Plauen. So bedeutend wie der Startschuss des Internets! So wichtig war vor 100 Jahren dieser Tag. Das World Wide Web (www) ist seit 30. April 1993 für jeden nutzbar. Genau wie seit 1923 der Rundfunk. Die drahtlose Tonübertragung war eine Sensation. Röhrenradios kamen seinerzeit sogar aus Plauen und die Geräte wurden auch exportiert. Verrückt oder? Das Plauener Kulturfenster in den Kolonnaden präsentiert seit dieser Woche spektakuläre Raritäten.

Radios aus Plauen waren begehrt

"Radios aus Plauen? Wirklich?" Markus Keßler ist technisch sehr interessiert und 51 Jahre jung. "Von Radios aus Plauen habe ich nie gehört", erzählt der Mechaniker, der Uhren und Schallplatten sammelt. "Bevor diese tolle Geschichte für immer in Vergessenheit gerät, müssen wir sie an die nachfolgenden Generationen weitergeben", sagt Diplom-Ingenieur Martin Berger. Nächste Woche feiert der Plauener seinen 75sten Geburtstag. "Es ist für mich und meine vielen Freunde die letzte Chance, dieses Erbe den jüngeren Leuten mitzugeben", sagt der Restaurator von alten Röhrenradios. Im Museum wollte diese Ausstellung keiner. Centermanager Holger Kappei hat sie in die Kolonnaden geholt.

Martin Berger besitzt 160 alte Radios

Martin Berger, Jahrgang 1948, hat als Jugendlicher bereits viel an Radios herumgebastelt. Das Radio war in den 1960er Jahren für die Menschen das Tor zur Welt. Martin Berger studierte. Fachrichtung Elektronischer Gerätebau. Mit 58 Jahren fand der Plauener dann zu seinem Hobby. Er begann Röhrenradios aus den 1920er bis 1960 Jahren zu sammeln. "Ich habe diese Raritäten immer wieder zum Laufen gebracht. Ein Radio, das nicht gehr, ist kein Radio", sagt Martin. 160 Röhrenradios hat er instand gesetzt und gesammelt.

Radio aus Plauen hatte eine Zeitschaltuhr

In der Ausstellung in den Kolonnaden kann man Radios von den Plauener Herstellern bestaunen. Die "Johannes Lange Radioproduktion" fertigte von 1926 bis 1934 in der Reißiger Straße 20 hochwertige Rundfunkgeräte. Die waren derart gefragt, dass sie sogar nach Frankreich exportiert wurden. Und weil die teuren Geräte für viele unerschwinglich gewesen wären, erfand Johannes Lange ein Radio mit Zeitschaltuhr. Das "Zeitradio" ging nur in Betrieb, wenn der Nutzer eine 10-Reichspfennig-Münze einwarf. Dann konnte die Familie eine Stunde lang Radio hören. "Erst wenn das eingeworfene Geld dem Gesamtpreis des Radios entsprach, wurde der Käufer des Radios zum Besitzer", berichtet Martin Berger. Es gab also in Plauen eine hochmoderne Ratenkaufvision. Doch das Unternehmen musste 1934 Konkurs anmelden und es verschwand von der Bildfläche.

1947 ging Hein Blohm an den Start

Ingenieur Hein Blohm gründete 1947 sein eigenes Unternehmen. Das stellte Radiogeräte und Röhrenprüfgeräte her. Die Entwicklung einer Elektronenorgel und Fotoblitzgeräte gehen auf das Konto von Hein Blohm. 1954 wurde das Unternehmen enteignet und ging in den Bestand der ehemaligen DDR über. Aus jenem Unternehmen wurde zunächst der VEB Elektronik Plauen und anschließend 1957 der VEB Elgawa Plauen (Werk 2) in der Schlossstraße 2.

Tonmöbelfabrik

Auch die Tonmöbelfabrik von August Peter produzierte Radios. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in der Pausaer Straße 110 und es exportierte seine Einbaumusikschränke seinerzeit sogar in die die BRD, sprich in den kapitalistischen Westen. Auch dieser Betrieb wurde von der ehemaligen DDR einkassiert und 1972 verstaatlicht. Ab 1974 wurde die Firma zum Betriebsteil der REMA Stollberg. Solche und viele andere Geschichten weiß Martin Berger zu berichten. Er hat zusammen mit Kulturfenster-Chef Heinz Tonndorf die Ausstellung eingerichtet. "Hier sind eine Reihe von Radios zu sehen, die Sammler Jens Tröger aus Großfriesen gehören", fügt Martin Berger hinzu. Am 29. Oktober 1923 startete in Deutschland der Hörrundfunk. Die Geschichte dazu gibt's bis 26. August übersichtlich aufbereitet im Kulturfenster im Einkaufszentrum "Die Kolonnaden" auf der Bahnhofstraße in Plauen. Im Anschluss folgt dann die Ausstellung "Radios aus Sachsen", die ebenso interessant sein dürfte.