Dresden. Polizisten sind bei dem Einsatz am Rudolf-Harbig-Stadion von Gewaltbereiten massiv mit Pyrotechnik und Flaschen beworfen worden. Zudem gab es wiederholt gezielte Angriffe auf die Beamten. Die Verletzungen von elf Polizisten mussten in Krankenhäusern behandelt werden.

Deeskalationsstrategie musste aufgegeben werden

Der Leiter der Polizeidirektion Dresden, Polizeipräsident Jörg Kubiessa (56) stellte am Abend fest: "Die erschreckenden Szenen rund um das Rudolf-Harbig-Stadion haben gezeigt, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei nur dann funktioniert, wenn beide Seiten das auch wollen. Wir haben bis 15.30 Uhr ganz klar auf Kommunikation gesetzt. Als dann aber mindestens 500 Gewaltbereite unsere Polizeibeamten im Großen Garten unvermittelt und massiv mit Pyrotechnik, Flaschen sowie Steinen angriffen, fand diese Strategie zwangsläufig ihr Ende. Es ist bedauerlich, dass der sportliche Erfolg der SG Dynamo Dresden von diesen bestürzenden Bildern überschattet wird." Hintergrund des Einsatzes waren Aufrufe in sozialen Netzwerken anlässlich des letzten Saisonheimspiels der SG Dynamo Dresden, sich zum Rudolf-Harbig-Stadion zu begeben und dort den Aufstieg in die 2. Bundesliga zu feiern.

Hohe Polizeipräsenz rund ums Stadion

Einsatzkräfte der Polizei waren bereits seit den Morgenstunden rund um das Stadion stark präsent. Die Lennéstraße war für den Fahrverkehr gesperrt. Zur Mittagszeit fanden sich mehr als 4.000 Fußballfans am Straßburger Platz sowie an der Hauptallee im Großen Garten ein. Dabei wurde wiederholt Pyrotechnik abgebrannt. Die Personen wurden mit Lautsprecherdurchsagen mehrfach aufgefordert den Bereich zu verlassen. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit und dem geplanten Deeskalationskonzept videografierten die Beamten die Situation, um Rechtsverstöße im Nachgang zu ahnden.

Einsatz von Wasserwerfern war nötig

Gegen 15.30 Uhr bewarfen Gewaltbereite unvermittelt Polizeibeamte und deren Fahrzeuge an der Lennéstraße mit Pyrotechnik. Dabei versuchten die Angreifer auch die Polizeiabsperrung in Richtung Stadion zu durchbrechen. Wenig später wurden die Polizisten im Großen Garten wiederholt und massiv mit Pyrotechnik sowie Flaschen beworfen und gezielt attackiert. Die Beamten mussten von der Mehrzweckpistole Gebrauch machen um Reizstoffe einzusetzen. Auch Wasserwerfer wurden zum Einsatz gebracht. Später stellten sich zahlreiche Gewaltbereite den Polizeibeamten auf der Lennéstraße entgegen und bewarfen diese erneut mit Pyrotechnik, Flaschen und Steinen. Auch knapp zwei Stunden nach dem Ende der Fußballbegegnung dauerten die Angriffe auf Polizeibeamte auf der Lennéstraße an. Gegen 18 Uhr entspannte sich die Situation rund um das Rudolf-Harbig-Station.

Aktuell hat die Polizei 17 Ermittlungsverfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung und den Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet. Im Zusammenhang mit dem Einsatz sind bislang 30 Personen ins polizeiliche Gewahrsam genommen worden.

Angriffe auf Journalisten

Im Verlauf des Einsatzes sind Medienvertreter attackiert worden. So wurde ein Kamerateam auf der Hauptallee weggestoßen. Ein Medienschutzteam der Dresdner Polizei griff sofort ein. Später konnte ein Tatverdächtiger bekannt gemacht werden. Gegen den 38-jährigen Deutschen wird wegen Körperverletzung ermittelt. Weiterhin ist ein 17-Jähriger auf der Lennéstraße von Unbekannten geschlagen und getreten worden. Der junge Mann war dort mit einem Fotoapparat unterwegs und dokumentierte die Situation. Auch er war möglicherweise journalistisch tätig. Die Polizei bittet möglich andere betroffene Journalisten, sich zu melden und Anzeige zu erstatten.

Sachschäden sind ebenfalls zu beklagen

Während des Einsatzes sind mindestens ein Dutzend Polizeifahrzeuge beschädigt worden. An den Fahrzeugen wurden unter anderem die Reifen zerstochen und die Spiegel abgetreten. Abschließende Schadensangaben stehen aus. Etwa 1.100 Polizeibeamte waren im Einsatz. Dabei erhielt die Dresdner Polizei Unterstützung von Beamten der sächsischen Bereitschaftspolizei, aus Brandenburg sowie der Bundespolizei.

 

Update 17.05. 14.30 Uhr

Der Einsatz anlässlich des letzten Saisonheimspiels der SG Dynamo Dresden dauerte bis in die frühen Morgenstunden des 17. Mai 2021. Einen ersten Zwischenstand zu den Geschehnissen veröffentlichte die Polizeidirektion gestern Abend in der Medieninformation Nr. 291/21. 

Zwischenzeitlich hat die Polizeidirektion Dresden eine Bilanz des gestrigen Einsatzes erarbeitet. 

So sind während des Einsatzes insgesamt 185 Polizeibeamte verletzt worden. Der überwiegende Anteil der Verletzungen resultiert aus dem Bewurf mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik. 155 der betroffenen Beamten sind weiter dienstfähig. 30 Beamte können ihren Dienst derzeit nicht ausüben. Elf Polizeibeamte mussten in Krankenhäusern behandelt werden, sechs von ihnen befinden sich aktuell noch dort. Betroffen waren sowohl Beamte der Bundespolizei sowie der Sächsischen Bereitschaftspolizei. 

Beim gestrigen Einsatz sind insgesamt 40 Personen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen worden. Es handelte sich um Männer im Alter von 18 bis 69 Jahren, die inzwischen wieder entlassen worden sind. 

Insgesamt 32 Straftaten sind während des Einsatzes bekannt geworden. Im Gros handelt es sich um Beleidigungen, Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzungsdelikte und schweren Landfriedensbruch. Weiterhin wurden 103 Verstöße gegen die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung geahndet. 

Heute hat die Polizeidirektion Dresden die Sonderkommission "Hauptallee" ins Leben gerufen, die unter der Leitung des Kriminalrats Enrico Lange (36) steht. Ihre Aufgabe wird es sein, die Ermittlungen der bereits festgestellten Straftaten voranzutreiben und weitere Straftaten im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 16. Mai 2021 zu verfolgen. 

Update 10.06. 14.00 Uhr

Einsatz am 16. Mai 2021 - Ermittlungen vorangetrieben

  • 14 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten in der Soko
  • 90 Tatverdächtige identifiziert
  • 58 Stadionverbote angeregt

 

Die Polizeidirektion Dresden hat die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Geschehnissen am Rande des letzten Saisonheimspiels der SG Dynamo Dresden am 16. Mai 2021 weiter vorangetrieben.

In der eigens eingerichteten Sonderkommission "Hauptallee" arbeiten derzeit 45 Kollegen, darunter auch 14 Bundespolizisten. Der Leiter der Sonderkommission KriminalratEnrico Lange (36): "Die Bundespolizei hatte diese personelle Unterstützung unmittelbar nach dem Einsatz von sich aus angeboten. In dem Umfang gab es das noch nie. Wir sind darüber sehr erfreut, denn so können wir unsere Ermittlungen viel schneller durchführen."

Den Ermittlern liegen aktuell 98 Hinweise aus dem Bürgerportal vor. Dabei handelt es sich insbesondere um Foto- und Videoaufnahmen in einer Größenordnung von 7,4 Gigabyte. Außerdem werten die Kriminalisten die Aufnahmen von etwa 64 Kameras aus, welche die Einsatzkräfte am Tag nutzten. Dies gilt auch für Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras aus dem Stadionumfeld. Zudem haben die Beamten dutzende Zeugen befragt.

Enrico Lange: "Die Auswertung der enormen Menge an Video- und Fotomaterial bildet den aktuellen Schwerpunkt der Soko. Damit können wir möglichst viele Gewalttäter aus der Anonymität holen und zur Verantwortung ziehen. Diesen hohen Ermittlungsaufwand sind wir nicht allein unseren vielen verletzten Kollegen schuldig, sondern auch der Vielzahl friedlicher Dynamo-Anhänger. Glücklicherweise konnten die sechs stationär aufgenommenen Beamten das Krankenhaus zwischenzeitlich wieder verlassen."

Die Geschehnisse am Rudolf-Harbig-Stadion werden aktuell im Komplex als Landfriedensbruch eingestuft mit den entsprechenden Ermittlungsverfahren gegen die Beteiligten. Hinzu kommen einzelne Straftaten, die gesondert aufgearbeitet werden.

Zwischenzeitlich hat die Polizei 90 Tatverdächtige identifiziert. Ihnen werden unter anderem 42 Körperverletzungsdelikte, 17 Beleidigungen, 8 Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte, 7 Sachbeschädigungen, 6 Verstöße gegen des Sprengstoffgesetz, 4 tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und zweimal das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. Bei den Tatverdächtigen handelt es bis auf einen um deutsche Staatsbürger im Alter von 16 bis 69 Jahren. Unter den Verdächtigen befinden sich auch zwei Frauen.

Enrico Lange: "49 der Tatverdächtigen wohnen in Dresden, 35 im Umland und weitere sechs kommen aus anderen Bundesländern. Von einem Gewalttourismus nach Dresden kann also keine Rede sein."

Im Zusammenhang mit den bislang vorliegenden Ermittlungsergebnissen hat die Polizei unterdessen 58 bundesweite Stadionverbote beim Verein SG Dynamo Dresden angeregt.

Enrico Lange: "Solche Gewalttäter haben im Stadion nichts zu suchen. Das gilt gerade auch hinsichtlich der neuen Saison, in der in Dresden viel mehr sogenannte Brisanzspiele stattfinden werden."

Am Rande der Fußballbegegnung zwischen der SG Dynamo Dresden und Türkgücü München kam es am Rudolf-Harbig-Stadion zu erheblichen Ausschreitungen (siehe auch Medieninformationen der Polizeidirektion Dresden Nr. 280, 291, 295, 299/21).


Polizei sucht weiterhin Zeugen

Unter https://sn.hinweisportal.de können Bilder und Videos zum Einsatzgeschehen, auch anonym, hochgeladen werden. Gleichzeitig nimmt die Polizeidirektion Dresden Hinweise unter der Telefonnummer (0351) 483 22 33 entgegen.