Im heutigen Berufe-Special stellt BLICK euch einen weiteren Ausbildungsberuf  vor und dafür hat Redakteurin Anika den Erzgebirgler Torben Münch zum Interview getroffen. Er ist 33 Jahre alt und von Beruf Notfallsanitäter. Torben hat seine Ausbildung beim Deutsche Roten Kreuz absolviert und ist am Medicampus Chemnitz zur Berufsschule gegangen. Derzeit arbeitet er beim DRK Döbeln-Hainichen in der Rettungswache Naußlitz und fährt vor allem Landrettung, hat aber auch in der Vergangenheit in Chemnitz Stadtrettung absolviert. Notfallsanitäter ist ein Beruf, den sich viele Menschen als sehr spannend und nervenaufreibend vorstellen. Man hat viel Verantwortung, oder?

Hallo, zu aller erst einmal eine allgemeine Frage: Was ist der Unterschied zwischen dem Notfallsanitäter und dem Rettungssanitäter?

In Deutschland gibt es das Notarztsystem, anders als in anderen europäischen Ländern, und wir gehen davon aus, dass zu einem Einsatz ein Notarzt mitfährt und wir ihm praktisch assistieren. Der Rettungssanitäter ist grob gesagt der Krankenwagenfahrer, das wird dem Beruf aber nicht ganz gerecht, weil es da auch Leute gibt, die richtig was können, aber die Ausbildung ist kürzer. Dieser Beruf ist aber derzeit auch gerade im Wandel. Und dann gibt es den Notfallsanitäter, der früher Rettungsassistent hieß, der dafür da war, dem Arzt zu assistieren. Irgendwann hat man aber gemerkt, dass es nicht mehr genug Notärzte gibt und dann hat man den Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter umstrukturiert, zu einem vollen Beruf mit drei-jähriger Ausbildung, bei dem man mittlerweile zu mehr befugt ist als noch früher, also nicht nur assistiert, sondern auch allein vor Ort klarkommt.

Wie bist du zu dem Beruf gekommen?

Eigentlich wollte ich das schon immer machen, aber früher war die Rettungsassistentenausbildung mit sehr vielen Hürden verbunden und so habe ich erst einmal studiert, weil das für mich billiger war, als die schulische Ausbildung zum Rettungsassistenten. Es gab früher auch nicht so viele Stellen, wie heute und da hatte ich mich dagegen entschieden, nach dem Abitur diese Ausbildung zu machen. Aber es war schon immer mein Traumberuf. Ich habe dann aber gemerkt, dass das Studieren für mich nichts ist und dachte mir dann: "Jetzt machst du Rettung". Derzeit ist der Arbeitsmarkt so ausgedünnt, dass jederzeit, jeder Notfallsanitäter überall eine Anstellung bekommen kann. Wir haben einen massiven Personalmangel, das liegt vor allem da dran, dass die Leute heutzutage viel öfters die 112 rufen, als damals, also das Einsatzaufkommen höher ist und man damit mehr Einsätze fährt. Dafür brauch man auch mehr Personal.

Welche Eigenschaften muss man mitbringen für den Beruf?

Man sieht harte Sachen, aber nicht, wie die meisten Menschen denken "zerstückelte Personen auf der Autobahn". Also das ist auch Teil des Berufes und das sollte man wissen, aber man muss auch sozial ein bisschen abgebrüht sein. Mich nehmen emotional mehr alte Leute mit, die keine Familie haben und um die sich niemand kümmert, als schwere Autounfälle. Am besten sollte man die Fähigkeit haben, solche emotionalen Fälle auf Arbeit zu lassen. Also du darfst echt nicht zu Hause darüber nachdenken, wie es den alten Leuten wohl geht. Im Einsatz ist man da für die Leute, da braucht man die Empathie. Ich muss auch verstehen können, dass jemand der Schmerzen hat, jetzt nicht unbedingt freundlich und höflich zu mir ist. Auf der anderen Seite muss man aber auch die Fähigkeit haben, sich auch mal gegen die Leute durchzusetzen. Also wenn zum Beispiel jemand einen Herzinfarkt hat und der Meinung ist "Ich will definitiv nicht ins Krankenhaus",  dann muss man denen klar machen, dass es jetzt ins Krankenhaus geht, oder es vorbei ist. Außerdem muss man damit rechnen, dass man ab und zu schwere Menschen tragen muss. Es ist halt ein körperlich anstrengender Beruf.

Wie sieht dein Arbeitsalltag so aus und welche Aufgaben umfasst dieser?

Ich fasse es immer grob damit zusammen, dass ich sage, ich muss Leute vom Sterben abhalten (lacht) und dafür sorgen, dass sie, ohne dass es schlimmer wird, ins Krankenhaus kommen. Unsere Aufgabe ist quasi nicht das Heilen, das machen Ärzte in Krankenhäusern. Unsere Aufgabe ist es, die Leute dahin zu bringen und ihnen schon soweit Therapie zukommen zu lassen, dass sie auch bald wieder rauskommen. Also, dass wir nicht mehr kaputt machen, als schon ist. Ich komme dafür in die Wache und ziehe mich um. Dann lass ich mir das Auto übergeben und schaue, was an Medikamenten, Utensilien und Zubehör aufgefüllt werden muss. Weiterhin müssen wir viele Dinge protokollieren, desinfizieren und putzen. Und wir fahren zu ungefähr fünf Einsätzen in einer Schicht raus. Außerdem machen wir jede Woche Routinechecks mit dem Auto und Medikamenten. Bei den Einsätzen sind unsere Aufgaben beispielsweise Atemwege freilegen, Schmerztherapie, Blutwunden stillen, Reanimation mit Notarzt und so weiter.

Was hat dich an dem Beruf begeistert, was weniger?

Ich habe schon als Kind beim DRK in der Bergwacht angefangen. Ich habe da schon mit sechzehn Jahren meinen ersten "Rettungsdiensteinsatz" gefahren. Die Arbeit macht mir Spaß, was viele nicht nachvollziehen können. Es gibt mir ein gutes Gefühl einen für die Gesellschaft nützlichen und wichtigen Beruf auszuüben. Das ist ein großer Teil der Motivation, wenn ich morgens aufstehe. Es ist halt auch das Schöne, dass du auf Arbeit gehst und nicht weißt, was kommt. Es ist sehr abwechslungsreich. Die Arbeitszeit könnte man verbessern. Eine Schicht geht bei uns zwölf Stunden. Das ist von Keisverband zu Kreisverband sehr unterschiedlich. Man kann in manchen Gebieten 60 Stunden die Woche im Einsatz sein, ich habe das Glück und mache 40 Stunden. Also schön wäre es, wenn alle einen ordentlichen Tarifvertrag hätten. Man hat durch die langen Schichten aber auch zwischendurch mal mehrere Tage frei. Man hat häufig Drei-oder-Vier-Tage-Wochen. Das ist schön. Es gibt auch immense Unterschiede zwischen Stadt- und Landrettung. Ich fahre gerade in der Landrettung, da hat man länger andauernde Einsätze und damit weniger, als bei der Stadtrettung.

Warum sollte ein Schüler eine Ausbildung machen:

Es ist schon so, dass dieser Beruf gebraucht wird, dass wir dringend Leute suchen. Aber man muss auf diese Arbeit stehen. Ich würde allen empfehlen, die sich dafür interessieren, mal ein kleines Praktikum zu machen, um zu sehen, wie kommt ihr mit Menschen klar und wie kommt ihr mit kaputten Menschen klar. (lacht) Und wenn ihr sagt, ihr kommt mit kaputten Menschen klar, die auch mal rumschreien, dement sind oder sowas, dann könnte der Beruf etwas für euch sein. Und wenn man nicht mit Körperflüssigkeiten von Menschen klarkommt, dann kann man den Beruf nicht machen. Kurz gesagt: Man muss auf die Arbeit (mit einem Faible für Medizinisches) und auf Menschen stehen. Es ist ja auch ein tolles Handwerk.

Gibt es Aufstiegsmöglichkeiten?

Man kann den Rettungssanitäter oder den Notfallsanitäter machen. Man kann auch Wachenleiter oder Rettungsdienstleiter werden und man kann weitere medizinische Ausbildungen dazu machen, zum Beispiel die Fortbildung als Praxisanleiter. Man kann auch danach studieren. Es gibt zum Beispiel viele Leute, die studieren Medizinpädagogik, um dann in die Lehre zu gehen, neben ihrer Tätigkeit. Es gibt auch Leute, die studieren Rettungsdienstmanagement, um professionell die Rettungsdienstleitung zu machen. Es gibt schon einige Möglichkeiten.

Wo kann man sich bewerben?

Eigentlich bei jeder medizinischen Organisation: beim DRK, den Johannitern, den Maltesern, dem ASB Chemnitz, Falck A/S oder der Feuerwehr.

Vielen Dank für das Interview.

Eine Übersicht über alle Interviews des Berufe-Specials finden sich hier.