Zum 110. Geburtstag von Nello Pagani

MOTORSPORT Sachsenring-Sieger wurde 1949 erster 125-Weltmeister

Sachsenring. 

Sachsenring. Als 1949 aus der Motorrad-(Straßen)-Europameisterschaft die Weltmeisterschaft wurde, schrieb der internationale Weltverband FIM (Federation Internationale de Motocyclisme) für das Premierenjahr fünf Klassen aus - vier Solo- und die Seitenwagen-Klasse. Von den ersten fünf plus einem Weltmeister sind drei 1911 geboren. Der erste mit dem Briten Eric Oliver am 13. April 1911, der mit dem gut neun Jahre jüngeren Motorsport-Journalisten Denis Jenkinson als Beifahrer den ersten Titel bei den Seitenwagen eroberte.

Am 13. September 1911 kam deren Landsmann Leslie "Les" Graham auf die Welt, der als erster 500er-Weltmeister in die Geschichte einging.

Heute vor 110 Jahren, also am 11. Oktober 1911, wurde der Italiener Nello Pagani geboren, der vor dem Zweiten Weltkrieg (1939) auf dem Sachsenring das Rennen der 250-ccm-Klasse gewann und sich 1949 mittels einer Mondial die erste Krone in der damals kleinsten Hubraumklasse bis 125 ccm aufsetzte.

Nicht nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der erste 350er-Weltmeister, der Brite Freddie Frith, bereits 1909 das Licht der Welt erblickte und das Geburtsdatum des ersten Viertelliter-Champions Bruno Ruffo im Dezember 1920 liegt. Damit war der Italiener 1949 mit 28 Jahren der mit Abstand jüngste erste Weltmeister. Ebenfalls im Dezember 1920 wurde Denis Jenkinson geboren.

Erster WM-Lauf bei der TT

Der erste WM-Lauf der Geschichte wurde im Rahmen der Tourist Trophy (TT) im Juni 1949 auf der britischen Isle of Man ausgetragen, wo es der dort Junior TT genannten Klasse bis 350 ccm am 13. Juni vorbehalten war, mit Freddie Frith auf einer Velocette den ersten Sieger eines WM-Rennens zu ermitteln. Ebenfalls um die allerersten WM-Punkte kämpften auf der Isle of Man die Fahrer der Klassen bis 250 ccm (Lightweight TT) und 500 ccm (Senior TT). Dabei sicherten sich der Ire Manliff Barrington mit einer Moto Guzzi und der Brite Harold Daniell mit einer AJS ihre Einträge als erste WM-Rennsieger in den Geschichtsbüchern.

Der zweite WM-Lauf der Geschichte war der Grand Prix der Schweiz auf dem Bremgarten-Kurs bei Bern, wo auch die 125-ccm-Klasse und die Seitenwagen zum Programm gehörten und ihr WM-Debüt gaben.

Während bei den Seitenwagen Eric Oliver und Denis Jenkinson den ersten WM-Lauf gewannen, war dies in der Achtelliterklasse Nello Pagani. Knapp vier Minuten betrug sein Vorsprung damals auf den Zweitplatzierten Renato Magi. Mit Clemente Cavaciutti, Carlo Ubbiali und Umberto Masetti gingen auch die weiteren Plätze an Italiener. Beim zweiten Saisonrennen im niederländischen Assen gewann Nello Pagani erneut, diesmal rund 50 Sekunden bzw. eine Minute vor seinen Landsleuten Oscar Clemencigh und Carlo Ubbiali. Bei der damaligen Punkteverteilung 10, 8, 7, 6, 5 plus einen weiteren WM-Zähler für die schnellste Rennrunde, hatte Nello Pagani 22 Punkte auf dem Konto und war damit fast durch. Beim dritten und somit schon letzten 125er-WM-Lauf 1949 im italienischen Monza hätte ihn lediglich Carlo Ubbiali noch abfangen können, musste dazu aber gewinnen und, wie Nello Pagani mit der schnellen Doppelnocken-Mondial zwei Mal zuvor, die schnellste Rennrunde drehen. Gleichzeitig hätte Nello Pagani komplett leer ausgehen müssen. Dies lag natürlich durchaus im Bereich des Möglichen, doch da weitere schnelle Motorräder aus dem Hause Fratelli Boselli (FB) Mondial am Start waren, die es sogar mit so mancher 250er hätten aufnehmen können, war Carlo Ubbialis Erfolgsaussicht ziemlich gering. Während der später neunfache Weltmeister leer ausging, machte Nello Pagani den Sack als Fünftplatzierter zu. Da vor ihm wieder ausschließlich Italiener lagen, war das erste 125er-WM-Jahr eine rein-italienische Angelegenheit.

Beinahe Doppelweltmeister

Doch Nello Pagani frönte 1949 nicht nur der hubraumschwächsten, sondern auch der leistungsstärksten WM-Klasse und wäre beinahe sogar gleichzeitig der erste Doppelweltmeister geworden. Bei den 500ern fuhr er für Gilera und gewann den Grand Prix der Niederlande in Assen und das WM-Finale in Monza. Dazu stand er beim Ulster Grand Prix in Belfast als Dritter auf dem Podest. Les Graham hatte ebenfalls zwei Siege (Bern und Ulster) und dazu einen zweiten Platz (Assen) ein- sowie drei schnellste Rennrunden herausgefahren und somit 31 Punkte brutto auf seinem Konto. Allerdings wurden damals nur die drei besten Ergebnisse gezählt und seine schnellste Rennrunde von der Isle of Man, wo er keine Zielflagge sah, gestrichen. Somit kamen bei ihm 30 Punkte in Wertung. Nello Pagani hatte insgesamt 40 Zähler gesammelt, aus denen für seine zwei Siege, einen dritten Platz und zwei schnellste Rennrunden netto 29 wurden. Somit blieb ihm bei den 500ern ganz knapp nur der Vize-WM-Titel.

Talent auf zwei und vier Rädern

Cirillo "Nello" Pagani wurde am 11. Oktober 1911 in Mailand geboren und begann 1928 mit dem Rennfahren. Dabei war er beim Speedway und bei Geländefahrten gleichermaßen aktiv und erfolgreich. Seine größten Erfolge feierte er jedoch beim Straßenrennsport. Vor seinem Weltmeistertitel 1949 gewann er 1934, 1937 und 1938 die Italienische Meisterschaft in der Klasse bis 250 ccm.

Vor dem Zweiten Weltkrieg war Bern international schon ein gutes Pflaster für Nello Pagani, denn hier wurde er 1937 mit einer Moto Guzzi Vize-Europameister der Klasse bis 250 ccm. Es war das letzte Jahr, dass der EM-Titel, das damals höchste internationale Prädikat, bei nur einem Rennen vergeben wurde. Ab 1938 wurde dazu erstmals eine Serie mit mehreren wichtigen europäischen Grand Prix ausgetragen, wobei Nello Pagani 1939 den "Großen Preis von Großdeutschland" auf dem Sachsenring hauchdünn vor seinem Landsmann und Moto-Guzzi-Stallgefährten Guglielmi Sandri sowie dem DKW-Werksfahrer Ewald Kluge gewann.

Nach dem Krieg sicherte sich Nello Pagani 1946 und 1951 in der Halbliter-Kategorie jeweils auf Gilera zwei weitere nationale Titel. Zudem bestritt er parallel Autorennen. So zum Beispiel am 4. Juni 1950 in Bern seinen einzigen Formel-1-WM-Lauf, bei dem er als Siebenter in einem Maserati der Scuderia Achile Varzi die Punkteränge (bis Platz fünf) knapp verpasste.

Comeback mit 55

Nachdem er 1950 und 1951 noch einmal WM-Vierter bzw. -Fünfter in der Königsklasse bis 500 ccm wurde, konnte er danach nicht mehr an seine ganz großen Erfolge anknüpfen.

Ende 1955 beendete er seine Karriere, um für MV Agusta als Sportdirektor zu arbeiten.

1967 gab er mit einer 750er-Norton beim "Motogiri d´Italia" ein Blitz-Comeback.

22 Motorrad-Grand-Prix bestritt Nello Pagani in seiner Laufbahn, von denen er vier, alle 1949, gewinnen konnte. Insgesamt stand er elf Mal auf einem WM-Podest.

Sein Sohn Alberto Pagani wurde ebenfalls Motorradrennfahrer und unter anderem 1972 hinter dem großen Giacomo Agostini Vize-Weltmeister in der 500-ccm-Klasse.

Am 19. Oktober 2003 verstarb Nello Pagani im stolzen Alter von 92 Jahren in Bresso am nördlichen Stadtrand von Mailand.

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