Sachsenring. Wie schon so oft zuvor, war Jim Redman auch 2016 am Sachsenring. In den 1960er-Jahren war er bei den Motorrad-Weltmeisterschaftsläufen eine feste Größe und gewann hier sechs Mal. So nach 1960 bei der Generalprobe für die Motorrad-Weltmeisterschaft ab 1961 in der Klasse bis 350 ccm, 1962 und 1965 in den Klassen bis 250 und 350 ccm sowie dazwischen 1964 ebenfalls bei den 350ern.
Letzte Rennen mit 84
Bei der ADAC Sachsen Classic 2016 wollte er nun sein ultimativ letztes Rennen bestreiten. Wenngleich man im gesetzten Alter von 84 Jahren ohnehin keine Rennen mehr fahren sollte, ergab es sich, dass im Rahmen der auf Anhieb beliebten Klassik-Veranstaltung des ADAC Sachsen die sogenannten "World GP Bike Legends" am Start waren. Diese waren unter anderem mit den deutlich jüngeren Wayne Gardner, Freddie Spencer, Pierfrancesco Chili, Didier de Radigues, Jeremy McWilliams, Garry McCoy und Ralf Waldmann bestückt und sollten Samstag wie Sonntag ein richtiges (Show-)Rennen fahren. Doch auch die alte Garde wurde nicht vergessen, sodass Jim Redman und Phil Read, die beide schon zig mal wieder als Stargäste zu Demofahrten auf dem Sachsenring oder dem Zschorlauer Dreieck zu Gast waren, auf 500er-Zweitakt-Motorräder gesetzt wurden, für die zu ihrer aktiven Zeit noch nicht einmal ein Strich aufs Reißbrett vorhanden war. "Meine letzten Rennen, ja, weil die Moto GP Bike Legends nun einmal Rennen fahren. Dass ich diese nun am Sachsenring, was in den letzten Jahren so etwas wie meine zweite Heimat geworden ist, bestreite, ist umso schöner. Von Demonstrationsfahrten habe ich allerdings nicht gesprochen", meinte Jim Redman damals mit einem Augenzwinkern. Gut fünf Jahre später, am heutigen 8. November feiert er nun seinen 90. Geburtstag.
Umzug in eine neue Welt
Jim Redman erblickte also am 8. November 1931 im Londoner Stadtteil West Hampstead das Licht der Welt. Die Verhältnisse unter denen er aufwuchs waren eher bescheiden, was ihn aber für seinen Kampf mit dem Leben stählte.
Zu Hause waren sie vier Kinder: Jim, seine ältere Schwester sowie ein jüngeres Zwillingspaar. Als Jim gerade einmal 17 Jahre alt war, hatten die vier bereits beide Elternteile verloren. Von nun an schlüpfte er in die Rolle des Vaters und sorgte gemeinsam mit seiner großen Schwester für die Familie.
Als er 1952 zum Militärdienst berufen wurde, was die Redmans finanziell an den Rand des Ruins gebracht hätte, reiste er kurzerhand nach Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, aus. Hier verdiente er recht bald gutes Geld und versorgte die Familie aus der Ferne. Später wuchs sie in der britischen Kronkolonie wieder zusammen.
Nachdem Jims Leben und das der restlichen Familienmitglieder in geordneten Bahnen verlief, kam er über verschiedene Jobs, die allesamt mit Fahrzeugen zu tun hatten, zum Motorsport.
Seiner Freundschaft und seiner geschäftlichen Verbindungen zu John Love ist es zuzuschreiben, dass Jim Redman diesen Weg einschlug. Als der spätere Formel 1-Pilot gerade im Begriff war, die Fronten von Motorrädern zu den Rennwagen zu wechseln, unterstützte Jim ihn tatkräftig bei der Vorbereitung seines Cooper-JAP. Als Dank dafür durfte der Neu-Rhodesier mit Loves Triumph T 100 GP-Rennen fahren.
Jim Redman stellte sich recht geschickt an und gewann in Rhodesien und Südafrika zahlreiche Rennen. So wurde er zum Beispiel 1957 in der 350-ccm-Klasse Südafrikanischer Meister.
Rückkehr nach Europa
Zusammen mit Paddy Driver machte er sich 1958 auf nach Europa, um hier Rennen zu fahren. Hier konnte er auf Grund der damals üblichen Start- und Preisgeldregelungen seinen Sport mehr als kostendeckend ausüben. Mit seinen privaten Norton (350 ccm und 500 ccm) tingelte er durch ganz Europa. Zwar konnte er hier und da recht gute Erfolge einfahren, bei den Grand Prix stieß er allerdings an Grenzen. So waren 1959 ein fünfter und zwei sechste Plätze seine nennenswerteste Ausbeute. Am Sachsenring machte er mit einem zweiten Platz hinter seinem Landsmann Gary Hocking im Rennen der 500-ccm-Klasse auf sich aufmerksam.
Sein Traum vom Platz in einem Werksteam erfüllte sich schließlich 1960 beim Grand Prix der Niederlande in Assen. Nach einem Trainingssturz des Australiers Tom Phillis kam Jim Redman auf dessen Empfehlung zu Honda. Auch bei Walter Kaaden hatte er sich nach dem Wechsel von Gary Hocking zu MV Agusta beworben, doch MZ entschied sich für den Neuseeländer John Hempleman als ausländischen Fahrer.
Zum internationalen Sachsenringrennen brachte der einzige Rechtsanschieber dieser Epoche wieder seine beiden Norton an den Start und feierte bei den 350ern seinen ersten Sieg auf dem damals 8,731 km langen alten Berg- und Talkurs bei Hohenstein-Ernstthal.
Bei seinen ersten Aushilfseinsätzen für Honda konnte Jim Redman die Japaner auf Anhieb überzeugen, womit er 1961 echter Werksfahrer wurde. In jenem Jahr holte er sich schließlich seinen ersten Sieg bei einem WM-Lauf. Ort des Geschehens war der belgische Ardennen-Kurs von Spa-Francorchamps. Eine Woche später versammelte sich erstmals die gesamte Weltelite am Sachsenring. Das Rennen der Viertelliterklasse sah vier Hondas an der Spitze. Der Brite Mike Hailwood siegte vor Jim Redman, dem Japaner Kunimitsu Takahashi und Tom Phillis.
Manager bei Honda
1962 kam Jim Redman am Sachsenring zu seinem zweiten Doppelsieg nach der Dutch TT. Im gleichen Jahr feierte er seine erste Weltmeisterschaft und auch diese gleich doppelt (250 und 350 ccm).
Im darauffolgenden Jahr verteidigte der mittlerweile 31-Jährige seine beiden Titel, und auch am Ende der Jahre 1964 und 1965 hatte Jim Redman, der gleichzeitig die Einsätze des Honda-Teams in einer Art Managerfunktion koordinierte, einen Titel in der Tasche, da aber "nur" in der 350ccm-Klasse.
Doppel-, ja sogar Dreifachstarts waren zu jener Zeit nicht unüblich. 1964 gewann Jim Redman in Assen als erster Motorradpilot drei WM-Rennen (125, 250 und 350 ccm) an einem Tag. Das gelang außer ihm nur noch Mike Hailwood 1967, ebenfalls in Assen und in den Klassen bis 250, 350 und 500 ccm.
Das Jahr 1964 dürfte Jim Redman auch aus zwei weiteren Gründen in bester Erinnerung sein. Zum einen war es ihm vorbehalten, in Monza erstmals die legendäre Sechszylinder-Honda bei einem Rennen einzusetzen, zum anderen verlieh ihm die Queen von England den Titel "Member of the British Empire", die höchste nationale Auszeichnung Großbritanniens.
Mit sechs WM-Titeln, 45 Grand-Prix-Siegen und auch sechs Siegen auf der berühmt berüchtigten Isle of Man gehört Jim Redman zu den ganz Großen des Sports.
Rennen, die endlose Leidenschaft
Dass er das Rennenfahren nicht verlernt hatte, bewies er 1995 bei der Daytona Speedweek, als er im Alter von 63 Jahren bei seinem ersten Rennen nach 26-jähriger Pause in einem Showrennen auf einer 350er-MV Agusta gewann.
Bei seinen letzten beiden Rennen 2016 auf dem Sachsenring fiel ihm nach mehreren Hüft-OPs das Laufen, Aufsteigen und Fahren schon ziemlich schwer. Heutzutage lebt er im südenglischen Bradford on Avon unweit von Bristol und erfreut er sich einer altersgerechten und relativ guten Gesundheit.