Mit lediglich einem Motorradrennen unsterblich gemacht

MOTORSPORT Dieter Brauns legendärer Sachsenring-Sieg ist nun 50 Jahre her

Sachsenring. 

Sachsenring. Viele tolle Rennen hat der Sachsenring schon erlebt und viele Sieger gefeiert, doch einer machte sich hier unsterblich - Dieter Braun. Man schrieb den 11. Juli 1971, also genau jenen Sonntag heute vor 50 Jahren. Zunächst einmal feierte man zehn Jahre Motorrad-WM auf dem Sachsenring, denn 1961 hatte sich erstmals die gesamte Weltelite zum Kampf um WM-Punkte hier versammelt.

Nicht die beste Ausgangslage

Nun, zehn Jahre später, ging das Rennwochenende mit dem Todessturz des MZ-Werksfahrers Günter Bartusch am Freitag auf seiner ersten Runde im Training der Klasse bis 350 ccm mehr als bescheiden los.

Den Rennreigen eröffneten am Samstagnachmittag die DDR-Akteure der Klasse bis 125 ccm Ausweis und den Rennsonntag eröffneten die WM-Piloten der "Schnapsglasklasse" bis 50 ccm. Dabei trug sich der Spanier Angel Nieto zum ersten Mal an diesem Tag in die Siegerliste ein. Ebenso anschließend der Italiener Giacomo Agostini im Rennen der 350-ccm-Kategorie.

Bei den nachfolgenden Rennen der Achtelliter- wie auch der Königsklasse (bis 500 ccm) holten sich sowohl der favorisierte Derbi-Werkspilot wie auch die überlegene MV-Agusta-Gallionsfigur ihre zweiten Siegerkränze. Bei den 125ern verpasste der Westdeutsche Dieter Braun als Vierter das Podest numerisch knapp, mit über 30 Sekunden Rückstand auf den Drittplatzierten jedoch ziemlich deutlich.

Als letztes stand das Rennen der 250-ccm-Klasse auf dem Programm, für das es nach dem werkseitigen Rückzug der großen japanischen Hersteller Honda und Yamaha gegen Ende der 1960er-Jahre keinen eindeutigen Favoriten gab. Einen Favoritenkreis gab es jedoch sehr wohl, doch zu diesem gehörte Dieter Braun, wenngleich mit seiner privaten Yamaha technisch ziemlich gleich gestellt, nicht unbedingt.

Die ostdeutschen Hoffnungen lagen da schon eher auf dem Italiener Silvio Grassetti, der mit der Zschopauer MZ sowohl den Saisonauftakt auf dem Salzburgring wie auch den unmittelbar vorm Sachsenring ausgetragenen WM-Lauf im belgischen Spa-Francorchamps gewonnen hatte. Dazwischen gewann in Hockenheim, auf der Isle of Man und auch in Assen Phil Read mit seiner Yamaha. Dieter Braun hatte bis dato nur zwei dritte Plätze vorzuweisen, herausgefahren in Assen und in Spa. Dennoch gehörten ihm die meisten Sympathien, denn auch im Motorsportherzen fühlten sich die Ostdeutschen keineswegs getrennt.

Nach Favoritensiegen ein verkappter Heimsieg

Das auf 15 Runden gleich 129,270 Kilometer angesetzte Rennen begann für Dieter Braun und seine Anhängerschaft wenig erbaulich. Aus der Startrunde kam der Trainingsdritte nur als Zehnter den Queckenberg herauf und durch die spätere Zielkurve. Allerdings startete er eine furiose Aufholjagd.

Nach fünf Runden lag der lange Dieter Braun bereits in Schlagdistanz zu den anfangs bereits etwas enteilten Briten Phil Read und Rodney Gould. In Runde zehn tauchte erstmals der leuchtende orange Helm von Dieter Braun an der Spitze auf, sodass die "fairen" DDR-Sportfunktionäre in Ermangelung, die westdeutsche Hymne erklingen lassen zu müssen, kalte Füße bekamen und dem Rennleiter Hans Zacharias die Order gaben, den Westdeutschen unter dem Vorwand, am Waldausgang die weiße Streckenbegrenzungslinie überfahren zu haben, aus dem Rennen zu nehmen. Hans Zacharias spielte das schmutzige Spiel aber nicht mit, wofür er bald die Quittung bekam und seines langjährigen Amtes enthoben wurde.

Dieter Braun bekam von all dem natürlich nichts mit und fuhr das Rennen seines Lebens. So sehr sich Phil Read und Rodney Gould auch mühten, an Dieter Braun fanden sie in den verbleibenden Runden keinen Weg vorbei.

Dennoch blieb es bis zum Schluss äußerst spannend, bis schließlich Dieter Braun 0,5 Sekunden vor Rodney Gould und 1,6 Sekunden vor Phil Read über den Zielstrich donnerte und die inzwischen teilweise Fingernagel-losen Fans erlöste. Die Westdeutsche Nationalhymne musste nun zwar gespielt werden, was allerdings nur auf dem Start- und Zielplatz, wo auch die Siegerehrung abgehalten wurde und wo die internationalen Offiziellen zugegen waren, der Fall war. An allen anderen Stellen des 8,618 Kilometer langen Kurses wurden die Lautsprecher abgestellt und dem johlenden Volk ein Defekt vorgegaukelt.

Die Sache mit der Nationalhymne

Während einige Publikationen bis heute zu berichten wissen, dass das Deutschlandlied trotz allem aus tausenden Kehlen erklungen haben soll, verweisen dies einige weniger gehörte Augenzeugen noch heute ins Bereich der Fabel. Erstens war nach der Zieldurchfahrt ein überdimensionales sichtbares Polizeiaufgebot aufgeboten worden. Zweitens war auch damals schon der Bevölkerungsanteil der nicht unmittelbar sichtbaren Staatsschergen beträchtlich und noch viel weniger kalkulierbar und drittens war der Durchschnitts-DDR-Bürger in Sachen Hymne wenig textsicher und (Gruppen-)Karaoke noch nicht in Mode.

Wie dem auch sei, war der 11. Juli 1971 auch Dieter Brauns Leben ein ganz besonderer Tag, der ihn zeitlebens zum Idol am Sachsenring machte und ihm bei seinen zahlreichen, fast schon regelmäßigen Besuchen zu größeren und auch kleineren Anlässen in Hohenstein-Ernstthal regelrecht gehuldigt wird.

Hommage an den Sieger, Hommage vom Sieger

Dazu sagte er zum Beispiel vor wenigen Jahren im Rahmen der ADAC Sachsenring Classic: "Ich war nach der Wende schon so oft wieder am Sachsenring, manche Jahre gleich mehrfach. Und immer wieder schreibe ich tausende Autogramme und habe das Gefühl, dass ich den Bedarf nie stillen kann. Ich habe heute zum Beispiel eineinhalb Stunden vom Parkplatz bis ins Fahrerlager gebraucht. Aber das ist schön so und eine Ehre für mich und ganz sicher auch für alle anderen Fahrer. Ich wünsche dem Sachsenring alles Gute und noch ein langes Leben, vor allem, dass der Grand Prix hier ewig bleibt. Alles andere ist unsinnig und würde Deutschland als WM-Standort nur schaden. Mein Sieg 1971 ist natürlich auch für mich unvergesslich, dabei war ich auch in den beiden Jahren zuvor schon dicht dran. 1969 habe ich mit Abstand geführt, dann ist mir 150 Meter vorm Ziel der Motor festgegangen, und 1970 musste ich, wieder bei den 125ern, dem 20 Zentimeter kleineren und 20 Kilogramm leichteren Angel Nieto knapp den Vortritt lassen. Der Sachsenring war aber nie meine Lieblingsstrecke, das waren Opatija und Assen, aber Sachsenring war immer meine Lieblingsveranstaltung."

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