Lange haben die Fans darauf gewartet: Das erste Kummer-Soloalbum ist da. Felix Kummer kündigte vor vier Monaten seine erste eigene Platte "Kiox" an und heute erschien sie endlich und das Fanherz durfte sogar noch höher schlagen. Aber alles auf Anfang. 

Felix ist der Frontsänger der fünfköpfigen Musikgruppe Kraftklub aus Chemnitz, die seit 2009 aktiv ist und eine steile Karriere in den letzten Jahren hingelegt hat. Das letzte Kraftklubalbum erschien im Juni 2017 und viele der Anhänger erhofften sich in diesem Jahr eine neue Platte. Doch es kam etwas anders. Felix veröffentlichte am 28. Juni diesen Jahres seine erste eigene Single "9010", in der er seine Erfahrungen mit Nazis teilte und aus seiner Chemnitzer Kindheit und Jugend erzählte. Die Single schlug ein, genau wie die nächsten beiden Songs "Nicht die Musik" und "Bei Dir".

Wie geht es mit Kraftklub weiter?

Musikalisch ist Rap angesagt und Kummer macht sich sehr gut darin, wie selbst der Nicht-Hip-Hop-Hörer zugeben muss. Viele Fans hatten Angst, dass "Kiox" das Ende von Kraftklub bedeuten sollte und dass Felix der Ruhm zu Kopf gestiegen wäre. Einen Höhenflug eines Bandsängers, der glaubt solo mehr Erfolg zu haben, als mit seiner Band, hat man ja schon öfters in der Musikgeschichte erlebt. Beispielsweise bei Take That, Rammstein, One Direction oder bei den Ärzten. 

Aber in Interviews wurde schnell klar, Kraftklub ist nicht gefährdet und Felix ist nicht abgehoben, sondern es entstanden einfach im Laufe der Zeit Songs, die nicht so gut zum Kraftklub-Klang passten, in denen Felix ein bisschen mehr in seine Seele blicken lässt. Und er ist ein cleveres Kerlchen, was die Vermarktung des Ganzen angeht. Denn er hat in der Karl-Liebknecht-Straße in Chemnitz seit heute einen Pop-Up-Store eröffnet, wo es exklusiv sein Album als Vinyl, CD und Kassette zu kaufen gibt. Drei Tage gibt es dort seine physische Platte zu kaufen und er selbst ist auch vor Ort und unterschreibt sein Werk. Auch für Fotos steht er zur Verfügung. "Ich habe drei Jahre an diesem Album geschrieben. Irgendwie wollte ich bis zum Ende dabeibleiben und den Vertrieb nicht einfach abgeben", sagt Kummer.

Ein exklusiver Laden mit einem Felix zum Anfassen und doch Kritik

Hunderte Menschen aus ganz Deutschland waren bereits vor der Eröffnung zehn Uhr vor dem Geschäft in einer langen Warteschlange zu finden, teilweise noch mit ihren Koffern. Das Besondere an dem Laden: nur hier und auf der Onlineseite des Shops gibt es das physische Album  zu kaufen. Andere Stores, wie Amazon, bieten nur die Downloads an. Felix hat in den letzten Wochen online sehr viel Werbung für den Laden gemacht und das lockt natürlich nach Chemnitz. 


Auch Influencerin Sonny Loops hat er ins Boot geholt. Die Berlinerin hat 662.000 Follower und wird heute auch im Laden zu Gast sein. Dafür hagelte es aber bereits Kritik, da Kraftklub sich normalerweise nie etwas aus Reichweiten machten, eher das Image der Chemnitzer Jungs von nebenan aufrechterhielten. Sie zogen nicht wie viele Bands nach Berlin, blieben lieber die coolen "Außenseiter", die ihr Ding durchzogen, egal, was andere sagten. Warum also jetzt der Schritt zur Kooperation? Sonny ist selbst riesiger Fan von Kummer und vielleicht möchte Felix mit dem Schritt der Influencer-Kooperation aber auch sagen, dass man nicht alle Youtuber über einen Kamm scheren sollte und die Menschen dahinter erst einmal kennenlernen sollte. 

Ein geheimes Konzert?

Und die Fans bekommen noch mehr. Ein gestriger Soundcheck vor dem Laden lässt Gerüchte aufkochen: Gibt es etwa ein Konzert? Angeblich wird heute 18 Uhr ein geheimes Event am Geschäft stattfinden. Immerhin ist die Nachfrage groß. Die gesamte Herbst-Tour von Kummer war schlagartig ausverkauft, Zusatztermine folgten in Form einer Frühjahres-Tour. Dafür gibt es auch noch Tickets.

Der ganze Aufriss wegen eines Albums? 

Man mag sich fragen, was das Album so besonders macht, wenn so ein Aufriss und eine Marketingkampagne gestartet wird. Nun ja. Der Hype scheint krass und Felix kommt mit seiner offenen Art an. Er spricht Dinge aus, die sich andere nicht trauen, ohne den Rapclichés zu verfallen. Es geht nicht um teure Autos, Beschimpfungen und dicke Goldketten. Er macht keine Videos mit halbnackten Frauen und macht auf dicke Hose. Nein, seine Texte sind tiefgreifend und niveauvoll. 

Im gesamten Album schwingt ein melancholischer Unterton mit. Vor allem "Schiff" symbolisiert sein Verhältnis zu Chemnitz. Er singt: "Ich sitze fest, auf diesem Schiff im Nirgendwo. Fragt mich jetzt bitte nicht wieso. Es riecht nach Pisse, es riecht nach Tod, aber ich fühl‘ mich hier wohl." Seine Hörer können sich mit ihm und seinen Texten identifizieren und die Grundstimmung wirkt ernst. Nicht übertrieben, überheblich, sondern ernst.
Auch Gäste sind auf der Platte vertreten. Mit Max Raabe geht es um das Älter-Werden in "Der Rest meines Lebens". Felix zeigt sein ambivalentes Verhältnis zum Einfamilienhaus und Familie-Gründen. Ehrlich und offen. Ein weiteres Highlight auf dem Album ist "Ganz genau jetzt", darin geht es um das Schätzen des Augenblicks. Wohingegen es in "Alle Jahre wieder" einen wütenden Felix zu hören gibt. Er rappt aus der Position der Eltern oder Großeltern, die sauer auf die junge Generation sind, die ständig nur vorm Handy hängt und viele materielle Dinge für selbstverständlich nimmt. Felix kritisiert die Gesellschaft und seine Fans scheinen dasselbe zu fühlen. Er ist ein Musiker zum Anfassen, der einfach coole Aktionen macht und sich auch deutlich gegen rechte Hetze positioniert. Er und seine Bandkollegen stehen schließlich auch hinter der Kampgane #wirsindmehr und haben schon oft gezeigt, wie wichtig es ist, zusammen zu stehen und den Mund gegen Hass zu öffnen. Man mag denken, was man will von Felix, aber ihm gebührt Respekt für all die Dinge, die er in den letzten Monaten auf die Beine gestellt hat.