Sachsenring. Am heutigen 30. Dezember vor 90 Jahren, also 1930, erblickte Max Friedrich "Fritz" Scheidegger im schweizerischen Langenthal (im Kanton Bern) das Licht der Welt. Der Eidgenosse wurde in seiner motorsportlichen Karriere zwei Mal Seitenwagen-Weltmeister und gehörte in den 1960er-Jahren zu den Triebfedern beim Technikwechsel von den klassischen Motorrädern mit Seitenwagen hin zu den mit kleineren Rädern niedrigeren Spezialfahrzeugen, den sogenannten Kneelern.
Auf dem Sachsenring war Fritz Scheidegger drei Mal am Start. 1958 wurde er mit seinem deutschen Beifahrer Horst Burkhardt hinter Walter Schneider/Hans Strauß, ebenfalls aus Deutschland, sowie seinen Landsleuten Florian Camathias/Hilmar Cecco Dritter. Im darauffolgenden Jahr wurde er, wiederum mit dem Schwaben Horst Burkhardt im Boot, hinter Camathias/Cecco Zweiter. 1960 sahen sie keine Zielflagge, und als ab 1961 die Sachsenring-Rennen zur Motorrad-Weltmeisterschaft zählten, gehörten die Seitenwagen hier nicht mehr zum Programm.
Karrierestart auf Gras
Der gelernte Motorradmechaniker begann die Rennerei 1950 als noch 19-Jähriger. Sein erster großer Förderer war sein Chef, der ihm eine Maschine nebst dazugehörigem Material zur Verfügung stellte. Über sogenannten Rasen- (Grasbahn-) und Bergrennen mit Solo- und Seitenwagenmaschinen kam er schließlich parallel zum Rundstreckensport, wobei es ihm inzwischen die Gespanne besonders angetan hatten. So wurde er schon 1957 mit Horst Burkhart, der auch in seiner inzwischen eigenen Motorrad-Werkstatt in Courtelary sein Angestellter war, zum ersten Mal Schweizer Meister.
Am Saisonende gaben Fritz Scheidegger und Horst Burkhardt beim letzten Weltmeisterschaftslauf des Jahres 1957 im italienischen Monza ihr WM-Debüt und wurden dabei gute Vierte.
Erste internationale Erfolge
1958 konnten Scheidegger/Burkardt zwar bei internationalen Rennen, wie zum Beispiel auf dem Schleizer Dreieck, einige Siege einfahren, doch in der WM blieben sie ohne jegliches zählbares Ergebnis.
Das sollte sich 1959 ändern. Gleich beim WM-Auftakt im französischen Clermont-Ferrand ließen sie die Vorjahresweltmeister Walter Schneider/Hans Strauß sowie die restliche Konkurrenz hinter sich und feierten ihr erstes WM-Podium auf dem obersten Treppchen. Mit zwei weiteren dritten Plätzen bei der berühmten Tourist Trophy auf der Isle of Man sowie im belgischen Spa-Francorchamps wurden sie am Jahresende hinter Schneider/Strauß und Camathias/Cecco WM-Dritte.
1960 wurden sie bei fünf WM-Rennen zwei Mal Zweite und ebenso zwei Mal Dritte, was immerhin zur Vizeweltmeisterschaft hinter den vierfachen Saisonsiegern Helmut Fath/Alfred Wohlgemut aus Deutschland reichte.
Auch 1961 wurden Scheidegger/Burkhardt Vizeweltmeister, wobei sie deutlich knapper am ganz großen Triumph vorbeischrammten. Von den diesmal sechs zur WM zählenden Rennen gewannen sie zwei (Clermont-Ferrand und Spa-Francorchamps) und landeten zudem drei Mal auf dem zweiten Platz. Mit total 36 zu 34 bzw. gemäß Streichresultatregel 30 zu 28 Punkten mussten sie lediglich den Deutschen Max Deubel/Emil Hörner den Vortritt lassen.
Für die darauffolgende Saison verlor Fritz Scheidegger seinen bisherigen Beifahrer an Florian Camathias. In dessen Boot verunglückte Horst Burkhardt auf der Isle of Man schwer und musste daraufhin seine Laufbahn beenden. Fritz Scheidegger holte den Briten John Robinson in sein Boot, mit dem er im niederländischen Assen gewann und am Jahresende WM-Dritter wurde.
So auch 1963, wobei Fritz Scheidegger seiner Sammlung an Grand-Prix-Siegen wiederum in Spa-Francorchamps einen weiteren hinzufügte.
Mitbegründer der "Kneeler"Immer auf der Suche nach größerer Konkurrenzfähigkeit entwickelte der technisch versierte Fritz Scheidegger zusammen mit dem selbst aktiven Gespann-Konstrukteur Rudolf Kurth den sogenannten "Kneeler". Als er dann noch einen schnellen BMW-Motor erstehen konnte und zugriff, war 1965 die Kombination Fritz Scheidegger/John Robinson/BMW-Kneeler das Maß der Dinge. Mit vier Grand-Prix-Siegen (Nürburgring-Südschleife, Assen, Spa-Francorchamps und Monza) sowie drei zweiten Plätzen wurde das schweizerisch/britische Duo überlegen Weltmeister. Auch in jenem Jahr gab es Streichresultate, sodass letztendlich allein die vier Siege relevant waren.
1966 war die Dominanz von Fritz Scheidegger/John Robinson noch größer bzw. erdrückend. Fünf WM-Läufe standen auf dem Programm, von denen diesmal nur die besten drei Ergebnisse in Wertung kamen. Nach überlegenen Siegen in Hockenheim, Clermont-Ferrand und Assen waren Scheidegger/Robinson bereits durch, ließen es sich aber nicht nehmen, danach auch in Spa-Francorchamps und auf der Isle of Man die Siegerpokale abzuräumen. Zusammen mit weiteren nicht zur WM zählenden internationalen Rennen gewannen sie 1966 14 der 19 von ihnen bestrittenen Wettbewerbe.
Noch eine Saison?
Nach diesem Erfolgsjahr wollte Fritz Scheidegger zurücktreten, doch Freunde überredeten ihn zu einer weiteren Saison. Und diese endete tragisch, bevor sie eigentlich begonnen hatte. Beim ersten größeren internationalen Rennen der neuen Saison verunglückten Fritz Scheidegger/John Robinson am Ostersonntag 1967, dem 26. März, infolge des Bruchs des hinteren Bremsankers in Mallory Park in Großbritannien. Während der zu dem Zeitpunkt 36-jährige Fritz Scheidegger dabei sein Leben verlor, kam John Robinson mit einem gebrochenen Bein vergleichsweise glimpflich davon, beendete aber seine Laufbahn.
Fritz Scheidegger hatte in seiner Karriere insgesamt 16 WM-Läufe gewonnen, womit er in der ewigen Bestenliste der erfolgreichsten Seitenwagen-Piloten der goldenen Ära des Gespannsports von 1949 bis 1996 (danach gehörten die Sidecars nicht mehr zum regulären Grand-Prix-Programm) auf Rang sieben rangiert. Vor ihm liegen Rolf Biland (CH, 81), Klaus Enders (D, 27), Steve Webster (GB, 23), Egbert Streuer (NL, 22), Alain Michel (F, 18) und Eric Oliver (GB, 17).