Plauen. Petra Schlüter ist seit 23 Tagen als neue Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Plauen tätig. Sie muss trotz Coronakrise den Überblick behalten. Zum Thema Kurzarbeit haben wir nachgefragt.
BLICK: Wie hoch ist das Ausmaß der Kurzarbeit im Vogtland?
Petra Schlüter: Zuerst bin ich froh, dass die Unternehmen Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen und damit Arbeitsplätze im Vogtland sichern. Das ist viel besser, als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen. Der Kammerbezirk Chemnitz bildet die Region Südwestsachsen ab. Hier haben nach der aktuell vorliegenden Sonderauswertung vom 9. April rund 17.400 Betriebe Kurzarbeit angezeigt. Das sind rund 43 Prozent aller Betriebe in Südwestsachsen. Darüber hinaus gehen täglich noch weitere neue Anzeigen ein. Die Bearbeitung dieser Anzeigen und der in der Folge eingehenden Abrechnungen zum Kurzarbeitergeld haben jetzt hohe Priorität. Allerdings ist noch unklar, wie viele Arbeitgeber tatsächlich Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen und wie viele Personen jeweils hinter einer Meldung stehen.
BLICK: Welche Branchen sind von Kurzarbeit betroffen?
Petra Schlüter: Von Kurzarbeit sind aktuell nahezu alle Wirtschaftsbereiche betroffen. Die meisten Anzeigen kommen aus der Gastronomie, dem Einzelhandel und von den Autohändlern. Aber auch Betriebe in der Beherbergung, den verschiedensten Dienstleistungsbereichen und Reisebüros sind häufig von einem Arbeitsausfall betroffen. Darüber hinaus sind die Automobilindustrie und deren Zulieferer von Kurzarbeit betroffen, weil Bänder stillstehen oder Teile zur Weiterverarbeitung fehlen.
BLICK: Wie läuft das Antragsverfahren und wann bekommt der Arbeitgeber sein Geld?
Petra Schlüter: Der Arbeitgeber zahlt wie üblich den Lohn für tatsächlich geleistete Arbeit. Für die Ausfallstunden geht der Arbeitgeber in Vorleistung. Über eine Tabelle, in der die rechnerischen Leistungssätze enthalten sind, ermittelt der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld selbst. Diese Tabelle stellen wir allen Arbeitgebern zur Verfügung. Der Arbeitgeber rechnet das danach mit uns ab. Dafür hat der Arbeitgeber drei Monate Zeit. Sobald wir die Abrechnungslisten erhalten, werden wir schnell prüfen und bewilligen.
BLICK: Gibt es Hinzuverdienstmöglichkeiten wenn das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht?
Petra Schlüter: Der Gesetzgeber hat aufgrund der aktuellen Krise die Hinzuverdienstmöglichkeiten zum Kurzarbeitergeld gelockert. Vom 1. April bis zum 31. Oktober tritt eine Sonderregelung in Kraft: Wer während der Kurzarbeit eine Beschäftigung in einem systemrelevanten Bereich aufnimmt, muss sich das dabei verdiente Entgelt nicht auf das Kurzarbeitergeld anrechnen lassen. Dabei darf das Gesamteinkommen aus noch gezahltem Arbeitseinkommen und dem Kurzarbeitergeld sowie dem Hinzuverdienst das bisherige Nettoeinkommen nicht übersteigen. Die Regelung hilft von Kurzarbeit Betroffenen finanzielle Einbußen auszugleichen und stärkt systemrelevante Branchen und Berufe.
BLICK: Sie sprachen von systemrelevanten Wirtschaftszweigen, was gehört dazu?
Petra Schlüter: Ob eine Branche beziehungsweise ein Beruf systemrelevant ist, legt die sogenannte Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) Gesetz fest. Beispiele für Tätigkeiten, die den systemrelevanten Branchen und Berufen zuzuordnen sind, sind die medizinische Versorgung, die Versorgung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mit Lebensmitteln, die Versorgung mit unmittelbar lebenserhaltenden Medizinprodukten und Geräten, Apotheken, der Güterverkehr, der Lebensmittelhandel, die Lebensmittelherstellung, die Landwirtschaft sowie Lieferdienste. Wer in diesen Bereichen beispielsweise als Helfer freiwillig unterstützen möchte, kann sich gerne bei uns unter der Rufnummer 03741-236666 melden. Wir vermitteln dann den Kontakt zu bedarfstragenden Arbeitgebern im Vogtland.
BLICK: Stellen Sie einen erhöhten Personalbedarf in diesen Wirtschaftsbranchen fest?
Petra Schlüter: Unser gemeinsamer Arbeitgeberservice ist mit den Unternehmen im Kontakt und spricht gezielt Betriebe dieser Branchen an, um geeignete Bewerber rechtzeitig auf die aktuellen Personalbedarfe zu vermitteln. Unser Ziel ist es, die freien Stellen möglichst schnell und unkompliziert zu besetzen. Der Vogtlandkreis hat darüber hinaus eine zentrale Anlaufstelle für freiwillige Unterstützungskräfte im Bereich Pflege geschaffen. Unter der Hotline 03741-3003333 kann man Kontakt aufnehmen.