch Bedarfe für eine ausdifferenziertere Gastronomie und den Wunsch nach mehr Gütern des mittelfristigen Bedarfs wie Bekleidung oder Schuhe.

Alles was belebt, muss in die City geholt werden

Mit Blick auf die jüngeren Oelsnitzerinnen und Oelsnitzer empfahlen die Studierenden Pop-up-Konzepte oder Foodtrucks ins Zentrum zu holen. Auch die Aufenthaltsqualität gelte es zu verbessern: so könnten Hochbeete den Markplatz verschönern und mittels Baumpatenschaften die Bürgerschaft einbezogen werden. Die Bürgerbeteiligung war den Studierenden besonders wichtig. So empfahlen sie den Ausbau des Bürgerbeteiligungsportals und öffentliche Bürgerdialoge. Ganz besonders gelte es, Vereine und Schulen zu integrieren, lautet ein weiterer Ansatzpunkt in der Projektarbeit. Für ihre Präsentation erhielten die Studierenden großes Lob von den Veranstaltungsteilnehmern.

Projekt heißt "Zukunftswerkstatt Kommune"

Das Ziel, die Oelsnitzer Stadtakteure mit den Präsentationen herauszufordern und für die Zukunftsgestaltung ihrer Stadt weiter zu begeistern, ist an diesem Abend sichtlich gelungen. Im Nachgang der Ausführungen ersponnen sich individuelle und intensive Diskussionen der Teilnehmenden über die Fortentwicklung ihrer Heimatstadt. Die Stadt erarbeitet im Rahmen des Projektes "Zukunftswerkstatt Kommune" (ZWK) ein Leitbild als Zukunftsvision für ihre Entwicklung. Die Erkenntnisse und Anregungen des IHK-Regionalgespräches sollen in die Leitbildentwicklung einfließen. Die IHK Regionalkammer Plauen setzt auch im nächsten Jahr auf Fortsetzung der Kooperation mit der Studienakademie, ab 1. Januar Duale Hochschule, um weiterhin im Sinne der Stadt- und Regionalentwicklung gemeinsam voranzugehen.



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